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Terrorismus

So ḥarām lebte Anis Amri

Drogen-Handel, Gewalt-Exzesse, Orgien-Pornos: Wir haben uns angeguckt, was der Koran zum Leben des Attentäters vom Breitscheidplatz sagt.

"Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen", beginnt Anis Amri das Video, das der IS später von ihm verbreiten wird. "Alles Lob gebührt Gott, dem Herrn der Welten."

Es sind die ersten Worte der Sure "Al-Fatiha", mit der der Koran beginnt. Fromme Muslime auf der ganzen Welt sprechen diese Worte, wenn sie irgendetwas beginnen – eine Autofahrt oder eine Rede. Als er sie benutzte, wollte der Attentäter vom Breitscheidplatz sich selbst den Anstrich eines frommen Muslims geben. Aber selbst wenn Amri es in dem Moment selber geglaubt haben mag – in Wahrheit war der 26-jährige Tunesier alles andere als ein guter Muslim.

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Dem sogenannten "Islamischen Staat" war das natürlich egal – die Miliz brauchte einfach einen Lebensmüden, der den Terror für sie nach Europa trägt. Tatsächlich deutet sogar einiges darauf hin, dass der IS die meisten Rekrutierungs-Erfolge in Europa nicht unter traditionell frommen Muslimen, sondern eher bei in irgendeiner Form Gescheiterten erzielt. Auch Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, der Attentäter von Nizza, war vorbestraft, betete fast nie, konsumierte Drogen und Alkohol und schlug seine Frau.


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Das Profil "gewalttätiger Versager" passt auch perfekt auf Anis Amri. Der 26-Jährige, in dessen Körper noch Tage nach dem Attentat vom Breitscheidplatz Kokain und Cannabis nachgewiesen wurden, führte ein Leben, das die meisten frommen Muslime wohl mit Abscheu erfüllen würde:

Er hat Pornos geschaut

Pornototale, Orgie Porno, Stream Sex-Free Porn – das sind die Internetseiten, durch die sich Anis Amri noch drei Wochen vor seiner Tat klickte. Er lag gerne bis mittags im Bett, googelte nach der Schlacht um Mosul, dem Kampf um einen syrischen Militärflughafen und schaute zwischendurch immer wieder Pornos. Amri suchte dabei nicht etwa nach dickbusigen Pornodarstellerinnen. Nein, er wollte die Filme von Manuel Ferrara sehen, einem französischen Porno-Star mit besonders großem Penis, der in über 1.300 Filmen mitgespielt hat und stolzer Preisträger des AVN-Awards in der Kategorie "Best Anal Sex Scene" ist .

Im Koran gilt Pornografie als etwas Obszönes, dort steht: "Sag zu den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten. (…) Und sag zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten, ihren Schmuck nicht offen zeigen (…)." Es gibt ziemlich klare Anweisungen darüber, wer die "Scham" eines Menschen sehen darf und wer nicht. Amri hat das nicht gestört. Nachdem er sich zum letzten Mal an einem Ferrara-Porno aufgeilte – das ist der Tag, an dem wohl auch seine Entscheidung fiel, zum Mörder zu werden –, tauchten in seinem Verlauf nur noch islamistische Internetseiten auf, voller Tod, Gewalt und Mord.

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Er hat getrunken

Alkohol gilt in allen islamischen Rechtsschulen als haram, verboten, und den meisten Muslimen ist das auch klar. Insgesamt vier Koranverse befassen sich mit dem Alkoholverbot. Einer ruft sogar zum Alkoholkonsum auf. Doch bei sich widersprechenden Suren werden die älteren durch die jüngeren aufgehoben und die jüngste lautet: "Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind Gräuel und Teufelswerk. Meidet es!" Deswegen gehen alle islamischen Rechtsschulen auf Nummer sicher und verbieten das Trinken. Im Iran kann man sogar mit dem Tode bestraft werden, wenn man öfters beim Saufen erwischt wird. Nun, Anis Amri hat das nicht abgehalten. Seine Schwester berichtet, dass er schon in Tunesien gerne zur Flasche gegriffen hat, bevor er sich radikalisierte. Aber auch als Islamist in Berlin hat er sich ganz gerne mal einen reingeleert. Manchmal soff er in einer billigen Absteige in der Berliner Hertastraße, die als Treffpunkt für Dealer, Hehler und Prostituierte gilt.

Amri rutschte schon früh in die Kriminalität ab. Mit 15 brach er die Schule ab, fing an zu klauen. Mit 18 stahl er im tunesischen Tataouine, seiner Heimatstadt, einen Lastwagen. Er wurde erwischt, verurteilt und landete so zum ersten Mal im Gefängnis. Über Diebstahl steht im Koran, dass es hart bestraft werden soll: "Dem Dieb und der Diebin schneidet ihr die Hände ab". Amri allerdings konnte durch das Chaos, das der Arabische Frühling in Tunesien auslöste, aus dem Gefängnis fliehen. Er flüchtete nach Europa. Mit Schleppern setzte er sich 2011 nach Italien ab, wo er Asyl beantragte.

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Er hat nicht gefastet

Der Koran fordert die Gläubigen unmissverständlich zum Fasten auf, doch das war Anis Amri völlig egal. Er fastete nicht an Ramadan und konnte daher auch nach Sonnenuntergang nicht am Fastenbrechen, der traditionellen Iftar, teilnehmen.

Er hat Feuer gelegt

Als Amri frisch in Italien angekommen war, gab er sich als minderjährig aus und wurde deshalb erstmal in Sizilien in eine Schule gesteckt. Laut Medienberichten benahm er sich da wie ein absolutes Arschloch und terrorisierte seine Mitschüler. Irgendwann organisierte er mit vier anderen Tunesiern einen Protest gegen die Schulleitung (unter anderem, weil er mehr Alkohol bekommen wollte). Sein Protest bestand hauptsächlich darin, die Schule anzuzünden und einen Erzieher zusammenzuschlagen. Die Italiener verurteilten Amri zu vier Jahren Gefängnis.

Er hat gerne Leute verprügelt

Im Gefängnis entwickelte der damals 19-jährige Amri immer reizendere Charakter-Eigenschaften. Er griff andere Gefangene und sogar die Wärter an, die Behörden verlegen ihn deshalb insgesamt sechsmal in vier Jahren in andere Gefängnisse. Einem Mitgefangenen drohte er damit, ihm den Kopf abzuschneiden.

Am 23. Dezember 2016 wurde Amri im italienischen Sesto San Giovanni erschossen | Foto: imago | Starface

Auch später hat Amri seinen Hang zur Gewalt beibehalten: Vor dem Anschlag stellte er das zuletzt im Juli 2016 unter Beweis, als er in einer Neuköllner Kneipe in eine Schlägerei geriet. Während ein Freund von ihm den Gegner mit einem Messer bearbeitete, prügelte Amri mit einem Gummi-Hammer auf das Opfer ein. Hintergrund der Schlägerei waren offenbar Drogen.

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Er hat Drogen verkauft

Rauschmittel sind nach strenger Auslegung des Korans verboten. Dort heißt es: "So meidet sie, auf dass ihr erfolgreich seid". Amri fiel schon in seiner Jugend in Tunesien wegen Drogendelikten auf. Auch in Europa finanzierte er sich vor allem durch das Dealen. Er verkaufte Drogen in Parks, bekam mehrmals Probleme mit der Polizei. Am Busbahnhof in Berlin wurde er einmal mit Drogen erwischt, dann aber laufen gelassen. Im November 2016 stuften Ermittler Amri als "gewerbsmäßigen Drogenhändler" ein. Die Einstufung wäre ein Grund für einen Haftbefehl und möglicherweise auch für Untersuchungshaft gewesen. Im Skandal um gefälschte Akten beim Berliner Landeskriminalamt kam zuletzt ans Licht, dass Amris Aktivitäten im "gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln" aus den Akten gelöscht wurden, ebenso die Namen aus seinem Drogen-Umfeld.

Er hat Drogen genommen

Amri verkaufte nicht nur Drogen, er konsumierte sein eigenes Produkt auch. Er schmiss regelmäßig Ecstasy und zog Kokain. Nachdem ihn die Kugel eines Polizisten in Mailand getötet hatte, wurde sein Leichnam obduziert. In Amris Haaren fand man Spuren von Kokain und THC. Ob er auch zum Zeitpunkt der Tat unter Drogen stand, konnte nicht geklärt werden.

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