Auch bei VICE: Donald Trumps USA Freedom Kids

Stattdessen fanden wir Menschen, die im Kleinen Widerstand üben und mit bemerkenswerter Resilienz ihren Platz in Texas einfordern: ein Mann, der zum Spaß auf dem Rio Grande rudert; mexikanischstämmige Amerikaner erster und zweiter Generation, die sich um politische Ämter bewerben; eine Familie, die alles gibt, um der Tochter das traditionelle – und wahnsinnig teure – Fest zum 15. Geburtstag, die Quinceañera, zu ermöglichen. Durch diese Menschen und ihre eigene Form von Engagement durften wir das wahre Texas kennenlernen.
15, BROWNSVILLE"Ich habe sehr spät angefangen", sagt Belinda Martinez. Die Vorbereitungen für die Quinceañera ihrer Tochter Jaymin hätten nur neun Monate gedauert. "Andere investieren zwei bis viere Jahre." Selbst bei der bescheidensten Zeremonie fällt einiges an: Örtlichkeit, Catering, Kleid, Tiara, Blumenstrauß, spezielle Gläser zum Anstoßen, Fotografen, Videografen, Fotoalbum, Mariachi-Band und ein dekoriertes Fahrzeug, etwa eine Limousine oder ein Truck.
Ein Banner am Rand eines Maisfelds in der Nähe von Brownsville.
44, EAGLE PASSAm Abend nach Donald Trumps Wahlsieg setzte sich Alfonso Nevárez, von allen "Poncho" genannt, mit Freunden, Angehörigen und einer Flasche Whiskey zusammen. "Wir haben die Flasche geleert", sagt er und lacht bedrückt. Er ist der demokratische Abgeordnete für District 74, den größten in Texas. Poncho sagt, sein Wahlbezirk umfasse 12 Countys und 2 Zeitzonen. Seine Kritik an den Bewohnern des Gebiets ist beherrscht, aber leidenschaftlich: "Die Apathie ist unfassbar. Unser politisches System funktioniert, aber es gibt so viel Passivität. Jetzt demonstrieren die Leute, dabei haben sie gar nicht gewählt. Die geringe Beteiligung hat uns Trump eingebrockt."Sichtlich verärgert fährt Poncho fort: "Langsam tritt eine Art Windstille ein, und das ist nicht gut. Wie oft kann man überhaupt noch Empörung aufbringen?" Er gehört zu einer Generation von Hispanoamerikanern, die es in Politik und Wirtschaft zu Erfolg gebracht hat, obwohl sie in einer Zeit aufgewachsen ist, als Weiße alle wichtigen Posten besetzten. Heute sieht er vor sich, wie 40 Jahre Fortschritt langsam rückgängig gemacht werden. Poncho weiß, dass Trump in seinen Reden die Vergangenheit heraufbeschwört und konservative weiße Landbewohner an ihre frühere Macht erinnert. "Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der es so viel Spannung gab wie heute."
Ein Korridor aus Beton und Stahl, den der Grenzschutz rund um die Uhr überwacht, trennt das Viertel Milpa Verde in Brownsville vom subtropischen Uferwald auf der mexikanischen Seite.
34, HIDALGO CITYIm Schatten ihrer Garage servieren Danny und Lucy Armendariz heiße Quesadillas und kalte Dr. Pepper. Die Vorstellung eines Grenzwalls, der durch ihr Viertel geht, macht ihnen keine Angst. "So oder so, ich denke nicht, dass sich das auf uns auswirkt", sagt Danny – obwohl sein Eckhaus nur einen Block von der geplanten Mauerstrecke entfernt steht.Danny ist ein großer Autofan und besitzt eine Corvette Stingray, einen International Scout, einen Lincoln MKX, einen Chevrolet Tahoe, einen Honda Civic, einen Nissan Maxima und einen Ford Excursion. Er ist leitender Angestellter bei der Restaurantkette Luby's sowie Wirtschaftsdirektor in einem Fußballstadion. Und er ist glücklich mit seinem amerikanischen Leben: "Ich habe meine Autos, meine Geländewagen und ein Haus, und so gefällt es mir."Selbst für Südtexas ist es ein besonders heißer Februartag. Einige Leute haben gehalten, um sich den Garagenflohmarkt der Armendariz' anzusehen. Danny und Lucy sind beide südlich der Grenze geboren und mexikanische Bürger, doch sie sind in den USA aufgewachsen und verstehen sich eindeutig als Amerikaner. Für Urlaub und Einkäufe zieht es sie dennoch nach Mexiko: "Wir fahren mindestens einmal die Woche", sagt Danny, denn dort koste alles nur halb so viel. "Manchmal aber auch dreimal am Tag."Familien wie die Armendariz' verdeutlichen, wie eng das Rio Grande Valley sozial und wirtschaftlich mit den mexikanischen Städten der Region verknüpft ist. Und genau deswegen sind viele Anwohner skeptisch gegenüber den Mauerplänen.
Der Grenzzaun steht hinter der Grundschule Garden Park Elementary School in Brownsville, die laut dem Lehrer Arnulfo Castillo 20 bis 30 Kinder aus Mexiko legal besuchen. Seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 1982 haben undokumentierte Migrantenkinder das Recht, in Texas auf eine öffentliche Schulen zu gehen.
60, SIERRA BLANCAEines Abends 1991 sah Bill Addington mit seiner Frau und dem neugeborenen Sohn die Fernsehnachrichten und war schockiert: Die Staaten Texas, Maine und Vermont hatten vor, ein gemeinsames Atommüllendlager in Westtexas einzurichten. Tausend Quadratkilometer der Chihuaha-Wüste bei seinem Wohnort Sierra Blanca sollten zur Müllhalde werden. Sierra Blanca ist ein winziges Nest in Hudspeth County, 140 Kilometer südöstlich von El Paso und 25 Kilometer nördlich der Grenze.
Im Big-Bend-Nationalpark bildet der Mariscal Canyon eine 550 Meter hohe Barriere zwischen Mexiko und Texas. Dies soll eine der Stellen sein, an denen Präsident Trump mit dem Bau der neun Meter hohen Grenzmauer beginnen will. In Texas sind 95 Prozent des Landes entlang des Rio Grande Privatgrund. Da im Big-Bend-Nationalpark und angrenzenden staatlichen Gebieten aber Land verfügbar ist, wird Trump womöglich sein Wahlkampfversprechen halten, indem er die Mauer zuerst in diesen Schutzgebieten bauen lässt.