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LGBTQ

Tansania will Gleitmittel verbieten, um gegen Homosexualität vorzugehen

Das Gesetz zielt nicht nur ganz bewusst darauf ab, homosexuellen Menschen und Sexarbeitern zu schaden, sondern diskriminiert darüber hinaus auch alleinstehende Frauen.
Image via Human Rights Watch

Offizielle Regierungsbehörden in Tansania versuchen derzeit, ein neues Gesetz durchzusetzen, das den Verkauf von Gleitmittel in dem zutiefst konservativen ostafrikanischen Land beschränken soll. Der Gesundheitsminister von Tansania, Ummy Mwalimu, sagte Berichten zufolge gegenüber den lokalen Medien, dass „die Regierung den Import und die Verwendung von Gleitgel verboten hat, um die Verbreitung von HIV einzudämmen"—mit der Begründung, dass Gleitgel würde Homosexualität befördern, was in Tansania nach wie vor kriminalisiert wird.

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Auf Twitter schienen Mwalimu und der stellvertretende Gesundheitsminister, Dr. Hamisi Kigwangalla, aber anschließend wieder zurückzurudern und sagten ihren Followern, dass Gleitgel in Tansania noch immer legal sei, solange es vom Krankenhaus ausgegeben wird. „Wir werden eine Regelung […] für den freien Markt ausarbeiten, um [die Ausgabe] zur Sache der Krankenhäuser zu machen", twitterte Kigwangalla auf Swahili. Beide Regierungsbeamte heben hervor, dass Gleitgel in Zukunft nicht mehr von Nichtregierungsorganisationen ausgegeben werden darf.

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Ob man Gleitmittel von Krankenhäusern oder von Nichtregierungsorganisationen bekommt, macht allerdings einen immensen Unterschied, weshalb Menschenrechtsorganisationen die gesamte Entwicklung mit Sorge betrachten. Die Neuregelung könnte vor allem für die schwule Bevölkerung und die Sexarbeiter in Tansania eine abschreckende Wirkung haben. „Ich denke, dass [dieses Verbot] ganz klar auf die Diskriminierung von schwulen Männern und Prostituierten abzielt", sagt uns Neela Ghoshal, Forschungsgruppenleiterin von Human Rights Watch, deren Arbeit sich vor allem auf die LGBT-Rechte im Ausland konzentriert. Viele Menschen glauben, dass ausschließlich diese beiden Gruppen überhaupt auf den Gebrauch von Gleitmitteln angewiesen sind.

Abgesehen davon, dass es hilft, Sex angenehmer zu machen, soll Gleitgel darüber hinaus auch die Übertragung von Geschlechtskrankheiten in Kombination mit der Verwendung von Kondomen verhindern. Auch Sex außerhalb der Ehe ist ein Tabu, doch es ist nicht illegal, was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum Kondome nicht von der Regierung verboten wurden, erklärt Ghoshal.

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„In Tansania wird allgemein kaum über Sexualität gesprochen, weil das Thema stark tabuisiert wird" und es gibt nur sehr wenige LGBT-Aktivisten, die sich öffentlich zu diesem Thema äußern, sagt Ghoshal. Lokale Gruppen, die schwule Menschen und Sexarbeiter unterstützen, tun dies meist unter dem Deckmantel der allgemeinen öffentlichen Gesundheitsfürsorge. Vor mehreren Jahren postete eine dieser Organisationen einen Beitrag auf Facebook, in dem sich die Organisation darüber beschwerte, dass wasserbasierte Gleitmittel in Tansania nur schwer zu kriegen seien. Der Post ging viral, sagt Ghoshal, und zwang die Organisation (die Ghoshal aus Sicherheitsgründen nicht namentlich nennen möchte) unterzutauchen. Dieser Vorfall hatte aber auch eine wichtige Gesetzesänderung zur Folge: Nichtregierungsorganisationen bekamen von da an von den tansanischen Gesundheitsbehörden die Erlaubnis, kleine Mengen Gleitmittel auszugeben. K-Y Jelly, ein wasserlösliches Gleitmittel, gab es zwar schon vorher in den Läden, aber nur in so großen Mengen, dass es für die Allgemeinbevölkerung unerschwinglich war. Außerdem erforderte es ziemlich viel Mut, sich überhaupt Gleitgel zu kaufen, weil Homosexuelle in Tansania nach wie vor diskriminiert und bedroht werden.

Kleine, regierungsfreundliche Non-Profit-Organisationen boten dagegen—wie Ghoshal sagt—eine weniger einschüchternde Alternative und begannen ab 2014 Gleitmittel auszugeben. „Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen die Verbreitung von HIV einsetzen, hatten ganz grundsätzlich auch die Möglichkeit, die Regierung davon zu überzeugen", dass die Abgabe von Gleitmittel „unerlässlich für die HIV-Prävention ist", sagt Ghoshal. Aber schon zwei Jahre nachdem Nichtregierungsorganisationen die Erlaubnis erhalten haben, Gleitmittel zu verteilen, hebt die tansanische Regierung dieses Gesetz nun wieder auf und beschränkt den Zugang damit aufs Neue.

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Das erneute Verbot könnte nicht nur der schwulen Bevölkerung des Landes und Sexarbeitern schaden, sondern auch Frauen im Allgemeinen. Als Ghoshal vor einigen Jahren Sexarbeiter in Tansania für einen Bericht von Human Rights Watch interviewte, erzählten ihr viele von ihnen, dass die Gesetze gegen Homosexualität und Prostitution meist auch den alleinstehenden Frauen im Land schadeten. Beispielsweise wird Frauen, die sich im Krankenhaus auf HIV testen lassen wollen, oft gesagt, dass sie dazu ihren Mann mitbringen müssen. Wenn Krankenhäuser nun auch die volle Kontrolle darüber haben, zu kontrollieren, wer Gleitmittel verwenden darf und wer nicht, dann wird auch alleinstehenden Frauen der Kauf von Gleitmittel unmöglich gemacht, erklärt sie.

Einige Wochen bevor die Regierung das Verbot von Gleitmittel bekannt gegen hat, kündigte der Regierungspräsident von Tansania bereits an, dass jeder Schwule oder Menschen, die Schwulen in den sozialen Netzwerken folgen, verhaftet werden würde. „Viele unserer Kontaktpersonen vor Ort sind abgetaucht, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen", sagt Ghoshal.