Ja, du gehst in Clubs, um frei zu sein. Um den Alltag hinter dir zu lassen, die Fesseln sozialer Konventionen abzulegen. Vielleicht auch, um mal etwas über die Strenge zu schlagen – dich selbst zu vergessen. Soweit, so schön, so gerechtfertigt. Der einzige Haken bei der Sache ist nur, dass die 742 anderen Menschen hier genau das gleiche wollen. Und damit das mit euch klappt, braucht es ein paar rudimentäre Regeln.
Nun, geht es noch rudimentärer als die Zehn Gebote?
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Bestimmt. Aber ein Artikel über den kategorischen Imperativ der Nacht wäre ziemlich lame. Und da wir mal schwer davon ausgehen, dass du solche Basics wie “Du sollst nicht töten” bereits verinnerlicht hast, haben wir mit unserer geballten Erfahrung die Zehn Gebote für den Club aufgestellt.
Du wirst sie schon bald zu schätzen lernen, versprochen. Amen!
1. Ehre die Tanzfläche
Freitagnachmittag, du zählst die Stunden. Schon vor Tagen hast du die richtige Party für den Wochenendexzess rausgesucht. Endlich zu Hause angekommen, noch ein Bier und eine Playlist, und dann geht es in den Club. Yeah!
Nachdem du den Türsteher passiert und unnötigen Ballast an der Garderobe abgegeben hast, bist du endlich auf der Tanzflächet. Du kommst grad so langsam rein in die Musik, doch dann … plötzlich … ein Schlag in die Magenkuhle! Wer war das? Wer will Stress?!
Vor dir siehst du sofort die Tatwaffe. Sie klammert sich an den Täter: ein Rucksack. Hat sich ein verwirrter Wanderer in den Club verlaufen? Leider nein, Rucksäcke sind mitten in Clubs traurige Realität.
Falls du zu dieser Gattung Mensch gehören solltest: Gib deine verdammte Tasche zumindest an der Garderobe ab oder stopf sie in eine Ecke, denn Nein, ein Taschenhaufen auf der Tanzfläche ist auch nicht OK!
Viel tückischer als die leicht ortbaren Rücksackrüpel sind aber fahrlässig auf der Tanzfläche platzierte Gläser und Flaschen. Und auf dem Parkett lauern noch mehr Gefahren: Achtung, wirbelnde Gliedmaßen!
Wenn du dich für die perfekte Mischung aus Rudolf Nurejew, Jay Kay und einem Statisten von Battle of the Year hältst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du in Wahrheit zwischen Thomas Gottschalk und Jumbo Schreiner liegst. Wir haben nichts gegen deinen Enthusiasmus. Auf keinen Fall! Wir alle wissen, dass die kontemplative und übersättigte Clubszene weit mehr davon vertragen könnte. Es sind vielmehr die fliegenden Ellbogen, die fehlplatzierten Knie und das dir abgehende Raumgefühl, die anderen den Spaß versauen.
Das einzige, was noch schlimmer als rücksichtslose Tanzflächenderwische ist, sind diese Personen, die sich stur dagegen wehren, auch nur einen Muskel zu bewegen, gleichzeitigen ihren Raum aber nicht willigeren Tanzflächenteilnehmern überlassen wollen. Sie stehen einfach nur rum, schauen demonstrativ genervt, seufzen, holen ihr Handy raus und rollen mit den Augen – sie tun einfach alles, um dich indirekt an ihrem Unmut über dein gute Laune teilhaben zu lassen. Du kannst nur hoffen, dass sie ein Freund oder Freundin an den Rand zieht oder in die Kloschlange ruft.
2. Du sollst deinen Nächsten nicht nerven mit deinem Smartphone
Narzisstische Selbstdarstellung macht auch vor Clubs nicht halt. Wo Fotos oder Videos nicht explizit verboten sind, werden Selfies mit Duckfaces gemacht, die selbst in Entenhausen für Entsetzen sorgen. Und um dieses kollektive Zeugnis psychischer Ich-Schwäche zu dokumentieren, wird sich wieder mal Platz verschafft.
Dazu gehören jene Zeitgenossen, die Videos drehen und bei entsprechender Unterlassungsaufforderung auch noch empört reagieren: “Danke, jetzt hast du mir den Abend ruiniert!” Gern geschehen, so viel Spaß kannst du nicht gehabt haben, wenn du Videos machst, statt abzuschalten. Geh einfach zur Garderobe, nimm deinen “Konsequent Icke”-Jutebeutel mit und erzähl allen, wie schlimm die Welt ist, weil du die Grenzen anderer beachten musst.
Natürlich ist es OK, mal seinen Freunden eine Nachricht zu schreiben, speziell wenn man sie im Club verloren hat oder nicht sieht, obwohl sie nur zwei Meter entfernt stehen. Darauf sollte man seine Smartphone-Nutzung aber auch begrenzen, denn es nervt einfach wie sau, wenn das Display leuchtet und du mitten auf der Tanzfläche stehst (wankst).
3. Du sollst nicht des Exzesses Grenzen übersteigen
Exzess und Eskapismus fangen nicht ohne Grund mit den selben Buchstaben an, oder? Auch wenn viele versuchen, elektronische Musik politisch und gesellschaftstheoretisch aufzuladen, am Ende geht es oft schlicht um eine rauschgeschwängerte Alltagsflucht. Das ist verständlich, dennoch solltest du deine Grenzen kennen(lernen). Denn zum einen ist dir nicht damit geholfen, wenn du bestenfalls irgendwo fertig in der Ecke liegst, alles vollkotzt und einen besorgniserregenden Anblick hergibst. Nicht nur kannst du deiner Gesundheit massiv schaden, sondern versaust auch deinen Freunden den Abend, wenn sie dich stundenlang zwischen Garderobenraum und Toilette betreuen müssen.
4. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Kloschlangenplatz
Clubtoiletten sind schon spannend. Nicht nur dürften sie absoluter Vorreiter in Sachen Unisexklo gewesen sein, sondern sie erfreuen sich trotz fortgeschrittener Siffigkeit großer Beliebtheit. Nicht selten bilden sich derart krasse Schlangen, dass man meinen könnte, das Norovirus sei ausgebrochen. Allen, die sich nicht gerade schnell an den Urinalen erleichtern können, kann es da schon den “geilen Abend” etwas vermiesen, wenn man immer wieder eine gefühlte Ewigkeit anstehen muss, während nebenan auf der Tanzfläche alle Lieblingstracks abgefeuert werden.
Aber kein Grund zum Verzweifeln. Beim Warten kannst du in Seelenruhe Instagram checken – cool, Lina und Felix machen gerade Sonntagsfrühstück mit Buchweizenpancakes und frischem Obst, Duygu ist 12 Kilometer gelaufen –, Nachrichten beantworten – “Wo??!?”,”Altrr, rsanzfläcche rwects!!”, “Referatstreffen heute um 14 Uhr bei dir steht?” – oder einfach einen kleinen Plausch mit deinen Freunden halten.
Du wartest alleine? Hast kein Handy dabei? Kein Problem! Hier, fernab des Trubels von Tanzfläche und Bar, lassen sich wunderbar neue Bekanntschaften schließen – und den Kabinen zum Dank auch schnell wieder lösen.
Alles halb so wild also, wäre da nicht eine Sorte Mensch: der Drängler.
Dieser tritt gerne in Rudeln auf und marschiert schnurstracks nach ganz vorn. Aber lass dir gesagt sein: Es gibt wirklich nur drei gute Gründe, sich direkt an die Poleposition zu setzen: wenn du oben, vorne oder hinten ganz, ganz dringend etwas loswerden musst.
5. Du sollst nicht belagern des DJs Kanzel
Oh ja, wir haben dich beobachtet. Wir haben gesehen, wie du dich immer direkt an der DJ-Kanzel aufhältst. Unzählige Stunden hast du dort schon verbracht. Immer beginnst du ganz unauffällig von der Seite, wartest auf den richtigen Augenblick, kommst näher und näher. Und plötzlich: ZACK. Stehst du da und versuchst unbeholfen dem DJ die Hand zu schütteln, was einen unbeholfenen Fistbumb-High-Five-Unfall zur Folge hat. In diesem Augenblick entspannen sich deine Gesichtszüge. Du befindest dich offensichtlich auf dem Weg zu deinem persönlichen Nirwana – einem Ort ewigen Friedens und Zufriedenheit.
Die Gesichtszüge der DJs sprechen allerdings eine andere Sprache. Sein oder ihr Blick tendiert mehr in Richtung eines kurzen, aber bestimmten: “Kannst du dich mal ein bisschen hier verpissen? Ich versuche, hier zu arbeiten, und deine kleinen, schwitzigen Patschehändchen und dein dämliches Grinsen versperren mir die Sicht. Und nein, ich sag dir nicht die ID zu dem Track.”
6. Du sollst nicht belästigen deinen Nächsten
Du bist auf der Tanzfläche, Augen geschlossen, ein breites Lächeln auf den Lippen, bewegst dich mit der Musik. Aber dann wirst du plötzlich von zwei schweißnassen Händen aus deinem glückseligen Trancezustand gerissen. Du schiebst die fremden Pranken von den Hüften. Es reicht. Vorhin schon wollte irgendein Vogel unbedingt über deine “megacoole Cap” schwadronieren und ein anderer hat dir penetrant sein Getränk hingehalten, obwohl du schon dreimal abgelehnt hattest.
Bitte nicht falsch verstehen: Natürlich darf, kann und soll im Club geflirtet, geknutscht und gefummelt werden, allerdings gehören dazu immer zwei. Bevor du irgendwelche Antanzversuche startest, ist ein vielsagender Blickkontakt das Minimum, ein gegenseitiges Anlächeln der Idealfall. Natürlich ist Zwischenmenschliches nicht immer einfach und natürlich kommt es im Eifer des Strobolichtgewitters schnell zu Fehldeutungen, aber sobald von einer Seite das Interesse nicht erwidert oder gar Ablehnung signalisiert wird, hat die Sache vorbei zu sein.
Solltest du mitbekommen, dass irgendjemandem in deiner näheren Umgebung von unerwünschten Avancen die Party versaut wird, musst du dich nicht gleich bodyguardmäßig dazwischenwerfen – die meisten Menschen bevorzugen es immer noch, solche Dinge selbst zu regeln –, etwas Wachsamkeit und bei Bedarf ein unaufdringliches Unterstützungsangebot an die Betroffene oder den Betroffenden können Wunder wirken. Bei besonders hartnäckigen Fällen: Dem Clubpersonal Bescheid sagen!
7. Du sollst nicht mitsingen
Wenn dir etwas Schlimmeres auf dieser Welt einfällt als Menschen, die versuchen in einem Club bei einem Song mitzusingen, zu dem sie nicht einmal die Texte kennen, dann behalt das bitte für dich. Ich habe nämlich ein paar ziemlich harte Monate hinter mir und glaube nicht, dass ich das jetzt aushalten würde. Mir ist auch total egal, zu was du genau den Text jetzt nicht kennst – “Never Grow Old”, “I Gotta Big Dick”, “Le Freak” oder “Your Only Friend”. Das Resultat bleibt gleich.
Solltest du jetzt still mitklatschen wollen: Lass es! Danke!
8. Du sollst nicht Beichte ablegen wider deines ravenden Nächsten
Ein gelegentliches mit weit aufgerissenen Augen auf die Schulter Tippen, gefolgt von einem heiseren “AAAAALTER, GEHT DAS AB”, erfüllt in etwa das Maß an direkter Kommunikation, das auf der Tanzfläche OK ist. Und nicht nur für dich, sondern auch für alle anderen. Es gibt keinen größeren Vibe-Killer als irgendwelche Dullis, die sich während “Daydream” lautstark über ihre Hausarbeitsthemen austauschen – und zu “Polynomial C” schon gar nicht. Spart euch eure Sorgen, eure Gedanken und eure App-Ideen für die Kloschlange oder die Afterparty auf.
9. Achte deine Nächsten
Klar, wenn du in einen Club gehst, willst du Spaß. Trotzdem solltest du auch bei der rasantesten Abfahrt eine Auge auf deine Mitmenschen haben. Nein, lieben musst du sie bestimmt nicht alle. Nichtsdestotrotz: Höflichkeit und Hilfsbereitschaft gehören zu den wenigen zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Heißt im Klartext: Wenn du im Club bist und den Eindruck hast, dass einer der Mitraver gar nicht glücklich aussieht, sprich ihn höflich an und frag, ob alles OK ist und ob er oder sie etwas benötigt. Wenn es der Person nicht gut geht, versuch herauszufinden, was das verursacht hat. Auch hier gilt: Im Zweifelsfall dem Clubpersonal Bescheid sagen.
10. Du sollst anderen nicht sagen, wie sie ausgehen sollen
Ernsthaft, es gibt doch nichts Schlimmeres als irgendwelche Klugscheißer, die meinen alles besser wissen zu müssen.
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