Treffen sich ein paar Studenten im Freibad und wollen Fußball kicken. Leider ist der Bolzplatz belegt, aber es gibt ja noch die Tischtennisplatte. Und weil es mit der Hand zu einfach ist, wird nur der Kopf genommen, um den Ball übers Netz zu spielen. Der Erfinder René Wegner war damals Student an der Uni des Saarlandes brachte in jenen Sekunden die Sportart Headis zu Welt.
Nach der Starthilfe seines cholerischen Unidozenten endete die Idee in Wegners hauptberuflich fünfköpfigen Firma, die die Franchise-Rechte für Headis nach Europa und Japan verkauft. Zu den Auftraggebern zählen unter Anderem Arsenal London und Borussia Dortmund. Sogar der damalige BVB-Trainer Thomas Tuchel geriet ins Schwärmen. So kam das Unternehmen im letzten Jahr auf 360 Millionen Aufrufe auf ihren Social-Media-Kanälen.
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Alles nur mit Kopfbällen über eine Tischtennisplatte. Wie geht das? Das müssen wir René Wegner, den Marc Zuckerberg des Headis-Sports, wohl selbst fragen.
VICE Sports: Wie fühlt es sich an zum zehnten Mal im Jahr nach China geflogen zu sein und trainingsbegierigen Kindern und dutzenden Medienvertretern Headis vorzustellen?
René Wegner: Ich habe keine Ahnung, wie es sich anders anfühlt. Ich habe immer Sport gemacht, ob Skaten oder Snowboarden. So richtig realisiere ich das nur, wenn ich dann beim Interview in Shanghai stehe. Ansonsten ging das so schnell, dass ich es gar nicht schaffe, alles zu verstehen. Wir haben so super viele Einladungen und Events.
Als du damals Headis im Freibad entdeckt hast, warst du Student an der Uni des Saarlandes. Wie hast du es geschafft, dass die Hochschule dann sogar einen Kurs in Headis angeboten hat?
Ich hatte einen sehr fordernden Dozenten. Er hat mich angeschrieben und meinte, wenn ich so einen Scheiß schon mache, dann solle ich es auch jemanden beibringen. Eine Woche später hatte ich die Hallenzeit bekommen und sollte Headis unterrichten. Es sind dann auch Leute gekommen, die den Sport kennenlernen wollten. Dann hat es sich durch Freunde und ehemalige Kommilitonen nach Köln und Göttingen weitergetragen, die an ihrer Uni-Kurse angeboten haben.
Das erste “Sommermärchen” von Headis gab es bei der WM 2006. Kann man einfach so eine Weltmeisterschaft in seinem eigenen Sport veranstalten?
Ja, das war relativ einfach. Das war die WM, wir waren ja die Einzigen auf der Welt, die Headis spielten. Damals waren wir 12 Spieler und vier Kommilitonen habe ich noch so Bescheid gesagt. Wir spielten beim Grillfest meiner Eltern. Wir filmten alles und zeigten es in einem Programmkino in Kaiserlautern, weil wir einen Monat vorher dort ein Skatevideo ausgestrahlt hatten. Das Video war dann unsere Weltmeisterschaft. Keiner wusste, worum es dabei geht, aber es war ausverkauft und auch die Presse war da. Ich habe an dem Abend sogar noch Interviews gegeben.
Du warst mehrmals zu Gast bei TV-Total. Wie wurde Stefan Raab auf euch aufmerksam?
2008 spielten wir auf einem Turnier in Köln und einer der Mitarbeiter von Stefan hat uns entdeckt. Ich habe dann eine Einladung zu TV-Total bekommen und dachte erst, das sei ein Fake. Zwei Tage später war ich in der Sendung und Stefan und Elton hat es ganz gut gefallen. Inzwischen waren wir zwei Mal bei Schlag den Raab, zwei Mal bei Schlag den Star und TV-Total sendete damals mehrere Headis-Spezialsendungen mit Promis.
Würdest du also sagen, der Erfolg ist der Lohn harter Arbeit oder doch mehr Zufall?
Klar ist immer Zufall mit dabei, aber wir haben schon darauf hingearbeitet. Wir haben außerdem eine Studie mit der Jugend von Kaiserslautern durchgeführt und dabei untersucht, ob Headis auch gleichzeitig das Kopfballspiel verbessert. Danach haben wir auch mit den Profi-Fußballteams von Schalke, Darmstadt, Kaiserslautern, Mainz und Gladbach zusammengearbeitet. Das hat die Medienaufmerksamkeit zusätzlich erhöht.
Headsinfarkt, Ronnie aus dem Osten und Lord Voldehead das sind alles ehemalige Titelträger. Abgesehen von den mit schlechten Wortspielen bestückten Namen kommen all diese Akteure aus Deutschland. Wie deutsch ist die Headis-Szene?
Schlechte Wortspiele stehen hoch im Kurs. Das zeigt aber auch, dass – abgesehen vom Sportlichen – alles auch nicht ganz so ernst ist. Aber bei der Entwicklung von Trendsportarten ist es glaube ich normal, dass es sich erst lokal ausbreitet und danach international wird. Es gibt aber mittlerweile große Spielergemeinden in Belgien, der Schweiz, der Tschechischen Republik, der Slowakei, sowie den Niederlanden. Und die aktuelle Weltmeisterin ist eine Spanierin. Bald findet das erste Turnier in Japan statt. Dort lernen die Spieler die ganzen Tricks durch die Videos im Netz noch schneller als wir damals.
Welche Tricks und Skills braucht denn ein guter Headis-Spieler?
Er muss relativ schnell auf den Beinen sein, braucht gutes Ballgefühl und die Kopf-Augen-Koordination muss passen. Ansonsten muss der Spieler einfach Bock darauf haben, Sport mit Freunden zu treiben. Wir wollen auf gar keinen Fall Turniere veranstalten, bei denen es nur um Leistung geht und du deinen Gegner im Zweifel noch scheiße findest. Der Szenegedanke ist wichtig. Es gibt auch kein offizielles Training, du zockst immer mit deinem Kollegen und lernst so das Spiel.
Bist du schon so gut geworden, dass du gegen Kopfballexperte Miro Klose im Headis gewinnen würdest?
Ich hab schon gegen viele Profis gespielt, egal ob Fußballcracks wie Marco Reus oder den Tischtennis-Europameister Timo Boll. Alle hatten megaviel Bock und konnten mit dem Ball umgehen. Aber wenn ich eine richtige Angabe gemacht habe, haben sie den Ball meistens nicht gekriegt. Bei einem Dreh mit Arsenal London wollte Héctor Bellerín gegen uns wetten. Ich schlug unsere Autos als Einsatz vor. Aber als sie sie die Bälle gesehen haben, zogen sie dann doch zurück.
Dann habt ihr ja schon viel erreicht. Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Wir wollen, dass Turnierserien regelmäßig im Livestream oder im Fernsehen zu sehen sind. Das Interesse ist in Deutschland schon da, in anderen Nationen soll es steigen. Wir waren jetzt auf fast allen Kontinenten außer Australien, aber selbst da laufen Gespräche. Außerdem gibt den Markt in China, wo alle tischtennisverrückt sind und gut finden, was generell in Europa passiert. Das passt ganz gut. Aber der Spaß soll im Vordergrund bleiben.
Für Interessierte haben wir zum Schluss nochmal die Regeln von Headis zusammengefasst: Die Spieler messen sich im Eins-gegen-eins an einer möglichst stabilen Tischtennisplatte und befördern den Headis-Ball (100 g schwer und Umfang von 50 cm) ausschließlich per Kopf über das Netz. Dabei kann der Ball einmal auf der eigenen Platte aufkommen oder direkt gespielt werden – außer bei der Angabe. Einen Punkt gibt es, wenn der Ball zweimal hintereinander auf derselben Platte aufkommt oder wenn ein Spieler es nicht schafft, den Ball auf die gegnerische Platte zu köpfen. Erlaubt ist außerdem auf die Platte zu steigen. Allerdings muss nach jedem Ballwechsel der Boden berührt werden. Gewonnen hat der Spieler, der mit zwei Punkten Abstand als erstes elf Punkte erzielt.