Heilige Steuerhinterziehung



Italien erlebt gerade seine wahrscheinlich schlimmste Wirtschaftskrise. Die Leute munkeln bereits, dass Italien das nächste Griechenland wird, was so ziemlich die schlimmste Beleidigung ist, die man einem Land zurzeit so an den Kopf werfen kann. Die Italiener sind seit jeher recht lax in ihrer Steuerzahlungsmoral und die Situation ist inzwischen so schlimm, dass Erzbischof Bagnasco, der höchstrangige Bischof des Landes, vor die Bevölkerung trat, um zu erklären, dass Steuern zu bezahlen die gottgegebene Pflicht eines jeden guten Katholiken ist. Das ist schön formuliert, aber vielleicht ein wenig zynisch, wenn man bedenkt, dass die katholische Kirche selbst keine Steuern bezahlt. Ein paar Leute haben sehr höflich nachgefragt, ob Italiens älteste und reichste Institution nicht auch einen kleinen Beitrag leisten will—darunter die Organisation Vaticano Paga Tu (Bezahle du, Vatikan), die unter den Italienern auf viel Zustimmung gestoßen ist. Wir haben Alessandro Orlowski, den Mann hinter Vaticano Paga Tu, gebeten, uns die Situation zu erklären.

VICE: Wie verdient die katholische Kirche ihr Geld?
Alessandro Orlowski:
Die Haupteinkommensquelle der katholischen Kirche sind private Spenden und die sogenannte „8 x 1.000“, eine Einkommenssteuer von 0,8 Prozent, die jeder Bürger entweder an den Staat, die katholische Kirche oder eine von vier anderen Religionsgemeinschaften zahlen kann. Wenn man die Institution, die die Steuer empfangen soll, aber nicht festlegt, bekommt die katholische Kirche automatisch das Geld. Und 60 Prozent der Leute legen das nicht fest. Wir reden also von ca. einer Milliarde Euro, die die Kirche dadurch jährlich verdient.

Und das ist nur das direkte Einkommen. Wie viel spart die Kirche noch einmal durch Steuervergünstigungen?
Laut Gesetz muss die Kirche keine Steuern auf ihr Grundeigentum zahlen—was unglaubliche 20 Prozent des italienischen Grund und Bodens ausmacht—es sei denn, es wird für „ausschließlich gewerbliche Zwecke“ genutzt. Wenn es in einem Hotel also z.B. auch eine Kapelle gibt, muss dafür keine Steuer gezahlt werden. Außerdem stellt die italienische Regierung Gelder für katholische Kliniken bereit, selbst wenn es Privatkliniken sind, und es gibt Hunderte Fälle nicht versteuerter Mieten für Gebäude, die der Kirche gehören.

Also ist es das Ziel von Vaticano Paga Tu, all diese Steuervergünstigungen abzuschaffen?
Nein, denn es ist richtig, dass Orte des Gebets und wohltätige Einrichtungen keine Steuern zahlen. Aber es gibt eine Unmenge an Einkünften aus staatlichen Mitteln und Steuererleichterungen, die nicht auf transparente Weise reinvestiert werden.

Gibt es besonders fragwürdige Beispiele dafür, wie die Kirche durch den Staat zu Geld kommt?
Monsignor Bagnasco war z.B. ein Priester in der Armee und sein Rang entsprach dem eines Generals. Also solcher verdiente er 7.100 Euro im Monat und er bekommt jetzt 4.100 Euro Rente im Monat.

Kannst du in einem Satz zusammenfassen, was ihr fordert?
Ganz einfach unserer Verfassung ein Grundprinzip hinzuzufügen: die Trennung von Kirche und Staat.
 

Illustration von Tuono Pettinato

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