Identity

Hellseherinnen und Wahrsager erzählen von ihrem Erweckungsmoment

Jeder kann sich an sein erstes Mal erinnern. Manche Menschen verbinden damit allerdings eher den Tag, an dem sie sich der Welt des Okkulten angeschlossen haben. Wir haben weibliche und männliche Wahrsager, Tarotkartenleser und Astrologen gefragt, wann sie zum ersten Mal bemerkt haben, dass sie eine Gabe haben und wer ihre denkwürdigsten Klienten waren. Eine der großen Erkenntnisse: Gerade dann, wenn wir Schlimmes durchmachen, sollen sich angeblich unsere Sinne so schärfen, dass wir empfänglicher für prophetische Träume und Visionen sind.

Frank Andrews, Medium

Broadly: Wann haben Sie zum ersten Mal festgestellt, dass Sie ein Medium sind?
Frank Andrews: Ich muss so ungefähr acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, habe mich aufgesetzt und sah eine Frau am Fußende meines Bettes sitzen. Ich wusste, wer sie war—und meines Wissens nach war sie zum damaligen Zeitpunkt noch am Leben. Sie schwebte nicht, aber es wirkte so, als wäre sie ständig leicht in Bewegung. Ich sah sie an und meinte: „Du siehst so schön aus. Warum bist du hierher gekommen?” Und sie sagte: „Ich bin gekommen, um Lebewohl zu sagen.” Danach hat sie sich einfach in viele kleine, funkelnde Sterne aufgelöst.

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Am nächsten Morgen saß ich mit meiner Schwester, die ebenfalls hellseherische Fähigkeiten besitzt, beim Frühstück, als meine Mutter im Nebenzimmer ans Telefon ging. Damals hatte man nur ein Telefon. Sie kam zurück ins Zimmer und hatte diesen Ausdruck in ihrem Gesicht und meinte: „Wisst ihr, wer letzte Nacht gestorben ist?” Als ich antwortete „Grace”, fragte sie mich, woher ich das wisse, und ich sagte ihr: „Ich habe sie gesehen. Sie war letzte Nacht in meinem Schlafzimmer.” Meine Mutter sagte nur: „Oh, dann hast du einen Geist gesehen. Sag es keinem. Sie werden denken, du wärst verrückt.” So fing alles an.

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Sie hatten auch mit Andy Warhol zu tun. Wie kam es dazu?
Er hat sich nie die Zukunft vorhersagen lassen, er hatte zu viel Angst. Er hat ein Porträt von mir gemacht, wofür ich ihm Lithographien von John Lennon gegeben habe. Die hatte ich von Yoko Ono bekommen. Sie hießen „Bag #1″. Es sollte auch noch „Bag #2″ und „Bag #3″ geben, aber dann wurde er ermordet. Das Porträt ist wirklich schön und die Leute meinen immer nur: „Oh, er muss dich gemocht haben, du siehst wirklich gut aus.” Viele seiner Porträts sehen ein wenig schief aus oder der Mund ist ein bisschen verschoben, weil er der Meinung war, dass Porträts ein reiner Egotrip seien. Aber ich habe ihn nicht um das Porträt gebeten—er hat mich gefragt.

Eines Abends gingen wir mit einer kleinen Gruppe ins Odeon. Ich zog eine Tarotkarte heraus und schrieb auf die Rückseite: „Für Andy. In Liebe, Frank Andrews.” Ich schob die Karte über den Tisch, er sah sie sich an und steckte sie weg. Es war die Todeskarte. Das war das letzte Mal, das ich ihn gesehen habe. Viele Leute haben mich gefragt: „Warum hast du ihm diese Karte gegeben?” Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich einfach irgendeine herausgezogen habe. Kurz darauf ist er gestorben.

Kali Ma, Medium und Wahrsagerin

Broadly: Können Sie sich an den Moment erinnern, als Sie zum ersten Mal gespürt haben, dass Sie eine Gabe besitzen?
Kali Ma: Zuerst habe ich nur bemerkt, dass ich immer genau wusste, wenn ich von meinem Partner betrogen wurde. [lacht] Ich hatte immer sehr lebhafte Träume, aber wenn ich meinen Partnern davon erzählt habe, haben sie meistens sehr defensiv und verärgert reagiert. Trotzdem hat sich jedes Mal bewahrheitet; manchmal Jahre später.

Man merkt, dass man eine Gabe besitzt, wenn man dazu gezwungen wird, sie einzusetzen—wenn dein Körper und deine Sinne so gesteigert sind, dass du alles um dich herum wahrnimmst, weil du in einer Situation steckst, die dir schadet. Du wirst von deinen Lotsen und deinen Engeln gewarnt und dein Geist und dein Höheres Selbst sagen: „Hey, das ist schlecht für dich und wir zeigen dir, wie schlecht es ist.”

Was war der denkwürdigste Durchbruch, den Sie bei einem Klienten jemals beobachtet haben?
Ich habe jemanden davor gewarnt, dass sie eine Menge Geld verlieren würden. Am Ende haben sie um die 70.000 US-Dollar (ca. 60.000 Euro) verloren. Ich habe ihnen gesagt, was sie nicht tun sollten, aber sie haben es trotzdem getan. Und es ist genau so gekommen, wie ich gesagt habe. Danach kamen sie wieder zu mir und meinten: „Wollen Sie unser Guru sein?” Ich meinte aber nur: „Um Himmels Willen, nein. Ich werde nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der nicht auf mich hört.”

Broadly: Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl, eine Gabe zu besitzen?
Gayle Stacher: Das erste Mal, an das ich mich erinnern kann, da war ich 12. Ich habe geträumt, dass mein Großvater gestorben ist. In meinem Traum stand ich draußen und sah nach drinnen. Meine gesamte Familie war da, nur mein Großvater nicht. Mein Großvater starb am Vatertag im Krankenhaus. Ich erinnere mich noch daran, wie echt sich dieser Traum angefühlt hat. Ich hatte diese Vorahnung, wie die Zukunft aussehen wird. Schon als Kind hatte ich immer das Gefühl, etwas zu wissen, aber ich konnte nicht sagen, was es zu bedeuten hatte.

Haben Sie oft Visionen in Ihren Träumen?
Ich denke, wir sind alle sehr sensibel und Träume sind großartig. Wenn man wach wird und sich an seinen Traum erinnert, dann sollte man ihn aufschreiben, selbst wenn es nur die Farbe oder die Stimmung ist. Hat man etwas gehört? Welches Tier war da? Und dann sollte man sich einige dieser Symbole aufschreiben und sie in einem Buch nachschlagen. Animal Speak von Ted Andrews ist beispielsweise ein fantastisches Buch über das Deuten von Zeichen und Omen. Auf diese Weise setze ich die einzelnen Symbole zusammen und kann dann erkennen, was sie zu bedeuten haben und auf was ich achten sollte.

Wie können uns Tarotkarten helfen zu verstehen, wer wir sind?
Sie sind eine Einladung zur Selbsterfahrung. Wir treffen uns, sehen uns die Zeichen an und versuchen herauszufinden, was wir tun müssen, um den nächsten Schritt in unserem Leben zu machen. Man muss es sich wie ein visuelles Wörterbuch voller Symbole, Farben und Zahlen vorstellen. Es gibt mir die Plattform, dir von deiner Geschichte zu erzählen. Das hat für mich die größte Bedeutung. Es kann etwas heilendes haben und weist einem den Weg.

Angel Eyedealism, Astrologin

Broadly: Wann haben Sie bemerkt, dass Sie eine Gabe haben?
Angel Eyedealism: Als ich eine junge Frau war, hatte ich mehrere Nahtoderfahrungen. Ich bin im Laufe der 1980er und 90er Jahre mindestens zehn Mal fast gestorben. Ich habe mich der Astrologie gewidmet, Tarot, Metaphysik und habe alles gelesen, was ich über Farbtherapie gefunden habe. Auf diese Weise habe mich selbst geheilt. Ich habe all diese Sachen studiert und verstanden, dass ich nicht sterben würde und ich wusste das, weil ich es fühlen konnte—im spirituellen Sinne. Der traditionelle medizinische Weg hat mich fast umgebracht und ich kann mich noch daran erinnern, wie beruhigend es war zu wissen, dass ich nicht sterben würde. Ich habe es tief in mir gespürt. Zwischen Leben und Tod existiert ein Fenster der Möglichkeiten—was also wirst du damit machen? Ich wollte leben und alles tun, was ich tun konnte.

Wie hat Ihnen die Astrologie im Alltag geholfen?
Ich war immer schrecklich abhängig von anderen. Ich wollte immer irgendwelchen kaputten Typen helfen, aber niemand wollte das. Die Menschen, denen ich versucht habe zu helfen—ob das nun ein Drogenabhängiger oder ein Alkoholiker war—wollten einfach keine Hilfe. Das habe ich nicht verstanden, bis mir schließlich jemand gesagt hat: „Du hilfst ihnen nicht, wenn du ihnen hilfst.” Deswegen sitze ich jetzt hier und helfe den Menschen damit, dass ich sie über bestimmte Dinge informiere. Dann gehen sie ihres Weges und ich kann nur hoffen, dass sie diese Informationen, diese praktischen Ratschläge, annehmen.

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Welche Klienten haben bei Ihnen den meisten Eindruck hinterlassen?
Einmal war dieses indische Pärchen bei mir. Ich gebe niemals Informationen weiter, das ist privat, aber nennen wir ihn einfach Mr. X. Er wollte seinen Job kündigen, weil er ziemlich gestresst war und seit zehn Jahren dort arbeitete. Aber Jupiter Stand im Zeichen des Geldes. Ich meinte nur zu ihm: „Kündigen Sie nicht. Es wartet schon bald Geld auf Sie—es könnte schon morgen sein.” Also ging er am nächsten Tag wieder zur Arbeit und bekam eine riesige Gehaltserhöhung. Ich habe nichts mehr von ihm gehört, aber dann rief eines Tages seine Frau an und vereinbarte einen Termin. Sie wollte ein Kind bekommen und hat über 15 Jahre lang versucht, schwanger zu werden. Sie waren sehr verliebt und es war wirklich schön. Das fünfte Haus ist die Geburt und sie hatte Chiron, den verwundeten Heiler, der jede Menge Schmerz bedeutet. Ich sagte ihr, dass sie sechs Monate warten müsste, bis Chiron aus diesem Haus verschwunden wäre, dann hätte sie eine Chance. Vor ein paar Monaten hat mir Mr. X dann eine E-Mail geschrieben, in der er meinte: „Wir haben ein kleines Mädchen! Wir lieben sie so sehr!” Kinder zu bekommen ist für viele Menschen ein großes Thema und ich konnte ihnen tatsächlich dabei helfen.