2014 wurde in Österreich das größte Crystal Meth-Labor in der Geschichte der Republik ausgehoben—und zwar nicht in einem unterirdischen Großraum-Labor in Wien, sondern in einem unauffälligen Bauernhäuschen mitten in der Pampa. Aus diesem Anlass haben wir uns mit einem Chemiker darüber unterhalten, wie einfach die Herstellung von Crystal Meth wirklich ist.
Die Verwandlung des schüchternen Chemielehrers Walter White zum berüchtigten Drogenbaron Heisenberg hat sich in unser kollektives, medienverseuchtes Gedächtnis gebrannt. Das Finale ist zwar schon gut ein Jahr her, ich als alter Serien-Prokrastrinierer habe mir aber erst jetzt die letzte Staffel angesehen. Rückblickend mochte ich Breaking Bad vor allem deshalb, weil alles schlüssig wirkte. Aufgeworfene Fragen wurden mit nachvollziehbaren Twists beantwortet, alles ergab Sinn und wirkte zu einem gewissen Grad realistisch.
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Gleichzeitig ist das methgeschwängerte Märchen auch ein kluger Seitenhieb auf das (damalige) US-Gesundheits- und Krankenversicherungssystem. Dass die Serie vor dem Hintergrund von ObamaCare wohl nicht mehr so gut funktionieren würde, hat Bryan Cranston auch in einem Rolling Stone-Interview ausgeführt.
Nach meiner Binge-Watch-Euphorie habe ich jedenfalls einige Leute an meiner Begeisterung für Walter Whites fiktive Karriere teilhaben lassen. Als ich dann nach einigen Bieren und Cocktails einen befreundeten Chemiker zulaberte, ergaben sich daraus zwei Erkenntnisse: Erstens ist dieser Freund ein in Sachen Serienkonsum ein noch größerer Loser als ich und kannte Breaking Bad nur vom Hörensagen. Zweitens merkte ich, was für eine Null ich in Sachen Chemiegrundkenntnisse bin. Zumindest verstand ich, dass Crystal Meth extrem einfach herzustellen sei.
Ich traf mich einige Tage später zu einem kleinen Interview mit meinem Chemikerfreund. In der Zwischenzeit hatte er sich noch ein wenig in die Thematik eingelesen und sich die ersten paar Folgen Breaking Bad angesehen, in denen Walter und Jesse ihre ersten gemeinsamen Kochübungen durchführen.
VICE: Wie schwierig ist es aus Sicht eines Chemikers, Crystal Meth herzustellen?
Grundsätzlich kann das jeder. Es ist sehr leicht herzustellen, wobei es verschiedene Wege gibt. Am leichtesten ist es, wenn du von Ephedrin ausgehst. So ist es auch in der ersten Folge von Breaking Bad zu sehen. Ephedrin ist ein Medikamentenwirkstoff, der zum Beispiel gegen eine gereizte Nasenschleimhaut bei Schnupfen oder bei zu niedrigem Blutdruck eingesetzt wird. Die chemische Verbindung von Ephedrin gehört wie Crystal Meth zur Klasse der Amphetamine. Der Unterschied liegt lediglich in einer einzigen OH-Gruppe, die bei Ephedrin zusätzlich vorhanden ist.
Das heißt, man braucht nur das Medikament und muss diese OH-Gruppe wegbekommen?
Ja genau. Die OH-Gruppe muss man loswerden. Chemisch gesehen spricht man bei diesem Vorgang von einer Reduktion. Das geht ziemlich einfach. Eine sehr simple Möglichkeit ist zum Beispiel die Verwendung von Lithium. Auf dem Schwarzmarkt werden dafür handelsübliche Batterien verwendet.
Batterien?
Ja. Ich nehme an, dass Typen, die von Chemie keine Ahnung haben, einfach den Inhalt einer Lithium-Batterie verwenden, um die OH-Gruppe aus dem Ephedrin zu reduzieren. Entscheidend für die Reduktion sind dabei die Elektronen.
Klingt, als hätte das mit richtiger Chemie recht wenig zu tun.
Ich nehme stark an, dass die meisten Typen, die Crystal Meth herstellen, keine Ahnung davon haben, welche chemischen Vorgänge da abgehen. Die schütten einfach nur die einzelnen Komponenten zusammen und haben es wahrscheinlich von irgendwem mal gezeigt bekommen. Aber all jenen, die sich jetzt mit Ephedrin-Tabletten und Batterien an die Arbeit machen wollen, kann ich nur sagen, dass es so einfach dann auch nicht funktioniert. Es erfordert schon ein bisschen mehr Geschick, als bloß die Komponenten miteinander zu vermengen.
Kann ein erfahrener Chemiker tatsächlich reineres Crystal Meth herstellen als irgendein Laie?
Na ja, im Endeffekt ist es egal, wenn du eine 80-prozentige Ausbeute an Crystal Meth erzielst. Weil dann hast du einfach 80 Prozent der Menge, die du bei einer verlustfreien Umwandlung bekommen hättest. Dass ein besonders talentierter Mensch das ultimativ geile Crystal Meth herstellt, das kein anderer machen kann, ist einfach nicht möglich. Außerdem werden in einem chemischen Labor zahlreiche Analysemethoden angewendet, um die Reinheit zu bestimmen. Tritt das erwünschte Ergebnis nicht ein, dann gibt es weitere Reinigungs- und Trennverfahren. Auf dem Schwarzmarkt stehen all diese Verfahren jedoch nicht zur Verfügung. Ich denke auch, dass das den Hobbyköchen ziemlich egal ist, weil ohnehin nur das Gewicht und nicht die Reinheit zählt.
Man kann also nicht wirklich, wie zum Beispiel beim THC-Gehalt, sagen, dass das von Walter White hergestellte Meth stärker oder besser ist als anderes?
Der Gehalt bezieht sich nur auf den Wirkstoff pro eingeworfenes Zeug. Ist die Verbindung völlig frei von jeglicher Verunreinigung, dann wird die Wirkung stärker sein, als wenn beispielsweise Verunreinigungen vorhanden sind. Jedoch weist die Struktur von Crystal Meth auch eine chemische Besonderheit auf. Dafür muss ich ein wenig ausholen: Die Verbindung besitzt ein anomeres C-Atom. Von einem solchen C-Atom spricht man, wenn alle vier Bindungspartner verschieden sind. Bei der Synthese kommt es dabei zu zwei Arten von Molekülen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Es handelt sich dabei um ein und dieselbe Verbindung, jedoch kann es vorkommen, dass eine der beiden weniger wirksam ist als die andere. Es ist auch möglich, dass eine Verbindung toxisch wirkt, wohingegen die andere den gewünschten Wirkungseffekt aufweist. Nimmt man jedoch Ephedrin als Ausgangsprodukt, sollte sich dieses Problem nicht stellen, da der Wirkstoff von vornherein „enantiomerenrein” hergestellt sein sollte.
In Staffel 1 wechseln Walt und Jesse ja zu einer anderen Methode.
Ja, ich denke, dass ein Chemiker Ephedrin sowieso nicht als Ausgangspunkt verwenden würde, sonder eher Phenylaceton und dies mit Methylamin umsetzt. Die Synthese hierbei ist zwar etwas komplizierter als bei Ephedrin als Ausgangsstoff, aber für einen Chemiker dennoch keine große Herausforderung.
Walter White stellt Crystal Meth mit blauer Färbung her, gibt es so etwas wirklich?
Blaue Crysta-Meth-Kristalle zu erzeugen, ist chemisch nicht möglich. Die Verbindung N-Methylamphetamin ist weiß, daran können besondere Herstellungsverfahren auch nichts ändern. Sollte es in der Realität so etwas geben, wurde einfach Farbstoff dazu gegeben.