Heulsuse der Woche

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Homophobe Niedersachsen

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Der Vorfall: Im Sexualkunde-Unterricht an niedersächsichen Schulen soll zukünftig deutlich mehr auf sexuelle Ausrichtungen abseits der Hetero-Norm eingegangen werden.

Die angemessene Reaktion: Alle freuen sich, dass Kinder schon im jungen Alter zu weltoffenen Menschen erzogen werden.

Die tatsächliche Reaktion: Verschiedene Parteien und auch Eltern machen öffentlich Stimmung gegen die Pläne und sehen die Aufklärung als Gehirnwäsche.

Die SPD und Grünen haben einen Beschluss verabschiedet, nach dem Bi-, Homo-, Inter- und Transsexualität in niedersächsischen Schulen ebenso prominent im Sexualkunde-Unterricht vertreten sein soll wie Heterosexualität. Grund für den Vorstoß an der Aufklärungsfront ist die Bekämpfung von Homophobie und die Förderung von Toleranz für alternative Lebensformen—und das idealerweise schon im Grundschulalter. Das Gesetzgebungsverfahren selbst soll erst im Herbst angestoßen werden, die bis dahin verbleibende Zeit nutzen diverse Elternverbände und Parteien jetzt dazu, Stimmung gegen die Aufklärungsreform zu machen.

Während CDU-Politikerin Karin Bertholdes-Sandrock zwar grundlegend für Toleranz ist, gleichzeitig aber nicht möchte, dass die Kinder mit Schwulen oder Lesben alleine im Klassenraum gelassen werden, präsentiert sich vor allem die AfD als klarer Gegner des Beschlusses. So würde vielfältige Aufklärung die Kinder verunsichern und zur „Zerstörung der klassischen Familie” führen.

Nach massiver öffentlicher Kritik ist Bertholdes-Sandrock mittlerweile wieder etwas zurückgerudert, spricht sich aber nach wie vor gegen die Pläne von Rot/Grün aus und sieht es als persönliche Aufgabe der jeweiligen Lehrkräfte, „ die schulische Sexualerziehung so zu gestalten, dass sie die gesellschaftliche Realität widerspiegelt.” Was vorurteilsfreie Aufklärung mit Indoktrination zu tun hat und was sich die LGBT-Gemeinde von der angeblichen „Gehirnwäsche” versprechen, konnte keiner der Beschlussgegner bisher klar belegen.

Heulsuse #2: 1174 Einwohner des Örtchens Lahr

Der Vorfall: In Lahr soll eine Moschee gebaut werden.

Die angemessene Reaktion: Die Bewohner freuen sich über die kulturelle Vielfalt, die mit der neuen Moschee in ihrem Viertel einhergeht.

Die tatsächliche Reaktion: Sie sammeln über tausend Unterschriften gegen den Bau und schieben ihrer Aktion unsinnige Gründe vor.

Genau 1174 Heulsusen brachte diese Woche das Örtchen Lahr in der Nähe von Freiburg hervor. So viele Bürger wollen nämlich den bereits von der Stadt bewilligten Bau einer Moschee doch noch unterbinden. Gründe dafür kann es viele geben. Während die bisherigen Bedenken bei solchen Bauvorhaben oftmals mit Vorurteilen gegenüber der türkisch-islamischen Gemeinde zu tun hatten oder man das eigene Viertel nicht verändert sehen möchte, ist das zentrale Argument der Lahrer etwas ungewöhnlich.

So haben sie Angst davor, dass die Baumaßnahmen zu laut sein könnten, obwohl man ohnehin schon an einer lauten Zugtrasse wohnt: „Wenn hier Güterzüge vorbeifahren, versteht man sein eigenes Wort nicht mehr”, so Ulla Steine, eine Sprecherin der Unterzeichner.

Man könnte argumentieren, dass wer in einer Stadt und nicht im Wald lebt, sich manchmal auch mit Baumaßnahmen abfinden muss, die aber nie ewig dauern und sicherlich nicht lauter sein werden als der wortvernichtende Güterzugverkehr.

Doch damit nicht genug. Um ihre Position zu bekräftigen, zählt Ulla Steiner auf, wer alles unterschrieben hat: „Viele Lahrer Bürger oder Auswärtige, die regelmäßig in das Viertel zum Einkaufen kommen, zum Friseur gehen (…) haben den Standortprotest ebenfalls unterschrieben.” Das heißt, nicht nur scheint der eigentliche Grund ziemlich fadenscheinig, die Unterschriftensammlung ist von Leuten getragen, die gar nicht wirklich vom Lärm betroffen sind. Die Auswärtigen müssten schon im Einkaufscenter oder Frisör wohnen, um sich vom potenziellen Lärm belästigt zu fühlen.

Wer ist die größere Heulsuse?

Letztes Mal: Frauke Petry wehrt sich gegen „Happy Birthday” und der Berliner U-Bahn-Ficker heult seiner Freundin hinterher.

Der Gewinner: Frauke Petry!