Heulsuse der Woche: Til Schweiger vs. AfD

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Til Schweiger

Der Vorfall: Leute mokieren sich auf Twitter über den Tatort und Spiegel Online fasst das Ganze einmal mehr in einem Artikel zusammen.

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Die angemessene Reaktion: Keine. Warum auch? Twitter-User beschweren sich über alles und jeden.

Die tatsächliche Reaktion: Sich öffentlich gegen die „Spackos” zur Wehr setzen.

Til Schweiger ist seit vergangenem Jahr quotentechnisch überaus erfolgreicher Tatort-Komissar und wer einmal im Dienst der Öffentlich-Rechtlichen Morde aufgeklärt hat, trägt die Dienstmarke für immer im Herzen. Zumindest legt das seine Reaktion auf die allsonntägliche Twitter-Häme zu Deutschlands beständigstem Krimi-Format nahe. Scheinbar ist ihm jetzt nämlich zum ersten Mal aufgefallen, dass es sich mehrere Onlinemedien mittlerweile zur Aufgabe gemacht haben, nach größeren TV-Ausstrahlungen die lustigsten/bissigsten/interessantesten Tweets zur jeweiligen Sendung zu sammeln.

So auch Spiegel Online im Falle der Reaktionen auf den Leipziger Tatort des vergangenen Sonntags, die—wie eigentlich der Großteil der diesbezüglichen Tweets, unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Folge—nicht gerade positiv ausfielen. Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob es Teil einer fundierten und ernstzunehmenden Medienkritik sein muss, sich in 140 Zeichen vor allem über das Aussehen der Komissarin lustig zu machen, die Heftigkeit von Schweigers Reaktion war dann aber doch überraschend. Statt das Internet das Internet sein zu lassen, gab er den „spackos, die sich hinter irgendwelchen phantasieprofilbildern verstecken und ihren -mal mehr oder weniger- unterhaltsamen frust ablassen [sic!]” dann aber doch überraschend viel Raum.

„wo ist die qualität, wenn man versucht klicks dadurch zu generieren, indem man die gehässigsten twitter-kommentare von irgendwelchen internetnerds, die nix anderes zu tun haben, als zu lästern und zu haten , publiziert….? [sic!]”, fragte er die Spiegel Online-Redaktion in einem Post auf Facebook und empfahl dem Autoren, der die wenig dankbare Aufgabe hatte, sich durch Tausende Twitter-Mentions zu wühlen, dann noch den Ratschlag, doch selbst mal ein Drehbuch zu schreiben. Der Spiegel nahm es mit Humor und verwies Deutschlands Antwort auf Brad Pitt auf seine Aussage in der Vergangenheit, den Wert seiner Filme nur noch vom Publikum bemessen zu lassen.

Schweiger wiederum konterte damit, dass die Redaktion auch kein Problem mit seiner offenen Art gehabt hätten, als sie gemeinsam Plätzchen gegessen haben, und schlussendlich bleibt zu hoffen, dass der gute Til sich bei den kommenden Tatort-Ausstrahlungen einfach von sämtlichen Social-Media-Seiten fern hält. Nicht, dass ihm das Vanillekipferl im Hals stecken bleibt.

Heulsuse #2: die sächsische AfD

Der Vorfall: Die Deutsche Wildtier Stiftung hat im Rahmen einer Umfrage herausgefunden, dass Kinder weniger auf Bäume klettern.

Die angemessene Reaktion: Es zur Kenntnis nehmen, kurz wehmütig an die eigene Kindheit zurückdenken, weitermachen.

Die tatsächliche Reaktion: Den Untergang des Abendlandes vermuten.

Irgendjemanden muss es innerhalb der Alternative für Deutschland geben, der irgendwann mal beschlossen hat: Wenn wir uns für etwas engagieren, dann nur für die falschen Sachen. Als wäre es nicht genug, dass sich die AfD Sachsen—zusammen mit der NPD—gegen den Vorschlag einsetzte, eine Straße im Dresdner Ortsteil Pieschen nach einem Holocaust-Opfer zu benennen, widmet sie sich nun dem Untergang des Abendlandes. Wurde uns bisher suggeriert, dass der vor allem an der vermeintlichen Islamisierung festzumachen ist, gibt es nun einen anderen Indikator für den Verfall unserer Gesellschaft: eine Umfrage der Deutschen Wildtier Stiftung (Kein Scherz).

Die hat nämlich in Erfahrung gebracht, dass „49 Prozent der deutschen Kinder zwischen vier und zwölf Jahre [sic!] noch nie auf einen Baum geklettert” sind. AfD-Mitglied Andreas Harlass erklärt uns dann auch gleich in einem ziemlich langen—und zugegebenermaßen ziemlich konfusen— Facebook-Beitrag, was genau diese Zahl für uns als Deutsche bedeutet: „Der elektronische Zeitgeist wirbelte tornadoartig durch Stuben, Kinderzimmer, Büros. Zurück ließ er keine abgedeckten Dächer, aber – und das ist folgenreicher – heranwachsende Bewegungsruinen.” Mit anderen Worten: Wir sind zu dick. Warum? Weil wir die Natur vergessen haben und als „neue Gefahrenquelle” wahrnehmen.

Was interessiert die AfD Wald und Flur, mag man sich fragen. Die wahre Intention hinter dem wehmütigen Rückblick zu Nintendo-freien Zeiten ist natürlich „die Entfremdung zwischen Mensch und Natur”, die die Grünen „und ihre Gesinnungsfreunde” dadurch fördern, dass sie „Gender-Quatsch zum politischen Lehrstoff erheben, Quoten für alles Mögliche fordern, statt mit Schülern Bäume zu pflanzen und Buben solchen Unfug erzählen, dass deren kindliche Aggression nicht genetisch bedingt, sondern anerzogen ist.” Was die Deutsche Wildtier Stiftung zu dieser ziemlich eigenwilligen Interpretation ihrer Umfrage-Ergebnisse zu sagen hat, ist nicht bekannt.

Letzte Woche: Die NPD sieht die Bombardierung Dresdens als den wahren Holocaust und der Berliner Senat verklagt einen Blog, weil der sich über die Olympia-Kampagne lustig macht.

Der Gewinner: die NPD!