Hört auf, überall Sand hinzuschütten

Es ist Sommer, also so richtig. Manche feiern das aufs Härteste, manche eher weniger. Wer sich nicht gerade aufs kühlere Land flüchten kann, der hat keine andere Wahl als die heißen Tage in der aufgeheizten Stadt zu verbringen und dabei zehn Verbrennungstode zu sterben. Ich will ja nicht jammern, aber man rinnt förmlich aus.

Diese Hitze tut Stadtmenschen nicht gut. Anders kann ich mir diese überdimensionale Sandhaufen nicht erklären. Ich war schon im Kindergarten beim Thema Sandkasten immer eher der „Macht ihr mal”-Typ. Die Vorstellung von kleinen Dreckkörnchen, die sich in jeder meiner Kinderspeckfalten festkrallen, fand ich nie sonderlich erstrebenswert. Rückblickend betrachtet ist das schon komisch, als alter Bauernhof-Boy bin ich da eigentlich alles andere als empfindlich. Ich hab auch schon mal Kuhmist geschaufelt, easy. Sand bildet da aber die Ausnahme. Ich war bisher zweimal in einem dieser „Beach Clubs” und es war die Hölle.

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Warum finden Sand eigentlich alle so geil? Weil es Sand meistens am Strand gibt, und am Strand machen wir Urlaub, und Urlaub ist geil. Ergo muss Sand auch geil sein. Es ist ja auch völlig legitim, Strandurlaub super zu finden, obwohl der Strandurlaub von Twentysomethings ja ein einziges großes Missverständnis ist. Ich bin kein Fan von Sandstränden, aber ich akzeptiere sie als solche, und lasse sie einfach sein. Wenn es auf dieser Welt auch nur einen Ort gibt, an den Sand wirklich hingehört, dann ist das ein Strand. Aber—und das ist der springende Punkt—sicher nicht in die Stadt. Und noch weniger in meine Schuhe.

Ich versuche mal zu erklären, warum ein Haufen Sand mitten in der Stadt eben nicht das Beste auf der Welt ist. Zunächst mal ist Sand nicht gerade angenehm. Wenn der ganze Dreck stundenlang von der Sonne gebraten wird, ist der einfach heiß. Ich weiß nicht, warum man darin seine nackten Füße eingraben möchte. Sand ist kein Kühlapparat, aber offenbar glauben das viele.

Stehen Sand und Hitze überhaupt in irgendeiner Relation zueinander? Annähernd. Elefanten nehmen gegen Hitze regelmäßig Schlamm- und Sand-Duschen. Nicht etwa weil Sand kühlt, sondern weil sich damit eine schützende Schmutzschicht (sagt das schnell fünfmal hintereinander) auf der Haut bildet, was wiederum einem Sonnenbrand vorbeugt. Störche sind da etwas unkomplizierter und nehmen einfach ihre eigene Scheiße, um ihre Beine damit einzucremen. Wir Menschen machen das nicht, wir schmieren uns Sonnencreme auf die Haut, nicht irgendeinen Gatsch. Sand ist also nichts, dass uns auch nur in irgendeiner Form vor Hitze oder Sonnenbrand bewahrt.

Die meisten der unfassbar vielen Menschen, die da immer sitzen, lieben Sand in der Stadt wohl wegen der bereits erwähnten Urlaubs-Stimmung. Aber mal ehrlich—Sommer-Feeling mein Arsch. Versteht mich nicht falsch, aber nur weil da ein paar Liegestühle rumstehen, „Lambada” gespielt wird und überall, wirklich überall Sand liegt, bin ich noch lange nicht an der Copacabana. Man kann zwar versuchen, sich selbst zu belügen, letztendlich ist man aber trotzdem immer noch irgendwo zwischen U-Bahn-Station und Bürogebäude. Das macht ungefähr so viel Sinn, wie sich ein riesiges Meerblick-Foto über die gesamte Wohnzimmer-Wand zu kleben.

Man kommt also rein und fühlt sich gleich vom ersten Moment an schmutzig. So richtig los wird man dieses Gefühl übrigens erst wieder nach der nächsten Dusche. Ich verstehe nicht, warum man das freiwillig wollen würde. Auch wenn man Schuhe trägt und sich wie ich vehement weigert, sie auszuziehen, bekommt man trotzdem irgendwie Sand rein. Nicht mal Bier kann einem da noch helfen—das Glas auf einen mit Sandkörnern beschichteten Tisch abzustellen fühlt sich so falsch an. Von dem ekelhaft kratzigen Geräusch das aus der Reibung entsteht, will ich gar nicht erst anfangen.

Wenn ich dann auch noch einen Rucksack oder eine Tasche mit mir rumtrage und kein Arschloch sein will, das freie Stühle mit seinem Gepäck besetzt, muss ich die auch noch in den Sand stellen oder—wenn ich keine Lust auf sandiges Gepäck habe—in meinen Armen wiegen wie ein komisch verformtes Baby.

So ein fetziger „Beach Club” sieht meistens sehr nach pseudo-entspanntem Feierabend aus. Es ist aber nun mal so, dass Sand nun mal nicht entspannend ist. Genauer gesagt ist das Gefühl von Sand auf der Haut einfach das Schlimmste auf der Welt. Gerade im Sommer gibt es keine Stelle am Körper, an der nicht irgendeine Form von Ausdünstung stattfindet, und somit perfekten Untergrund für Sand bietet, um kleben zu bleiben.

Klebt er erst einmal fest, hast du ihn zwischen den Zehen, unter den Nägeln, auf deinen Handflächen und in jeder Ritze. Er schafft es sogar an Stellen, von denen es keine halbwegs logische Erklärung gibt, wie er da hinkommen könnte. Es juckt, es kratzt, es tut sogar weh. Ich kann mir kaum ein unangenehmeres Gefühl vorstellen. Allein beim Gedanken daran fühle ich mich unwohl.

Wenn dir die Vorstellung eines Cocktails im Strand-Ambiente (wah) wirklich so zusagt, musst du dich mental darauf vorbereiten, dass du diesen Körnern nicht entkommen kannst. Du kannst noch so oft über die Bierbank wischen, der Sand wird bleiben. Er ist auf den Tischen, den Stühlen, an der Bar und bald schon hängt er für immer an dir. Viel Spaß damit, schuld bist du eh selber.

Franz auf Twitter: @FranzLicht


Alle Fotos vom Autor und Philipp Kienzl