Hin und wieder, wenn mein Kontostand sich gegen null neigt und der Schimmel in meinem Badezimmer mal wieder aussieht, als würde er bald ein eigenes Bewusstsein entwickeln, beginne ich, sehnsüchtig im Internet nach “coolen Jobs” zu suchen. Cool wie ein Job, bei dem ich ins Ausland gehen und OK Geld verdienen kann, ohne dafür noch mal zur Uni gehen zu müssen. Wie sich herausstellt, trifft diese Beschreibung ziemlich exakt auf Au-pair oder Kindermädchen zu.
Und ich sehe die Vorteile. Wenn du Glück hast, ist der Job gut bezahlt, du lebst kostenlos in einem schicken Haus, hängst den ganzen Tag mit Kindern ab und machst Kartoffeldrucke oder so. Allerdings sind es vor allem reiche Menschen, die sich ein Kindermädchen leisten können. Und wenn du reich bist, wirst du in der Regel komisch und baust dir eine Penisrakete.
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Aber wie ist es wirklich, für die Sprösslinge der sehr Betuchten zu arbeiten? Sind die Kinder so schlimm wie die Eltern? Oder die Eltern so schlimm wie die Kinder? Ich habe ein paar aktive und ehemalige Au-pairs und Kindermädchen nach ihren bizarrsten und schlimmsten Erfahrungen gefragt.
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Mit dem Küchenmesser bedroht
“Ich war Au-pair in Bologna bei einer Familie mit einem wunderschönen Haus. Sie hatten einen Sohn. Er war sechs, fast sieben und Einzelkind. Ich hatte mehrere komische Situationen mit ihm. Eines Tages, kurz vor dem Ende meiner Au-pair-Zeit bedrohte er mich mit einem Küchenmesser und fuchtelte damit vor meinem Gesicht rum. Die Mutter kam rein und alles, was sie sagte, war: “Kannst du das weglegen?”
Am gleichen Tag nahm er einen Holzlöffel und schlug mir damit so fest auf mein Bein, dass ich fast eine Beule bekam. Den Eltern war das egal. Konsequenzen gab es nie für ihn. Ich glaube, die sahen mich mehr als einen kleinen Apparat und weniger als menschliches Wesen.” – Emma
Reich aber geizig
“Ich war Au-pair in einem amerikanischen Vorort. Die Familie bestand aus einer cholerischen Frau, einem CEO, der ständig rumbrüllte, und drei pubertierenden Kindern. Die Familie hatte einen Haufen Geld, was man allerdings nicht sah, weil sie alles bis zum Erbrechen wiederverwendeten. Backpapier, Alufolie, die winzigsten Essensreste. Es war zum Teil wirklich lächerlich. Selbst die Kackbeutel der Hunde wurden auf dem Kompost ausgeleert, bis sie wieder “sauber” waren.
Ich musste mehrmals zur Schule fahren, um den Kindern ihre geschnittenen Frühstücksäpfel zu bringen, die sie zu Hause vergessen hatten, damit sie nicht verkommen. Wenn ich zu viel Wasser in den Nudeltopf füllte, wurde ich angeschrien. Wann immer sie nicht zu Hause waren, habe ich den ganzen Müll eingesammelt und in eine Tonne in der Stadt geschmissen.” – Lana
Lehrerin wider Willen
“Seit knapp zehn Jahren arbeite ich als Kindermädchen. Vor Kurzem habe ich für eine Anwältin und ihre neun Jahre alte Tochter in Südkalifornien gearbeitet. Ich wurde als Kindermädchen eingestellt, das dem Kind auch beim Lesen lernen helfen soll. Drei Monate nachdem ich dort angefangen hatte, nahm die Mutter ihre Tochter illegal von der Schule. Ich wurde zur einzigen Bildungsquelle des Kindes und verwendete Arbeitsbücher, die ich in meiner Freizeit ausgewählt hatte.
Ich erstellte einen kompletten Lehrplan zusammen mit Lesen, Schreiben, Mathe und mehr. Dabei habe ich gar keine Ausbildung als Lehrerin. Die Mutter behandelte mich schrecklich, sagte mir immer auf den letzten Drücker ab und hielt sogar meinen Lohn zurück.” – Isa
Ein ganzes Mehrfamilienhaus für die Tochter
“Ich kümmere mich um ein Mädchen in Japan. Ihre Eltern haben eine eigene Immobilienfirma. Eine der verrücktesten Geschichten war, als das Mädchen einen Blumengarten anlegen wollte. Die Familie hat bereits diesen riesigen und wunderschönen Garten hinter ihrer Villa, aber ihr Gärtner wollte nicht, dass das Mädchen ihn versaut.
Das Mädchen sah dann nebenan ein Stück Land und fragte mich, ob sie dort einen Garten anlegen könne. Als ich ihr sagte, dass das nicht möglich sei, weil es nicht ihr Haus ist, sagte sie, sie würde ihre Mutter fragen. Die Mutter rief die Besitzer des Grundstücks an und machte ein Kaufangebot. Die wollten aber nicht verkaufen, also kaufte die Mutter einfach das ganze Mehrfamilienhaus mitsamt Grundstück – nur damit ihre Tochter einen Garten neben ihrem Haus anlegen konnte.” – Jake
Mit einer Woche Vorlaufzeit vor die Tür gesetzt
“Meine Partnerin und ich begannen mit Kinderbetreuung, als wir vom europäischen Festland nach England zogen, um Englisch zu lernen. Die Familie war gerade in eine feine Gegend in Buckinghamshire gezogen. Ihr neues Haus war über zwei Millionen Euro wert und sie hatten einen neuen Hund, neues Auto und neue Kinderbetreuer – also uns. Sie behandelten uns wie Scheiße. Zum Beispiel hatten sie uns vor dem Einzug versprochen, dass wir ihr Auto benutzen könnten, als wir dann da waren, durften wir das allerdings nicht mehr.
Nach zwei Monaten wollten sie uns wieder loswerden, weil der Vater seinen Job bei einer großen Firma verloren hatte. Dabei hatten wir einen Vertrag für zwölf Monate. Als wir nach dem Vertrag fragten, meinte die Mutter, sie hätte ihn verloren. Wahrscheinlich wollte sie einfach nur nicht die vereinbarte Gebühr für eine vorzeitige Beendigung zahlen. Mit nur einer Woche Vorlaufzeit schmissen sie uns raus. Sie wussten, dass wir nichts hatten, wo wir hinkonnten. Während dieser Woche durften wir auch ihr Essen nicht anrühren, abgesehen von Milch und Butter.” – Peter
Mit Pferdeäpfeln beworfen
“Ich war mal kurz Au-pair bei einer Familie auf Korsika, die dort in den Bergen lebte. Die Landschaft um das Haus herum war umwerfend. Die Mutter betrieb dort ein Restaurant und es gab einen Pool. Es war so schön. Als ich die beiden Söhne kennenlernte, waren sie richtig lieb, aber das änderte sich schon am nächsten Tag. Solche Kinder habe ich noch nicht erlebt. Sie hatten drei Pferde und die Jungs hoben die Pferdeäpfel auf und warfen sie auf mich.
Bei ihrem Hof lebte auch eine streunende Katze. Eines Tages fingen die Jungs sie und sperrten sie ohne Essen oder Wasser in einem Käfig. Als ich sie endlich fand, war sie total verstört. Die Jungs pinkelten überallhin, auch beim Schwimmbecken, was alles andere als hygienisch war. Die Mutter sagte nichts. Die Brüder drohten sogar, mich zu erschießen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber in dem Haus gab es wahrscheinlich Gewehre, da die Familie ab und zu mit ihren Hunden auf Jagd ging. Das alles geschah innerhalb von drei Tagen. Dann musste ich der Familie mitteilen, dass ich gehe. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten.” – Naomi