In unserer Kolumne „I Got It From My Mama” fragen wir Persönlichkeiten, Foodies und auch Leute, die mit Essen gar nichts am Hut haben, woran sie denken, wenn sie an Essen denken.
David ist neben Xu einer der beiden Inhaber von „Tanzen Anders“, dem hochgelobten neuen Lokal in der Ziegelofengasse im 5. Wiener Gemeindebezirk. Das junge Duo hat sich im Alleingang seinen Traum vom eigenen Lokal verwirklicht und fährt seit der Eröffnung vergangenen Januar mit Hochgeschwindigkeit auf der Erfolgsschiene. Heute beantwortet uns David einige Fragen über seine Kindheit, seine kulinarischen Einflüsse und sein Leben als junger Unternehmer.
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Als du noch ein Kind warst, wer war bei euch in der Familie fürs Kochen zuständig? Gab’s da eine fixe Rollenverteilung?
Bei uns war das definitiv sehr traditionell. Das Kochen unter der Woche hat meine Mutter übernommen. Sie hat uns Kinder einfach immer bekocht, weil mein Vater während der Woche arbeiten musste. Am Wochenende war aber mein Vater dran, der gerne den klassischen Sonntagsbraten gemacht und generell ziemlich fleischlastig gekocht hat. Dadurch, dass er auch an Fest- und Feiertagen irgendwelche tolle, ausgewählte Gerichte zubereitet hat, war das immer ein bisschen etwas Besonderes. Heute ist das alles anders. Heute würden sich meine Eltern am liebsten von Montag bis Sonntag von mir und meiner Schwester, die eine sehr gute Hobbyköchin ist, bekochen lassen. Das geht natürlich nicht, aber wenn es doch einmal dazu kommt, genießen sie das sehr.
Hat das Essen deiner Mama denn geschmeckt?
Ja, doch. Sie hat ziemlich viel in der Küche herumexperimentiert, aber trotzdem versucht, es uns Kindern immer recht zu machen. Sie hat viel Zeit und Energie verwendet, etwas Gesundes zu kochen. Ihr war es wichtig, dass wir uns nicht von irgendeinem Mist ernähren. Fast Food und Soft Drinks waren daher verboten und auch Schokolade bekamen wir nur in kleinen Portionen. Ich habe ehrlich gesagt noch ein paar grausame Erinnerungen an die Vollwertküche von damals. Ich glaube, das war dieser Hausfrauen-Küchentrend Ende der 80er Jahre und für Kinder sicher nicht gerade leicht nachzuvollziehen. Wir haben daher viel Getreide, viel Gemüse und Vollkost gesehen. Sie hat von Anfang an versucht, uns mit gesunder Ernährung vertraut zu machen … bis dann eben der Sonntagsbraten meines Papas kam. Da waren wir dann immer froh darüber. Ein paar Jahre später sieht man das Ganze aber wieder anders.
Wie wurde das Essen bei euch in der Familie gehandhabt—wurde es so richtig zelebriert oder war das eher etwas, das man nebenbei gemacht hat?
Am Wochenende haben wir ganz klar gemeinsam gegessen, das war sehr wichtig. Während der Woche haben wir mit Ausnahme meines Vaters großteils auch gemeinsam gegessen, wobei das immer von unseren jeweiligen Schulzeiten abhängig war. Ich erinnere mich aber auch an Zeiten in meiner Pubertät, wo ich mich einfach mit dem Essen vor den Computer gesetzt habe und nicht mit dem Rest der Familie essen wollte. Das war auf jeden Fall ein Konfliktthema und bedeutete viel Stress und Streit. Aber ich glaube, meinen Eltern ging es vor allem auch darum, dass wir bewusst essen.
Hast du gewisse Essens-Rituale aus deiner Vergangenheit für dich übernommen? Oder hältst du es ganz anders?
Mein Vater hat zu Silvester für die ganze Familie immer Gulasch gemacht und ich habe dieses Ritual quasi übernommen. Ich koche nach wie vor an jedem Silvesterabend Rindsgulasch, auch wenn ich manchmal gar nicht dazukomme, es selbst zu essen. Rindsgulasch ist mein Silvesteressen und ich mache es bis heute jedes Jahr.
Gibt es essenstechnisch einen regionalen Background?
Ich glaube schon, dass ich ganz automatisch relativ viel auf österreichische Küche zurückgreife. Dabei weiß ich gar nicht, warum das so ist … vielleicht wegen meines Lehrbetriebs. Modern kochen, heißt ja nicht zwangsweise österreichisch kochen. Aber warum auch immer ich das mache, es ist kein absichtlicher Schwerpunkt, sondern sitzt bei mir einfach tief. Was ich darüber hinaus sehr gerne zubereite, auch bei uns im Lokal, ist Thai-Curry bzw. generell viele asiatische Gerichte. Das liegt wahrscheinlich zu einem gewissen Teil an Xu, der 13 Jahre in China aufgewachsen ist und die traditionelle chinesische Küche sehr stark von seiner Familie mitbekommen hat. Andererseits fliegt er auch total auf Leberkäse in jeglicher Form. Aber bei der Entscheidung, was wir tatsächlich im Lokal anbieten und was nicht, spielen mehr Faktoren als nur unser familiärer Hintergrund eine Rolle. Der hilft uns aber sicher aus mehr zu schöpfen. Was die Essensauswahl anbelangt, sind wir alleine schon aufgrund der Tatsache, dass wir nur zwei Herdplatten haben, eingeschränkt. Wir mussten daher ein Organisationssystem finden, das es uns erlaubt, unsere Gerichte immer in gleicher Qualität und frisch anbieten zu können. Da fallen dann schon viele Optionen weg. Was wir beide in Wiener Gastronomiebetrieben vermissen, sind fruchtige, säurelastige, erfrischende Salate, weil es immer noch sehr weit verbreitet ist, einen schlichten, gemischten Beilagensalat zu servieren. Ich koche zwar gern Wienerisch, aber es gibt in der Wiener Küche viele Sachen, die ziemlich traurig aussehen. Ich glaube, dass man sich in dieser Hinsicht viel Inspiration aus der Asiatischen Küche holen kann.
Es heißt ja oft, „Niemand kocht so gut, wie die Mama/Oma oder der Papa/Opa”. Gibt es ein Rezept, das dir da in den Sinn kommt?
Mein Lieblingsgericht ist der Falsche Hasenbraten von meiner Oma.
Wie bist du zum Kochen gekommen? Wie sieht dein gastronomischer Ausbildungsweg aus?
Meine Oma hatte früher einen Gasthausbetrieb und zu Hause habe ich ihr schon als kleines Kind immer ein bisschen über die Schulter geschaut—ab und zu durfte ich auch mithelfen. Angefangen hat aber alles mit meinen ersten eigenen, sehr zaghaften Kochversuchen für mich selbst. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber noch nicht wirklich motiviert oder inspiriert, sondern habe einfach drauf los gekocht. Ich habe aber zunächst ganz normal das Gymnasium abgeschlossen und danach mit dem Zivildienst begonnen, wo ich für Haushaltstätigkeiten in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung zuständig war. Dort musste ich dann rein zufällig auch für die Bewohner kochen, was mir total viel Spaß gemacht hat. Ich hatte ein gewisses Haushaltsbudget, konnte selbst Rezepte raussuchen, die Zutaten kaufen und das Ganze dann zubereiten. Ich hatte also die Möglichkeit, ganz selbstständig zu arbeiten und bin darin richtig aufgegangen. In dieser Zeit habe ich auch die Entscheidung getroffen, dass ich das beruflich machen möchte. Kurze Zeit später habe ich dann eine Kochlehre begonnen und abgeschlossen. Im Zuge dessen, also in der Berufsschule, bin ich auch auf meinen jetzigen Kollegen Xu getroffen. Ich hatte zwar keinen strukturierten Karriereplan, aber nach meinem Lehrabschluss habe ich mir ein paar Jahre ganz bewusst Betriebe gesucht, von denen ich dachte, dass sie mich kochtechnisch weiterbringen und ich mich weiterentwickeln kann. Ich wollte nie in eine Führungsposition irgendeines ausgezeichneten Betriebs, sondern wollte mich von Anfang an selbstständig machen und eben davor noch so viel Erfahrung wie möglich sammeln. Zusätzlich habe ich dann auch noch eine Fleischerlehre drangehängt. Aber ich versuche generell nie aufzuhören, mich weiterzuentwickeln. Bei einem der zahlreichen Gesprächen mit Xu, der zu diesem Zeitpunkt seine Konditorlehre bereits abgeschlossen hatte, kam dann irgendwann der Punkt, an dem wir entschieden haben, uns gemeinsam selbstständig zu machen.
Gibt es ein Essen, auf das du Lust hast, wenn du verkatert bist?
Es ist fast ein bisschen grenzwertig, das als Gericht zu sehen, aber für mich ist das beste Kateressen eine Eierspeise mit massiv viel Speck und einem richtig dick geschnittenem Butterbrot.
Wie groß ist euer Team im Moment? Wer macht was?
Wir sind wirklich nur ein Zweier-Team. Wir machen alles selbst, auch was Buchhaltung, Betriebsausbau und rechtliche Sachen betrifft. Wir dachten anfangs, dass wir uns bei den alltäglichen Arbeiten ganz bunt abwechseln werden. Sprich: heute mache ich die Kuchen und du die Hauptspeisen, und morgen schaut es wieder ganz anders aus. Im Endeffekt hat sich der Ablauf aber ziemlich schnell eingespielt und jeder hat seine Aufgabenbereiche übernommen, weil sich jeder im jeweiligen Bereich entwickelt hat und darin jetzt auch viel schneller ist.
Kochst du noch selbst zuhause?
Ja, es wird auf jeden Fall zu Hause weiter gekocht. Das war mir bisher immer sehr wichtig, auch wenn ich teilweise viel arbeiten muss. Ich gehe trotzdem ab und zu gerne essen, weil ich es erstens genieße und zweitens, weil ich aus Kundensicht einfach sehen möchte, was andere Restaurants so treiben.
Hast du einen Tipp für angehende Gastronomen?
Ich würde das vielleicht sogar weiter fassen als nur für Gastronomen. Wir haben immer auf den Weg mitbekommen, dass es furchtbar wäre, sich selbstständig zu machen. Ich habe es selbst oft genug gehört, wie schlimm es nicht sein soll, dass es so viel Geld kostet und dass man das auf keinen Fall machen sollte. Ich finde aber, man sollte junge Leute unterstützen und sie darin bestärken. Sich selbstständig zu machen, kann in allen Branchen eine sehr positive und tolle Sache sein. Dieser Aufbauprozess ist einfach wahnsinnig spannend. Wenn man sich nicht von Angst und Sorgen um den betrieblichen Erfolg unterkriegen lässt, macht es extrem viel Spaß.
Seit wann gibt’s Tanzen Anders eigentlich genau?
Zu Silvester 14/15 haben wir für uns mit Freunden, Verwandten und all den helfenden Händen ein Eröffnungsfest gefeiert und der offizielle Betrieb hat am 5. Januar 2015 begonnen.
Wie seid ihr auf den Namen „Tanzen Anders” gekommen?
Wir waren anfangs eigentlich ziemlich planlos. Wir haben mit Freunden sehr viel Brainstorming betrieben und sind irgendwann draufgekommen, dass Falco in derselben Straße ein paar Häuser weiter gewohnt hat. Wir sind dann seine Liedertexte durchgegangen, wobei uns vor allem sein Lied „Junge Römer” angesprochen hat. Relativ früh im Text kommt „tanzen anders” vor und da hat es bei uns beiden sofort geklickt. Als diese beiden Wörter als Lokal-Name im Raum standen, haben wir uns unterbewusst innerhalb von Sekunden entschieden. Tanzen als Lebensgefühl ist etwas sehr Schönes und wenn mal etwas unkonventionell läuft, also quasi „anders” ist, finden wir das auch sehr positiv. Dass wir nämlich überhaupt kein Tanzlokal sind, passt in diesem Fall auch.
Danke für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit Tanzen Anders.