Am 26. Mai erscheint Marterias neues Album Roswell. Zwar ist das Album mehr Autobiographie als YouTube-Verschwörungsdoku, trotzdem fallen im Interview Worte wie “Fantasy-Rap” und “Pyramiden”. Trotz Presse-Stunden und PR-Stress hat Marteria nicht nur über sein Album geredet, sondern sich Zeit genommen, um über seine neuen Hobbys, Südafrika, Spotify oder Schönheit zu philosphieren, spricht abgeklärt über seine extreme Persönlichkeit und rettet mich sogar vor einer Spinne. Marteria ist irgendwie der harte und kluge Musiker-Freund, den wir alle niemals hatten, aber gerne hätten. Und das beweist er mit seinem Album und diesem Interview aufs Neue.
Noisey: Eine Frage, die du wahrscheinlich noch nie gehört hast: Glaubst du an Aliens?
Marteria: Auf jeden. Ich glaube, dass jeder, der nicht daran glaubt ein bisschen komisch ist. Die Chance, dass es sie gibt, ist doch viel größer, als dass es sie nicht gibt.
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Auch Roswell und so?
Also nein, das glaub ich irgendwie nicht.
Also Aliens gibt’s schon, aber sie waren nicht auf der Erde.
Kann auch sein. Ich bin jetzt nicht so der Science Fiction-Fan, aber ich kenne die typischen fünf Dokus, die jeder kennt.
Und das mit den Pyramiden und Maya-Tempeln?
Das kann natürlich sein! Ist doch seltsam, dass alle Pyramiden in der selben Achse stehen. Müssen doch Aliens gewesen sein.
Zumindest klingt es in der Verschwörungs-Doku logisch.
Alf war es. Mit E.T. zusammen.
Weg von Aliens – zu deinen Album. Welche Themen wirst du diesmal anschneiden?
Hm. Alle Themen. Bei mir ist ein Album immer ein Querschnitt oder besser gesagt ein Rückblick auf die Jahre nach dem letzten Album. Also alles, was mir die letzen zwei oder drei Jahre passiert ist.
Was ist denn passiert?
Tausend Sachen. Lifestyle komplett verändert. Ich habe früher hart gesoffen und alles hart gemacht – jetzt bin ich clean und habe auch andere Prioritäten. Ich habe viele Länder gesehen und bin viel in der Welt unterwegs und fühle mich auch überall Zuhause. Deshalb auch der Song “Aliens” weil man da irgendwie trotzdem immer ein Außenseiter ist.
Selbstgewähltes Migranten-Dasein?
Irgendwie fremd zu sein. Dass man nicht als großes Ziel hat, irgendwie ein großer Star zu sein, sondern erstmal irgendwo anzukommen. Das zieht sich ja durch mein Leben durch – in meiner Heimatstadt Rostock, da gab’s nur eine kleine HipHop-Szene mit 300 Leuten. Also eine ziemliche Alien-Szene. Dann mit 17 nach New York – da willst du auch nicht so der Star sein, sondern eben Teil von der Stadt sein, fühlst dich aber wie ein Alien. Das ist ein bisschen die Metapher dafür – also es geht jetzt nicht um ein Hokus-Pokus Alien- Ding, sondern es ist alles sehr autobiographisch.
Wie wichtig ist eigentlich Weed bei Marterias Kreativprozess?
Kiffen allgemein?
Ja. Ist das irgendwie wichtig für die Themenfindung, Text oder die Beats?
Bei Marteria-Songs ist es jetzt nicht krass wichtig, aber kann schon helfen. Kreativ macht Weed allemal. Ich mag halt nicht so hartes Gras, das gerade überall geraucht wird. Eher so Jamaica-Style, ganz leicht und mit dem man noch alles machen kann. Aber ich bin jetzt nicht der Hardcore-Kiffer, der immer kifft. Das ist bei Marsimoto bisschen anders, da fahren wir wirklich für ein zwei Monate auf Jamaica. Aber man muss schon auch klar sein.
Clean bist du jetzt, hast du gemeint. Also so Straight Edge mit Spazieren am Sonntag?
Nein, nein. Ich gehe jetzt angeln und so. Ich hatte ja eine schwere Erkrankung.
Nierenversagen oder?
Ja. Es war jetzt nicht so, dass ich Alkoholiker oder Drogenjunkie war. Aber ich bin ein extremer Typ: Manchmal war ich drei Tage durchgängig feiern, dann wieder paar Wochen nur Sport und gar nichts. Ich könnte jetzt auch ein Bier trinken, aber ich weiß, dass ich nicht der Typ für ein Bier bin. Eher einer für zehn.
Und das Nierenversagen hat dir geholfen zu erkennen, dass du ein extremer Typ bist?
Naja. Das denkt man sich irgendwie immer. Dann hört man für paar Wochen auf und dann denkt man sich “Ach scheiß drauf” und fängt wieder an. Ich glaube, so etwas muss man selber erleben, damit das auch nachhaltig wirkt – wenn das einen Kumpel passiert, dann ist das bisschen egal für das eigene Verhalten. Man denkt irgendwie man ist unsterblich und Superman. Da hilft so etwas schon, um die eigene Sterblichkeit zu erkennen. Und das Angel-Ding ist irgendwie ein Ausgleich – man reist viel damit. Ich bin Raubfisch-Angler und angle große Fische, da ist schon viel Action.
So mit Speeren?
Nein, nicht mit Speeren, eher so mit Händen. “Ich angle sie am liebsten mit dem Speer” hätte ich gerne als Überschrift.
Man sagt ja, dass man aus jeder Situation lernen kann. Was sind so deine Learnings nach dem Album?
Lernen ist so ein beschissenes Wort. Es geht eher so um …
Erfahrungserweiterung!
Ja, genau. Ich merke irgendwie, dass es ein Album ist, das ich schon immer machen wollte. Ich will nie, dass sich ein Lied wiederholt. Das ist mein Anspruch und das Album macht mich glücklich.
Ja aber das Autobiographische hattest du ja schon vor diesem Album.
Ja schon, aber jede Platte hat so seine eigene Farbe. So die letzte Platte war eher sehr düster und sehr dark. “Kids” und “OMG” waren zwar Abfeier-Songs, aber der Rest war eher dunkel. Diese Platte geht mehr so nach vorne – sie ist aktiver, man kann dazu tanzen, feiern. So ein Album machst du ja für dich und mir ist es wichtig, dass sie sich der Stil und die Themen abwechseln. Erst wenn man es selbst abfeiert, kann man es auch von Leuten verlangen. Wenn man meine Platte hört, ist man in meinem Kopf.
Was ist dein Liebelingstrack?
“Blue Marlin.” Ist übrigens ein Fisch, ein sehr großer Fisch. Ich mag Lieder zum Autofahren.
Mit dem Speer gefangen?
Mit dem Speer fange ich sie am liebsten, haha. Das ist irgendwie mein Lieblingslied weil es so Fantasy-Rap ist. “Skyline mit zwei Türmen” ist auch sehr wichtig für mich.
Warum? Auch ein Auto-Lied?
Nein (lacht). Da geht’s um meine Zeit in New York mit Ende 17.
Ah, dazu habe ich eh eine Frage: Du warst ja Model in NYC. Und wenn man sich deine Facebook-Bilder durchschaut, dann sieht man, dass besonders weibliche Fans dein Aussehen thematisieren. Stört dich das eigentlich?
Deshalb ist der Song so geil, weil es einfach die Realität zeigt. Wenn irgendwo steht “Er war Fußballer und ein Model” dann klingt das so idealisiert. Dass du abends heulend im Bett liegst, sehr viel Heimweh hast und 1.000 Euro irgendwie machst, davon 900 abgeben musst und deine Mutter dir Geld überweisen muss, damit du dir Essen kaufen kannst – das ist die Realität. “War mal Model für Valentino” ist nicht die Wahrheit, deshalb ist der Song auch so dark geworden.
Stört es die Rap-Credibility wenn man schoaf ist?
Ich finde Komplimente immer schwierig. Schönheit fand ich schon immer komisch, Schönheit kann man doch nicht bewerten oder einordnen. Die Modelwelt zum Beispiel, ist keine Welt die ich besonders schön finde. Ich finde andere Frauen viel, viel schöner. Wenn sie irgendetwas besonderes, catchiges haben. Ich bin jetzt auch nicht der krasse Schönlingstyp, ich glaube ich bin eher ein Mann. Ich bin groß, habe eine tiefe Stimme – ich bin einfach ein Mann.
Wie stehst du eigentlich zu Spotify? Ich glaube noch nie etwas über dich und deine Meinung zu Spotify gelesen zu haben, aber es avanciert zu meiner Lieblingsfrage.
Ich finds eher positiv. Die Vergangenheit ist vorbei. Alles, was wir haben, ist die Zukunft. Und das ist die Zukunft. Dass du monatlich zahlst, oder auch nicht, und dann alles an Musik hören kannst. “Es war so geil, als wir noch CDs verkauft haben.” Ja, na und? Dann war’s eben geil, jetzt können dafür viel mehr Menschen deine Musik hören. Dafür gibts auch immer mehr Musik – viel Schwachsinn auch, aber egal. Das ist die Welt. Die Welt entwickelt sich und die Möglichkeit ist genial. Ich nutze es ja auch. Ich habe eine ganz klare Regel: Will ich den Künstler unterstützen, dann kauf ich die Platte. Und ich höre es auch auf Spotify und auf iTunes. Ich kaufe auch gerne Vinyl. Es nervt auch, wenn Leute an der Vergangenheit festhalten und so negative Vibes haben.
ANTIMARTERIA wurde ja in Südafrika gedreht. Wie empfindest du die Arm-Reich-Schere dort?
Südafrika ist ein besonders Land. Die Apartheid, die es gab, hallt noch nach. 85 Prozent der Menschen sind ja schwarz und der weiße Rest ist irgendwie krass drauf. Alles ist abgesichert, überall sind Kameras. Man merkt die Abschottung auch an der Job-Verteilung, dass das noch nicht ganz vorbei ist. Aber irgendwie darf man es ihnen auch nicht verübeln, ich habe dort ja mit vielen Menschen gesprochen: Sie denken nicht, dass sie Rassisten sind. Sie kennen es nicht anders. Die Apartheid wurde ja erst in den 80ern abgeschafft und es gab ja die Busstationen für Schwarze und Weiße. Wenn man die Leute fragt, dann denken die nie im Leben daran, dass sie Rassisten sind. Die junge Generation, zu der ich mich auch noch zähle, ist aber voll open minded und offen.
Was läuft falsch in der Welt? Du warst ja schon überall.
Es laufen ganz viele Dinge falsch. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer – das klingt wie eine Floskel, aber es ist wahr.
Aber wie würde die Welt ohne Geld aussehen?
Ja mega. Ich würde die ganze Zeit nur Handeln. Ich würde einen Fisch hergeben – den ich ja mit dem Speer angle (lacht) – und würde Fleisch bekommen. Und es ginge immer um Austausch. Meine Mama sagt, dass damals in der DDR einfach nie über Geld geredet wurde. Es gab das Thema nicht. Und das ist eine unfassbar krasse Sache – das kann man sich nicht mehr vorstellen.
Ich komme ja auch aus einem ehemalig kommunistischen Land, ich weiß nicht ob das nur Vorteile hatte.
Woher?
Aus der Slowakei.
Ich habe tschechische Wurzeln. Laciny heißt ja auch “billig” (lacht).
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