Sex

Ich bin überzeugte Feministin und stehe trotzdem darauf, mich beim BDSM zu unterwerfen


Alle Fotos: bereitgestellt von der Autorin

Mein Körper steht unter Strom und dieses Gefühl, das mich erfüllt, erinnert mich an zehn Tassen starken Kaffee.

Ich stehe kurz davor, in meine allererste BDSM-Erfahrung einzutauchen. Mein Partner ist dabei der fast doppelt so alte und mir unbekannte Sir Dragon Z. Er hat eine Vorliebe für psychisch und physisch intensive Erfahrungen mit Elementen der Dominanz und der Unterwerfung. Diese beiden Elemente basieren auf der Prämisse, dass ein gewollter Machttausch bei allen Parteien ein befriedigendes und erregendes Gefühl auslöst. Unterwerfung bedeutet in meinem Fall, dass ich meinen persönlichen Willen und meine Eigenverantwortung an den Leder tragenden Dominus abgebe.

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Obwohl ich weiß, dass er mir gleich wehtut, vertraue ich darauf, dass er meine Grenzen respektiert. Und ich höre auch schon das Echo der radikalen Feministinnen, die darauf pochen, dass BDSM Femizid begünstigt und Gewalt gegen Frauen legitimiert. Ja, das Dominanz-Unterwerfungs-Spiel macht mir Angst. Es turnt mich aber auch an.

Ich trage eine enge, schwarze Hose mit Schlitzen an den Oberschenkeln, einen Nadelstreifen-BH, einen Netz-Bodysuit, der gewisse Körperstellen bedeckt, und dazu noch kniehohe Stiefel. Das Tolle an der Fetisch-Kultur sind doch die frivolen Superhelden-Outfits.

Als wir uns bei einer Fetisch-Messe treffen, fühle ich mich direkt zu Sir Dragon Z hingezogen. Er strotzt nur so vor Selbstsicherheit. Ich bin eingeschüchtert und gleichzeitig total aufgeregt.

Eine einvernehmliche BDSM-Erfahrung benötigt eine umfassende Vorausplanung. Die Partner müssen darüber reden, was sie machen und was sie nicht machen wollen. Eine solcher Konsens ist in der Fetisch-Szene ein Muss. Leider verstoßen manche Mitglieder aber auch gegen diese Regel.

Stell dir doch mal vor, wie eine solche Planung beim normalen Blümchen-Sex aussehen würde. Du setzt dich mit deinem Bettpartner bzw. deiner Bettpartnerin zusammen und gibst dann darüber Auskunft, auf was du so stehst. “Ja, ich mag es, wenn du mir an den Nippeln rumspielst” oder “Nein, bitte steck mir deinen Finger nicht ins Arschloch”. So brav, so offensichtlich, so unwahrscheinlich.

Dragon Z und ich finden ein Kreuz im Kerker der Messe. Wir sprechen über unsere Grenzen. Ich erkläre ihm, dass ich zwar große Schmerzen aushalte, dafür aber unerfahren bin. Er nickt und erzählt mir von einer seiner Partnerinnen, bei der jegliches Hineinstecken schon eine Grenzüberschreitung darstellte. Also jetzt nicht nur Sex, sondern wirklich alle Formen des Hineinsteckens. Immer diese Haarspalterei. Ich finde trotzdem, dass das eine gute Grenze ist. Sexuelle Berührungen sind OK. “Wie steht es ums Küssen?”, fragt er mich. “Da kann ich ja auch etwas hineinstecken.” Ich schaue ihn an, neige meinen Kopf und nicke. Küssen als Form des Hineinsteckens geht klar.

“Was ist mit einer Maske?” Ich muss wohl ziemlich finster dreinblicken und vielleicht auch ein knurrendes Geräusch von mir geben. “OK, Masken lassen wir weg. Augenbinden auch?”

“Die sind in Ordnung.”

“Lieber großflächige oder konzentrierte Schmerzen”, fragt er mich. “Großflächig” lautet meine Antwort.

“Und wie denkst du über Halsbänder?” Ich blicke ihn stumm an. “Ich verwende gerne Halsbänder, weil sie wie eine Art Übereinkommen in Bezug auf unsere Erfahrung sind”, erklärt er mir. Ich überlege kurz. “Ich lass dich einfach noch ein wenig darüber nachdenken, während ich dir meine anderen Werkzeuge zeige.”

Und so führt er mich genauestens durch seine Sammlung an speziellem Sexspielzeug. Verschiedene dicke und dünne Peitschenarten und Flogger. Ein langer, ziemlich fies aussehender und zweieinhalb Zentimeter breiter Stab.

Dragon Z hält außerdem noch zwei robuste Metallketten nach oben. “Ich benutze keine Seile, sondern Ketten.” Schwingt da etwa ein wenig Stolz in seiner Stimme mit?

Er betrachtet noch einmal seine Sammlung und schaut dann wieder mich an. “Jetzt kommt der schwierigste Teil, nämlich der Anfang”, meint er und lässt dabei seine Fingerknöchel knacken.

“Knie dich vor mich hin”, sagt er.

Also knie ich mich etwas unsicher vor ihn hin.

Er starrt zu mir herunter und zeigt mir das Halsband. Ich habe weder Ja noch Nein gesagt.

Wie bin ich überhaupt in diese Situation geraten?

Name: Friday. Erfahrung: absolut keine. Mag: Spanking und ein wenig Schmerzen. Sucht: Dominanten Partner, der sich auf einen Neuling einlassen will. Keine Erniedrigungen.

So lautete mein Eintrag in dem “Pick-up-and-play”-Thread von Westcoast Bounds Kerkerparty. Bei Westcoast Bound handelt es sich um eine von Dutzenden BDSM/Fetisch-Messen, die jedes Jahr in Nordamerika stattfinden. Im Zuge der Messe finden auch viele Kurse statt, bei denen man sowohl neue als auch alteingesessene Fetisch-Liebhaber mit aktuellen Techniken und Praktiken vertraut machen will. Außerdem findet man hier eine sichere Community, in der jeder den inneren Freak in sich rauslassen kann. Und diese Chance nutze ich natürlich direkt. So bin ich in die obige Situation geraten.

Eine Sache will ich jedoch klarstellen: Ich bin eine überzeugte, diskussionsfreudige, das Patriarchat bekämpfende, den Neokolonialismus verabscheuende Pro-Choice-Feministin. Und ich hasse diese wehleidigen Ignorantinnen, die es für eine total progressive Idee halten, auf YouTube zu behaupten, dass sie keinen Feminismus mehr brauchen. Ich arbeite in von Männern dominierten Industrien und bin auch schon Opfer sexueller Übergriffe geworden. Dazu habe ich aber auch noch eine ziemlich versaute Seite und stehe total darauf, wenn man mich würgt oder mir freakige Bekanntschaften ein paar blaue Flecken verpassen (und vice versa).

Es ist jetzt jedoch an der Zeit, die ganze mentale Denkakrobatik sein zu lassen und einfach nur die Erfahrung zu machen, die ich laut eigener Aussage machen will. Meine Gedanken rasen, ich trete meine “Reise” an.

Ich knie also vor dem Mann in Leder, der in seinen riesigen Händen ein Halsband hält. Dragon Z spricht langsam und deutlich, fast schon rituell.

“Wenn du das Halsband anlegst, ist das ein Zeichen für die Verantwortung, die du bei dieser Erfahrung hast”, sagt er. “Das Halsband steht weder für Ewigkeit noch für Eigentum. Nein, es steht für die Hingabe zu unserer gemeinsamen Erfahrung. Wenn du das Halsband trägst und dich gut anstellst, lässt mich das ebenfalls gut dastehen. Wenn du jedoch kein gutes Bild abgibst, dann wirft das auch ein schlechtes Licht auf mich.”

“Küss das Halsband und leg deinen Kopf in meinen Schoß, wenn du bereit bist.” Ich bleibe erstmal ruhig und atme tief durch. Ich werde es machen. Und ich habe kein Problem damit. Und dennoch entwickelt sich in mir drin ein dickköpfiges Gefühl des Widerstands. Ich starre das Halsband weiter an und spüre, wie ich mich beim Ausatmen nach vorne lehnen will. Und trotzdem verharre ich in meiner Position. Ich überlege, ob Dragon Z mich gleich zu einer Entscheidung drängen wird. Er sitzt jedoch einfach nur still und regungslos da. Seine Hände liegen dabei wartend auf seinem Schoß. Ein richtiges mentales Duell.

In der Anti-Fetisch-Fraktion sind Halsbänder ein sehr sensibles Thema. Sie sind nämlich ein offensichtliches und greifbares Symbol des Eigentums, der Macht und der Dominanz. Genau deswegen genießen sie in der Kink-Szene aber auch ein so hohes Ansehen. Feiner Hund!

In der radikalen Feminismus-Philosophie lehnt man es strikt ab, dass sich eine Frau aus eigenen Stücken dazu entscheiden kann, sich einem Mann sexuell zu unterwerfen. Stattdessen tut man einen solchen Vorgang als Resultat der kulturellen Diskriminierung und Sozialisation ab. Laut Gail Dines, einer Soziologie-Professorin und bekannten Anti-Porno-Aktivistin, ist BDSM das Gleiche wie tatsächliche Folter und verstößt somit gegen die Konventionen der Vereinten Nationen. So schreibt sie in einem CounterPunch-Artikel auch, dass Folter niemals einvernehmlich stattfindet und es so etwas wie einvernehmlichen BDSM also gar nicht geben kann.

Ich beiße die Zähne zusammen, lehne mich nach vorne und küsse das verdammte Halsband. Danach lege ich meinen Kopf in Dragon Zs Schoß, während er mir das Ding anlegt.

Ich muss ihn “Herr” nennen. Ja, mein Herr. Nein, mein Herr. Gerne, mein Herr. Er befestigt die harten Ledermanschetten an meinen Handgelenken und weist mich an, mich auszuziehen—und zwar langsam, wohlüberlegt und sinnlich.

Nackt muss ich mich dann von allen Seiten zeigen. Anschließend bekomme ich die Anweisung, mich wieder hinzuknien und mit meinen Händen über Dragon Zs Stiefel zu fahren. “Riech das Leder. Alles beginnt und endet mit dem Leder.” Mit meiner verdunkelten Augenabdeckung schnüffle ich also los.

Dann mache ich in Bezug auf meine Handbewegungen etwas falsch. “Scheiße”, murmle ich.

“Was hast du gerade gesagt?”, blafft es mir entgegen. “Scheiße, mein Herr”, sage ich. “Und habe ich dir erlaubt, das von dir zu geben?” “Nein, mein Herr.” “Steh auf und leg dich auf meinen Schoß.” So versohlt mir Dragon Z den Hintern und ich fühle mich wie ein ungezogenes Kind.

Wenige Momente später begehe ich meinen nächsten Fauxpas, indem ich etwas anderes sage als die vereinbarten Sachen. Plötzlich steht Dragon Z auf und beugt mich über den Stuhl. “Arsch nach oben! Ich werde dich jetzt zehn Mal schlagen. Dabei wirst du jeden Schlag mitzählen und danach immer ‘Vielen Dank, mein Herr. Dürfte ich noch einen bekommen?’ sagen. Hast du mich verstanden?” “Ja, mein Herr”, presse ich heraus.

Es schmerzt wie die Hölle. Ich zähle die Schläge mit und bitte dann immer wieder um einen weiteren Hieb. Leider verpasse ich Nummer sieben und meine Stimme versagt.

In meinem Kopf legt sich ein Schalter um. Irgendwie fühlt es sich komisch an, mich in einer solchen Situation zu befinden und zu wissen, das aus freien Stücken zu tun. Außerdem wehre ich mich nicht, sondern akzeptiere meine Bestrafung. Nein, ich wünsche sie mir sogar. Dragon Z schleppt mich zum Kreuz und kettet meine Hände daran fest.

Ich versuche, jeden Hieb zu absorbieren und mir nichts anmerken zu lassen. Zwar erlaubt mir Dragon Z, meinen Schmerzen Ausdruck zu verleihen, aber ich will nicht als Schwächling rüberkommen. Ein weiterer Schlag trifft mich auf der Schulter und das Ganze wird immer schneller und intensiver. Ich muss den Schmerz irgendwie rauslassen. Deshalb bewege ich meinen Körper bei jedem Hieb hin und her. Ich tanze schon fast. “Gutes Mädchen”, flüstert mein Herr. Schließlich schreie ich doch und finde so ein weiteres Ventil. Dazu rüttle ich noch an den Ketten.

Die Absurdität meiner Situation wird mir bewusst. Angebunden wie ein erotischer Truthahn und nicht gewillt, das Handtuch zu werfen, will ich zwar nicht wirklich fliehen, weiß aber auch, dass ich das eigentlich sollte. Meine Lippen kräuseln sich. Mein Herr bekommt diesen Anflug eines Grinsens mit. Er lässt mir die Wahl zwischen zehn Hieben, an die ich mich noch lange erinnern werde, oder einem, der mir den Boden unter den Füßen wegzieht. “Antworte schnell!”, schießt es aus ihm heraus. “Einen!”, sage ich mit rauer Stimme und schaffe es kaum, das Wort komplett auszusprechen, bevor der Schlag meine rechte Pobacke trifft—und zwar mit voller Wucht.

“Atme! Das Atmen wird dich retten.” Also atme ich.

Dann spüre ich auf meinem Rücken plötzlich einen weiteren stechenden Schmerz und das Atmen reicht nicht mehr aus. Ich ziehe an den Ketten und fluche auf Spanisch: “Eeeway puuuutaa!”

“Was hast du da gesagt? Antworte schnell!”, fährt mich Dragon Z an. “Hurensohn, Hure!”, meine ich schwerfällig. “Das hast du aber nicht zu mir gesagt, oder?”, fragt er mich. “Nein, mein Herr”, antworte ich hastig. “Gutes Mädchen.” Er reibt sich gegen meinen Hintern. “So würdest du mich aber gerne nennen, richtig?” “Ja, mein Herr.” Ich stimme ihm mit gefletschten Zähne zu. “Vielleicht darfst du das später zu mir sagen, wenn du es dir verdient hast.” Dann widmet er sich wieder meinem Rücken und hebt mich anschließend an den Achselhöhlen knapp einen Meter in die Luft. Ich schreie.

Dann lässt er mich wieder runter, damit ich spüren kann, wie er durch meine Schreie einen Steifen bekommen hat. “Ich mag es, wenn man in einer anderen Sprache schreit.” Ich merke, wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln bilden und unter meiner Augenbinde hervorkommen. Dabei handelt es sich um Schmerzenstränen, die richtig befreiend wirken. Dragon Z steht auf meine Tränen und leckt sie von meinen Wangen. Mir stockt der Atem, als sein Stock auf meine Fußsohlen trifft. “Gefällt dir das?” “Nein, mein Herr”, antworte ich. Nein, das sind wirklich keine angenehmen Schmerzen. Zwar könnte ich jetzt auch unser Safeword rufen, aber ich bleibe hart und zeige auch weiter keine Schwäche. Ich werde das Ganze aushalten, denn so verleihe ich meiner Stärke bei der Unterwerfung Ausdruck. “Gut. Ich will nämlich, dass du das in Erinnerung behältst.” Und schon geht es weiter zu meinem anderen Fuß.

Die Zeit vergeht wie im Flug und mich überkommen abwechselnd Wellen des Schmerzes und der Erregung. Darunter mischen sich dann noch harte Worte und sanftes Lob. Ich verliere die Orientierung.

Dann umarmt mich mein Herr. “Ich bin für dich da und kümmere mich um dich.” Ich zittere, weil meine Muskeln durch die ständige An- und Entspannung im Hiebregen richtig zucken. Ich atme den Geruch des Leders und des Menschen ein. Er flüstert mir zu, dass er zwar gerne noch mehr machen würde, sich aber nicht sicher ist. Ich kann nicht anders, als zu kichern.

“Ich bin stolz auf dich”, sagt er. Er entfernt meine Augenabdeckung, legt mich auf den Boden und kriecht über mich. “Stehst du auf Atemkontrolle?” Meine Augenlider hängen auf Halbmast. Ich befinde mich im Endorphin-Rausch. “Ein wenig. Ich habe noch nicht genug Erfahrung, um das wirklich sagen zu können, mein Herr.”

Dragon Z starrt auf mich hinab und fängt an, seine Hände um meinen Hals zusammenzuführen. Ich gebe mich ihm hin und schließe die Augen. Ein Schleier legt sich über meinen Verstand. Mein Körper ist ganz entspannt, als ich über meine fragwürdigen Lebensentscheidungen nachdenke. Mein Herr lockert seinen Griff und schaut mich mit augenscheinlich besorgtem Blick weiter an. “Alles OK?”, fragt er mich. “Ja, mein Herr”, seufze ich. Und das ist auch die Wahrheit. Endorphine strömen durch meinen Körper und ich bin fast schon komplett regungslos. Und dennoch fühle ich mich … sicher.

Verfechtern des radikalen Feminismus zufolge bedeutet Gleichstellung auch, dass der Wunsch von Männern und Frauen nach solchen Dominanz-Erfahrungen vor allem in einem sexuellen Kontext nicht mehr existiert. Sie kritisieren den gewollten Schmerz und die gewollte Unterwerfung von Frauen und feiern gleichzeitig die Konzepte von unterwürfigen Männern, dominanten Frauen und starken geschlechtsunspezifischen LGBT-Menschen, die in der BDSM-Szene unterwegs sind.

Die menschliche Sexualität ist jetzt keine hübsche und unkomplizierte Annehmlichkeit. Nein, sie ist wohl der verworrenste und fieseste Teil unseres Denkapparats. Sie ist düster, versaut, gemein, verspielt, dominant, unterwürfig und chaotisch. Genau dieser komplexe und wilde Charakter macht Sex aber doch erst so spaßig, intensiv, kompliziert und dynamisch. Und ich werde garantiert nicht meine vermeintlich anrüchigen Neigungen gegen irgendwelche zivilisierten und “vertretbaren” Liebesspiele eintauschen.

Ich knie wieder vor Dragon Z und wir lassen das Halsband-Ritual quasi rückwärts ablaufen. “Riech das Leder. Alles beginnt und endet mit dem Leder.” Er reicht mir einen halben Protein-Riegel und meint, dass er später noch mal nach mir schauen wird. Ich torkle in meinen Stiefeln und meinem Tanga davon. Mein Hintern und Rücken brennen und sind mit deutlichen Spuren übersät, die jeder sehen kann. “Kampfwunden”, denke ich mir und grinse dabei süffisant. Ich bin immer noch eine verdammte Feministin.