Wenn ich früher zum Spaß Songtexte geschrieben habe, dann waren sie auf Englisch. Mich hat dann mal jemand gefragt, warum sie nicht auf Deutsch sind. Die einzige Antwort, die mir darauf einfiel, war, dass ich sie auf Deutsch nicht fühle. Liegt vermutlich auch daran, dass ich zum Teil auch englischsprachig aufgewachsen bin. OK, hauptsächlich kommt das daher, dass ich bei Papa vor die Glotze gesetzt wurde und einen Disney-Film nach dem anderen schauen durfte – auf Englisch eben.
Bei meiner Mama wurde auch nur englischsprachige Musik gespielt und dank der Musik, die ich mir dann selber angetan habe – von den Backstreet Boys über die Spice Girls bis zu meiner Göttin Britney Spears –, war schnell klar: Ich konsumierte hauptsächlich internationale Musik und das hauptsächlich auf Englisch. Wenn man ein junger und ignoranter Teenager wie ich war, dann geht an einem mühelos vorbei, dass auch österreichische Interpreten Musik auf Englisch singen.
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Viel zu spät kam ich der Musik unseren kleines Landes dann doch ein bisschen näher und habe aufgehört, mich nur auf internationale Musik zu konzentrieren. Da bin ich dann C-Bra, Bobbie Singer, Marque und Vera Böhnisch begegnet – und als end-pubertierendes Mädchen auch der Musik von Kruder & Dorfmeister und Bauchklang (Glück gehabt). Aber auch nur, weil es andere in meinem Alter gehört haben und man ja auch nicht immer der Außenseiter sein wollte. Kruder & Dorfmeister haben zudem gut zu meiner Massive Attack-Phase gepasst und Bauchklang exzellent zu der Phase, in der ich Magic Mushrooms probiert habe. Als ich dann nur etwas später ebenso guten Ösi-Sound wie The Bunny Situation am Start hatte, interessierte das wiederum keinen mehr. Wahrscheinlich nicht, weil sie nie Mainact auf der FM4-Bühne beim DIF waren.
Bis heute haben es Künstler aus Österreich aber nur eher aus Jux geschafft, aus meinen Boxen zu dröhnen. Wie etwa K. Ronaldo, das Alter Ego von Yung Hurn. Musik, die ich also nicht ernst nehme und maximal eher lustig als wertvoll empfinde. Und aufgrund der kommerziellen, österreichischen Musik, die hier gefeiert wird (also alles, was Ö3 so von unseren Landsleuten spielt) und dem Amadeus-Award, habe ich österreichische Musik einfach nicht für bare Münze nehmen können. Deutschrap ist wiederum einfach nicht meine Schiene, der Gabalier-Swag am allerwenigsten. Und als Ösi-Musikhörer-Laie wirkt es von außen hin eher schlank, was die anderen Genres betrifft.
Als ich mich für diesen Artikel vorbereitete, habe ich etwa 50 verschiedene österreichische Künstler, die ich hören wollte, recherchiert und notiert (Crack Ignaz, RAF Camora, Soap&Skin, Manuel Rubey, T-Ser, Mile Me Deaf, Elektro Guzzi ,Ankathie Koi, Flut, Edwin, Thirsty Eyes, Fid Mella und viele, viele mehr …). Ganz fair und ohne Hast. Ich habe es aber nur geschafft, mir die Hälfte zu geben und der Grund dafür ist ganz einfach: Diese Acts waren alle schon so gut, dass ich bei ihrer Musik picken geblieben bin. Ich hab sogar Freunde, die ebenso wenig über unser einer Sound bestellt waren dazu gebracht, sie zu mögen.
Ich hab mit den üblichen Verdächtigen gestartet, deren Namen hier in der Redaktion hin und wieder gefallen sind. Mavi Phoenix, The Crispies, Wandl und Konsorten. Natürlich habe ich mich dann auch auf ein paar Klassiker wie Falco oder EAV berufen. Und nach nur einem Tag habe ich mich dann auch gefragt, warum die österreichische Musik sowohl international als auch national nicht noch viel populärer ist. Vor allem, weil vieles von dem, was ich so gehört habe, qualitativ hochwertiger ist als die Musik im Radio von anderswo.
Abseits der bereits bekannten Bands wie Wanda oder Bilderbuch, ist mir in unserem musikalischen Ösiversum vor allem eines aufgefallen: Die Lyrics unserer Musiker sind oft sehr kritisch, die Melodien gerne melancholisch und es wird nicht davor gescheut, etwas experimenteller zu sein. Österreichische Musik ist genauer betrachtet einfach keine leichte Kost und meistens abseits jener Schiene, die vom kommerziellen Radio hauptsächlich getragen wird.
Mit etwa 18 Jahren habe ich auch aufgehört, Radio zu hören, da mich diese seichte Kost nie auf eine Reise mitnehmen konnte und ich an FM4 damals nicht wirklich gedacht habe. Die Musik kam aus dem Internet, selbst zusammen gesucht, versteht sich. Damals war österreichische Musik im kommerziellen Radio faktisch nicht existent.
Aber zurück zu meiner neu entdeckten Liebe: Der Track “Aventura” von Mavi Phoenix beispielsweise. Die Bridge, in der sie das “Everybody stare …” anstimmt, hat mir gleich beim ersten Hören gut gefallen. Da passiert ein so gelungener Break in dem Song, auf den man sich eigentlich mehr freut als auf den Refrain. Oder wenn sie “’cause of spanish I had to do the 10th grade twice …” singt, in einem Lied, das fast zur Hälfte aus spanischen Lyrics besteht (genau mein Humor). Es hat sogar einen meiner kritischen Produzenten Freunde überzeugt, mit dem hab ich das Lied dann auf Repeat gehört. Auf FM4 wird der Track auch gespielt, aber würde ich FM4 hören, würde es diesen Text ziemlich sicher nicht geben, weil der Sender sich ja sehr viel mit österreichischer Musik beschäftigt. S/o an dieser Stelle.
“Keep on doing that” von The Crispies wiederum erinnert mich an die Zeit, in der ich zwar auch schon auf Festivals war, allerdings auf keinen elektronischen wie jetzt. Und auch wenn ihr Stil an die typischen The Irgendwas-Bands-Phase erinnert, klingt es nicht so abgelutscht und tausendmal nachgeahmt. Der Track ist leider auch nicht länger als 1:10 Minute. Von wegen Österreich ist immer hinten nach. Das ist zur Abwechslung mal das Frischeste, was ich aus diesem musikalischen Segment seit längerem gehört habe.
Wandl ist dann so wie Tents, Ant Antic und Leyya, die Sorte Musik, die wöchentlich auch immer auf mich wartet, wenn Spotify mir meinen Mix der Woche zusammenstellt. Das ist der verträumte Stoff, mit dem du in der Bim sitzt, raus starrst und über das Leben philosophierst.
Natürlich gibt es auch österreichische Musik, die wirklich fast jeder kennt: Künstler wie Falco oder die EAV. Erst unlängst hat eine sehr gute Freundin von mir, die mehrere Jahre jünger ist als ich, den ganzen Text von EAVs “Samurai” mitgesungen. In anderen Haushalten wurde dafür Falco auf und ab gespielt. Auch wenn diese Musik die breiten Massen angesprochen hat, behandelten sie nicht weniger heikle Themen. Phrasen wie: “Und es fragt seine Frau ihren Freizeit-Tarzan: ‘Sag mal, wer malt denn die Neger so schwarz an?’ … Afrika, Afrika… Heute fahr’n ma Neger schau’n, des wird a Trara …” soll man durchaus kritisch verstehen. Der Song porträtiert Menschen, die es tatsächlich gab und noch immer gibt. Leute, die nicht genug aufgeklärt worden sind und daher auch nicht viel mit gesellschaftskritischer Musik anfangen können.
Sicherlich ist es einfacher, sich mit Song-Passagen wie “Letzte Nocht, woa a schware Partie fia mi” oder “Bussi, Baby” zu beschäftigen, als “Da Voda hots gaunze Göd vasoffn, de Muada, de hot great. Daun hot a uns a no vadroschn, wia sa si so gheat.” von Sigi Maron. Der war sogar meiner Mutter zu heftig, weshalb er mir bis vor kurzem nicht einmal ein Begriff gewesen ist.
Um das klarzustellen: Ich disse hier vor allem mich selbst, weil ich nicht schon viel eher damit angefangen habe, unseren Künstlern mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Und ich disse die Ignoranz der anderen, die auch noch immer ein Problem mit dem Österreich-Stempel auf Musik haben. Ich disse auch, dass Förderungen für Musiker noch immer zu kurz kommen. Und ich disse auch diejenigen, die wie im Fall Raf Camora beispielsweise die Talente aus dem eigenen Land nicht wertschätzen. Oder noch schlimmer: Die lieber Taylor Swifts peinliche Abrechnungs-Lieder hören, als Musik, die nicht nur qualitativ besser ist, sondern auch gehaltvoller. Für die sind diese österreichischen Delikatessen ohnehin nicht bestimmt. Ihr Banausen.
Hier nochmal ein paar meiner Lieblingsstücke zusammengetragen:
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