“Ich habe Charles Manson einen Brief geschrieben und ein Bild als Antwort bekommen”

Serienmörder und ihre Verbrechen sind abscheulich. Trotzdem – oder gerade deswegen – wecken sie immer wieder unser Interesse und werfen Fragen auf. Gerade jetzt, so kurz nach dem Tod des berüchtigten Sektenanführers Charles Manson, sind Pseudopsychologen auf der ganzen Welt wieder frenetisch auf der Suche nach dem Warum.

Aber was passiert, wenn dieses Interesse so groß ist, dass man sich entscheidet, direkt mit dem Mörder Kontakt aufzunehmen? Genau das hat Rocco Casella getan, der Ende der 80er Jahre tatsächlich kurz mit Manson schrieb. Wir haben noch mal nachgefragt.

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VICE: Wie hat sich dein Interesse an Charles Manson und der Manson Family entwickelt?
Rocco Casella: 1988 war ich 17 Jahre alt, stand total auf Horrorfilme und hatte gerade ein Buch und einen Film über Charles Manson verschlungen. Seine Verbrechen machten mir so viel mehr Angst als jeder Horrorstreifen. Manson und seine Sekte waren echt, Freddy Krueger nicht. Zuvor hatte ich mich eigentlich nie für Serienmörder interessiert.

Wann hast du entschieden, Manson zu schreiben?
Ebenfalls 1988. Ich arbeitete damals in einer Buchhandlung und ein Kunde fragte nach einem Werk über die Manson Family. In der darauffolgenden Woche kam der gleiche Kunde zurück und zeigte mir die Adressen der ganzen Haftanstalten, in denen die verurteilten Mitglieder der Family saßen. Daraufhin schrieb ich Briefe an Patricia Krenwinkel, Leslie Van Houten, Lynette Fromme und Charles Manson.

Was genau hast du in diesen Briefen geschrieben?
Im Grunde erzählte ich ihnen nur, dass ich viel über sie gelesen hätte, und bat sie darum, mir ihre Version der Geschichte zu erzählen. Ich wollte wissen, ob die Medien damals Falsches berichtet hatten und wie die Wahrheit ihrer Ansicht nach aussah. Leider haben mir nur Lynette Fromme und Charles Manson zurückgeschrieben.

Das Bild, das Manson Rocco Casella zuschickte

Was hat Manson geantwortet?
Er schickte mir ein fotokopiertes Bild, auf dem nur ein Satz stand: “Look down at me, you will see a fool, look up at me, you will see your lord. Look straight at me, and you will see yourself.”

Fandest du das unheimlich?
Als ich seine Antwort las, war ich eher enttäuscht. Das Ganze hatte nichts Originelles oder Persönliches an sich. Den Satz kannte ich auch bereits aus einem seiner Interviews.

Wussten deine Freunde und deine Familie, dass du Charles Manson und Mitgliedern seiner Sekte geschrieben hattest?
Meine Freunde waren eingeweiht. Meiner Mutter zeigte ich dann nur die beiden Antwortschreiben. Sie bezeichnete mich als Idioten, nahm sie aber trotzdem mit zur Arbeit und zeigte sie all ihren Kollegen.

Die Antwort von Lynette Fromme

Hast du jemals in Erwägung gezogen, Manson und Fromme weiter zu schreiben?
Nein. Damals interessierte ich mich für die neue Profiling-Vorgehensweise des FBI und überlegte, so etwas beruflich zu machen. Wegen der komischen Briefe wurde mir aber auch klar, dass man viel Zeit investieren muss, um ordentliche Antworten von solchen Menschen zu bekommen. Und ohne Bezahlung wäre das Quatsch, anderes war wichtiger für mich. Inzwischen bereue ich es sogar, überhaupt so viel Zeit in die Sache investiert zu haben.

Wie hast du reagiert, als du von Mansons Tod gehört hast?
Ich war schon ein bisschen traurig, aber jetzt nicht für Manson, sondern für die Familien, denen er mit seinen Taten geschadet hat. Und das, obwohl ich weiß, dass er von Anfang an viele Probleme und keine Chance auf ein normales Leben hatte. Er wuchs ohne Mutter auf, wurde von einem Erziehungsheim ins nächste gesteckt und musste schon früh viele Jahre ins Gefängnis. Insgesamt verbrachte er fast sein gesamtes Leben hinter Gittern. Im Grunde kannte er nichts anderes.

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