Ich habe das berüchtigte Frühstück von Hunter S. Thompson gegessen – und werde es nie wieder tun

Dieser Artikel erschien zuerst bei MUNCHIES Dänemark.


Auch wenn Thompson ein chaotisches Leben hatte und 24/7 drauf war, war das Frühstück sein Anker – seine Verbindung in die Realität. In einem Artikel für den Rolling Stone vom 3. Juni 1976, in dem er den damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter auseinandergenommen hat, schweift er plötzlich vom Thema ab, wie so oft. Sein Kopf war ganz wo anders. Im nächsten Absatz schreibt er über die erste Mahlzeit des Tages und worauf sie idealerweise bestehen sollte. Das hat er geschrieben: “Ich frühstücke am liebsten alleine und meistens niemals vor 12 Uhr. Jeder mit einem Lebensstil ohne feste Termine braucht mindestens alle 24 Stunden einen regelmäßigen Anker, meiner ist das Frühstück. Ob ich in Hongkong, Dallas oder zuhause bin – und egal ob ich im Bett war oder nicht. Das Frühstück ist mein privates Ritual, das nur allein richtig durchgeführt werden kann und im Geiste eines echten Exzesses. Das Essen sollte immer eine riesige Rolle spielen: Vier Bloody Marys, 2 Grapefruits, ein Pot Kaffee, Crêpes Rangoon, ein halbes Pfund Würstchen, Bacon oder Corned Beef mit gewürfeltem Chili, spanisches Omelett oder Eggs Benedict, ein Viertelliter Milch, eine zerkleinerte Zitrone zum beliebigen Würzen und so was wie ein Stück Key Lime Pie, zwei Margaritas und sechs Line bestes Kokain zum Dessert. Ah genau, und es sollten auch zwei oder drei Zeitungen, die Post und Nachrichten sowie ein Telefon und ein Notizbuch auf dem Tisch liegen, um die nächsten 24 Stunden zu planen und mindestens eine Anlage mit guter Musik. Das alles sollte draußen passieren, in der Wärme der Sonne und vorzugsweise komplett nackt.”

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Als Hommage an den verrücktesten Journalisten in der Geschichte, habe ich mich entschieden, sein Frühstück nachzustellen. Vielleicht ist “nachstellen” auch das falsche Wort. Ich glaube nicht, dass Thompson diese Menge jeden Morgen verdauen konnte. Er war für seine Übertreibungen bekannt und alleine die Vorbereitung hätte ihn davon abgehalten, seinen Tag so zu beginnen. Diese Mahlzeit jeden Morgen hätte ihn umgebracht, lange bevor er sich erschossen hat.

Weil ich relativ schnell begriffen habe, dass es schlicht gefährlich wäre, so große Mengen zu mir zu nehmen, besonders so früh am Tag, entschied ich mich, das extravagante Frühstück mit meinem “Ziggy Silver” zu teilen, der anonym bleiben möchte. Er ist Poet und angehender Alkoholiker und hat mir früher auch schon bei meinen kulinarischen und literarischen Eskapaden geholfen. Ziggy gehört außerdem ein Schrebergarten, wo wir uns wie Idioten benehmen können, ohne dass wir zu sehr auffallen.

Ich hatte vier Stunden geschlafen, einen bohrenden Kater und in der Gartenkolonie in Soborg schiffte es ordentlich. In Dänemark nennen wir das Sommer. Als ich das verrostete Tor zu Ziggys Zuhause aufgestoßen hatte, stellte sich ein merkwürdiges Gefühl in meinem Körper ein. Das Frühstück sollte einen guten Start in den Tag ermöglichen, ich war mir aber gar nicht so sicher, dass Thompsons Rezept dafür sorgen würde.

Ziggy war da schon zuversichtlicher und fing direkt damit, die Bloody Marys zuzubereiten und uns mit modernen Beats zu beschallen.

Einen Großteil seines Lebens verbrachte Thompson in Hotels in den USA. Wenn du dir Zimmerservice bestellen kannst und dein Arbeitgeber das auch noch bezahlt, dann ist es schon möglich, dass man eine so umfangreiche Mahlzeit zusammen zaubert. Wenn du das Essen aber selbst vorbereiten musst, stirbt man eher an Hunger, bevor man damit fertig ist. Auch wenn ich bereits einige Dinge zuhause vorbereitetet hatte (und wie Fernsehköche gerne sagen “Ich habe da mal was vorbereitet”), habe ich zwei Stunden in der Küche gestanden. Die Schweißperlen auf meiner Stirn liefen mir schneller runter als die Regentropfen am Fenster. Mein Kopf hat sich sehr schwer angefühlt. Auf eine gewisse Art und Weise war es perfekt authentisch, dass ich einen Kater hatte. Bei der Menge Alkohol, die Thompson getrunken hat, muss er sich ständig so gefühlt haben ­– ein Zustand, so einfach.

“Ich bin verdammt hungrig”, sagte Ziggy und sorgte für gute Laune am Tisch. Ich habe ihm gesagt, dass er die Klappe halten soll. Wenn ich hungrig bin, bin ich leicht gereizt.

Er hat mir eine Geschichte über einen Rocker erzählt, der ihm am Tag davor, eine Gitarre geschenkt hat. Ich derweil habe ich Eier pochiert, den Bacon gebraten, die Pancakes gebraten und das Wasser für den Kaffee aufgesetzt. Das Frühstück nahm langsam Gestalt an.

Draußen hörte der Regen nicht auf, aber Thompson wollte, dass das Essen unter freiem Himmel verzehrt werden muss. Nackt. Als wir uns ausgezogen haben und das Essen auf den Tisch gestellt haben, habe ich den Motherfucker verflucht. Ich glaube nicht, dass er jemals in einem Drecksloch von Land gefrühstückt hat, in dem es gefühlt jeden Tag regnet. Nachdem wir festgestellt haben, dass ein nasser Gartenstuhl etwas kalt ist, um seinen nackten Arsch da drauf zu setzen, waren wir uns das Essen so schnell reingeschaufelt, wie Punkmusiker zum Amphetamine-Buffet nach deinem Konzert laufen.

“Das Zeug ist gut”, sagt Ziggy, sein Mund ist voll mit Eggs Benedict. “Zusammen mit der Bloody Mary ist das der perfekte Start in den Tag, für einen Typen vom Land.”

Der Autor (rechts) mit Ziggy.

Die Crêpes Rangoon mit ihrer cremigen Krabbenfüllung waren fast genauso gut und wir haben uns gegenseitig angelächelt, während wir den Regen auf unseren nackten Körpern gespürt haben. Ich wechselte zwischen einer Bloody Mary, einem Glas Milch und einem Kaffee, als ich meine E-Mails auf dem Telefon gecheckt habe, weil wir nun mal im digitalen Zeitalter leben. “Zwei oder drei Zeitungen, die Post und Nachrichten sowie ein Telefon und ein Notizbuch” passen heute auf ein kleines Gerät.