Wenn das Thema Lesertipps in Frauenmagazinen aufkommt, muss ich immer unweigerlich an Vorschläge wie “Verwende deinen Haargummi als Penisring” oder “Beträufle deinen Liebsten mit Schokoladensauce” denken. In einer Welt, in der sich Menschen zu abgeschnittenen Fußnägeln oder Videos von Leonardo DiCaprio beim Weinen befriedigen, haben die ehemals verruchten Sextipps einschlägiger Hefte zugegebenermaßen deutlich an Reiz verloren. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zeit der absurden Lebenstipps an sich vorbei ist!
Die Schönsten, weil Wahnsinnigsten, gibt es in britischen Presserzeugnissen wie Chat und Pick Me Up. Magazine, die mit aufsehenerregenden Schlagzeilen wie “Weihnachten zu Hause … mit Mamas leblosem Körper!” oder “Wie ich nach einem Lebensmittelskandal in der Pommesbude 30 Kilo verloren habe” wahrscheinlich so etwas wie die Kreuzung aus der Bild und Schöne Woche sind. Die Art von Zeitschrift, die man ganz unten im Zeitschriftenregal findet und die weniger kostet als eine Tafel Schokolade.
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Die meisten dieser englischen Klatschblätter enthalten eine Seite mit Life-Hacks, die von den anderen Lesern eingeschickt werden können. Die beste Einsendung erhält immerhin umgerechnet rund 68 Euro – und für diesen Betrag kann es gar nicht absurd genug sein. Es gibt Leser, die einem sagen, wie man sich Damenbinden an die Hüften klebt, um sich “Kurven zu zaubern”, wie man ein Pita-Brot zu einer Notfall-Clutch umfunktioniert oder wie man Hygieneprodukte verwenden kann, um das Badezimmer zu putzen (“so saugstark!”).
Natürlich gibt es hierzu schon unzählige Listicles auf BuzzFeed und verschiedene Tumblr-Blogs, die die absoluten Highlights der seltsamen Lebenstipps gesammelt haben. Doch wer bin ich schon, um darüber zu urteilen? Vielleicht haben Kirsty aus Brighton und Elaine aus Inverclyde eine Entdeckung gemacht, die liberalen und elitären Großstädtern wie mir bisher immer verborgen geblieben ist? Immerhin hat sich aus solchen dubiosen Life-Hacks im Netz eine ganze DIY-Industrie entwickelt. Und woher sollte ich sonst wissen, dass ich meinen Wein mit gefrorenen Trauben kühlen oder kalte Butter mit einer Käsereibe streichfähig machen kann?
Es gibt nur einen Weg, um herauszufinden, ob die Life-Hacks halten, was sie versprechen: Ich werde einige von ihnen selbst testen.
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(Nur zur Info: Ich habe mir nichts davon ausgedacht. Alle Tipps stammen aus ganz legitimen und realen Magazinen, die diese Tipps abgedruckt und ihren Lesern empfohlen haben.)
“Jetzt, wo es draußen wieder kühler wird, kannst du dir, bevor du das Haus verlässt, ein paar hartgekochte Eier machen und sie dir in die Manteltaschen stecken. Sie halten ewig warm und sorgen dafür, dass auch deine Hände wohlig warm bleiben. Und wenn sie abgekühlt sind, eignen sie sich hervorragend als Snack zwischendurch!” – Joanna aus Edinburgh
In London hat es momentan angenehme 20 Grad. Pflichtbewusst wie ich bin, mache ich mir aber trotzdem ein paar hartgekochte Eier und stecke sie in meine Jackentasche, bevor ich auf den Weg zur Arbeit mache. Ich zögere kurz, bevor ich meine Finger um die warmen Eier schlinge. Tatsächlich fühlt es sich aber ziemlich gut an. (Natürlich habe ich die Schale dran gelassen und sie nicht gepellt, wie meine Kollegen dachten.) Sehr angenehm. Die Eier liegen perfekt in der Hand, wie kleine runde Wärmflaschen. Und sie bleiben auch tatsächlich ganze 20 Minuten warm, bis ich bei der Arbeit ankomme.
Erst als zwei Kollegen an mir vorbeilaufen, fange ich an, mich wie ein Freak zu fühlen. Sie unterhalten sich wie ganz normale Menschen – Menschen, die keine warmen, hartgekochten Eier in ihrer Jackentasche herumschleppen. Ich fühle mich, als hätte ich ihre Kinder ohne ihre Zustimmung im Park fotografiert oder neben ihre Fahrräder gepinkelt und dabei aus Versehen auch ihre Reifen getroffen. Ich beschließe deshalb, mein hart gekochtes Geheimnis für mich zu behalten.
Betrübt nehme ich meine Hände aus der Jackentasche und stecke die Eier heimlich in meinen Stoffbeutel. Über den Tag hinweg vergesse ich allerdings vollkommen, dass ich sie dabei habe. Erst als ich am Abend aus Versehen auf meinen Beutel trete, fällt mir wieder ein, dass die Eier noch da drin sind. Den restlichen Abend verbringe ich damit, die Eierschalen aus der Tasche zu sammeln.
“Wenn du eine Notfall-Clutch brauchst, steck deinen Lippenstift, die Autoschlüssel und deinen Tampon einfach in ein Pita-Brot. Denk aber immer daran, es nicht falsch herum zu halten.” – Anonym
Manche Menschen bezeichnen Pita-Brot als das schlimmste Brot der Welt. Und das ist es auch – zumindest, wenn man es in einem billigen Multipack im Supermarkt kauft und es aussieht, als stünde es kurz vor dem Verfallsdatum. In diesem Fall eignet es sich weder zum Essen, noch als Notfall-Clutch. Wie ich feststellen muss, passen noch nicht mal ein Labello und 30 Euro in die “Tasche”, ohne dass sie an den Seiten auseinanderbricht.
Der Kioskbesitzer, den ich mit meiner improvisierten Tasche aufsuche, wirkt irritiert – und das, obwohl er eigentlich schon daran gewöhnt ist, dass er und sein Geschäft regelmäßig für Experimente verzweifelter Journalisten missbraucht werden. Gerade als er fragt, ob er auch “in dem Artikel erwähnt” wird, löst sich mein Pita-Täschchen restlos auf und bröckelt vor mir auf den Boden. Ich glaube, ich habe Kohlehydrate noch nie zuvor so gehasst.
“Ich bin nicht besonders kurvig und habe auch keine Hüften. Deswegen stecke ich mir manchmal Damenbinden seitlich in die Unterhose und ziehe dann wie gewohnt meine Klamotten drüber. Das zaubert sofort Kurven!” – Rosy aus London
Damenbinden sind in dieser Sparte schon fast legendär und können zu so gut wie allem benutzt werden: zum Abdichten eines zugigen Fensters, als Ohren für den Osterhasen, als Ersatz für Hausschuhe oder als behelfsmäßige Achselpads.
Also schnappe ich mir zwei Damenbinden, ziehe die Folie von den Haftstreifen ab und stopfe sie mir sorgfältig in meine Jeans. Mit Damenbinden an den Hüften rumzulaufen, ist womöglich das Seltsamste, was ich jemals im VICE-Büro erlebt habe – und das soll was heißen. Es fühlt sich definitiv seltsamer an, als mit zwei hartgekochten Eiern in den Jackentaschen zur Arbeit zu kommen. Außerdem sieht man, soweit ich das beurteilen kann, noch nicht einmal einen Unterschied. Ich bin auch nicht gerade die kurvigste Frau der Welt, aber hey: Maxi-Binden sind eben keine Dekokissen.
“Ich verwende immer Damenbinden, um die Badewanne, das Waschbecken und die Toilette zu putzen. Sie eignen sich hervorragend dazu, weil sie an den Händen haften bleiben und unglaublich saugstark sind.” – Elaine aus Inverclyde
Ich nehme eine weitere Damenbinde und fahre damit über den Toilettensitz und das Waschbecken. Allerdings muss dabei immer wieder würgen. Ich kann selbst nicht genau sagen, warum. Es wäre ja nicht so, als ob ich das Bad noch nie mit einer Rolle Küchenpapier geputzt, oder meine Zahnbürste zweckentfremdet hätte, um Schimmel aus den Fugen zu schrubben. Der Unterschied ist vielleicht nur rein psychologisch, aber es fühlt sich einfach falsch an. Wer nicht versteht, warum es sich seltsam anfühlt, Urintropfen mit einer Damenbinde aufzuwischen, dem kann ich auch nicht helfen.
“Du brauchst keinen Selbstbräuner, um auszusehen, wie von der Sonne geküsst. Betupfe einfach nur deinen Makeup-Pinsel mit Instant-Kakao und streiche damit über deine Wangen. Der Effekt ist fast der Gleiche. Du darfst nur nicht in Versuchung kommen, dein Gesicht abzulecken!” – Kirsty aus Brighton
Ich muss zugeben, dass ich gewisse Bedenken gegenüber diesem Life-Hack habe. Als ich mir die Zutaten von dem Instant-Kakao durchlese, muss ich feststellen, dass das Pulver nur 13 Prozent Kakao enthält. Der Rest besteht aus Zucker, verschiedenen Geschmacksverstärkern und einem sogenannten “Antiagglomerationsmittel”. Als ich meine Augenlider mit dem Kakaopulver betupfe, füllt sich die Luft mit dem penetranten Geruch nach künstlichen Süßungsmitteln. Außerdem sieht das Pulver noch nicht einmal braun aus – zumindest nicht so braun wie ein Mensch, der gerade in der Sonne war.
Ich muss meine Meinung allerdings ändern, als ich mein Gesicht damit schminke. Nachdem ich einige Male mit dem Pinsel über meine Wangen gefahren bin, fange ich tatsächlich an, “wie von der Sonne geküsst” auszusehen. Außerdem riecht es ziemlich gut! Der Geruch erinnert mich an eine glückliche Kindheit und kalte Winterabende, an denen man sich als Kind mit einer Tasse Kakao eingekuschelt hat – zumindest stelle ich mir so eine glückliche Kindheit vor. (Ich war ein ziemlich unglückliches Kind. Ja, ich weiß, das kann man sich bei mir nur schwer vorstellen.)
Selbstbewusst gehe ich zurück an meinen Schreibtisch und frage meine Kollegin Sirin, ob sie eine Veränderung bemerkt. “Ich finde es gar nicht so schlecht!”, verkünde ich stolz.
Mit gequälter Miene antwortet sie: “Oh, nein. Das geht gar nicht.” Geknickt gehe ich zurück zum Spiegel, um mir das Kakaopulver mit Toilettenpapier aus dem Gesicht zu wischen. “Sorry!”, ruft mir Siri nach.
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Im kalten, harten Neonlicht der Bürotoiletten sehe ich, was sie meint: Kakaopulver ist keine besonders schmeichelhafte Farbe. Außerdem wirkt die leichte Bräune sehr platt und hat überhaupt keine Tiefe. Das sollte mich eigentlich nicht überraschen, immerhin ist das Pulver ja eigentlich zum Trinken gedacht und nicht, um es sich ins Gesicht zu schmieren.
Bei dem Versuch mir den Kakao aus dem Gesicht zu wischen, bekomme ich das Pulver in die Nasenlöcher und meine Nase beginnt, höllisch zu jucken. Danke für nichts, Pseudo-Lebenstipps, denke ich mir. Mein Blick fällt auf das braune, zerknüllte Toilettenpapier vor mir. Es sieht aus, als hätte ich den staubigsten Stuhlgang der Welt.