Ich habe Krieg gegen Wilderer geführt, um das Nashorn vor dem Aussterben zu retten

Wo nicht anders vermerkt, alle Fotos von Rohan Nel | Wild and Free Foundation

Ich liege bäuchlings auf der Erde. Neben mir kämpft mein Gruppenleiter damit, unsere klemmende Waffe, ein uraltes Repetiergewehr, schussbereit zu machen. Wir haben die kurzen Strohhalme gezogen und damit sind uns die halbautomatischen Waffen durch die Lappen gegangen. Dieses alte Gewehr ist unsere einzige Verteidigung gegen die Männer, denen wir auflauern: Wilderer, vermutlich mit AK-47 bewaffnet.

Wir sind im südafrikanischen Busch, im Löwengebiet, wo es kaum Deckung gibt. Um nicht einzuschlafen, essen wir regelmäßig eine Handvoll rohen Kaffee. In der Theorie ist unser Plan simpel: Ich halte nach dem Fahrzeug unserer Ranger-Kollegen Ausschau—man hat uns nämlich gewarnt, sie würden sich von den Wilderern bestechen lassen. Wenn ich zusätzliche Passagiere (also Wilderer) im Fahrzeug sehe, werden wir “die Fahrzeuginsassen extrahieren”, während unser Gruppenleiter uns Deckung gibt. Doch sein Gewehr funktioniert immer noch nicht.

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Plötzlich hören wir den Truck. “Pfeif’, wenn du sie siehst”, flüstert mir der Gruppenleiter zu. Aber Pfeifen kommt für mich nicht infrage. Das Überraschungsmoment ist unser einziger Vorteil. Ich wickle mir etwas Schnur ums Handgelenk und werfe ihm ein Ende zu. Als Signal werde ich daran ziehen. Das Fahrzeug hat uns fast erreicht, und endlich, nach vier Fehlschlägen, ist eine Patrone in der Kammer. Alles wartet auf mein Signal. Kann ich an der Schnur ziehen?

Zum Zeitpunkt dieses Hinterhalts war ich erst seit zwei Monaten bei der Anti-Wilderer-Einheit Protrack. Von meiner bequemen Wohnung in Sydney aus hatte ich gelesen, wie die ostasiatische Nachfrage dazu geführt hat, dass Rhinozeroshorn heute mehr wert ist als Gold oder Kokain. Prognosen zufolge sollen Wilderer innerhalb der nächsten zehn Jahre Südafrikas Nashörner komplett ausgelöscht haben.

Ein Teil meiner Motivation war sicherlich, mein Ausbildung als Reservist der australischen Armee und das Training vom Sydney Metropolitan Wildlife Service einzusetzen. Aber ehrlich gesagt reizte mich die Vorstellung zu lernen, wie man bewaffnete Männern im Busch aufspürt, einfach mehr als mein Job in einer Bar.

Man warnte mich von Anfang an, dass Protrack keine NGO sei. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Militärfirma, die sich zur größten privaten Anti-Wilderer-Truppe Afrikas entwickelt hat. Wir leben nun einmal in einer Welt, in der Tierrechtler an der Seite von Söldnern und Berufssoldaten gegen das Artensterben kämpfen.

Ich kündigte meinen Job und bekam es sofort mit der Angst zu tun. Würde ich die Marathon-Patrouillen, den Hunger und die militärische Struktur ertragen? Doch das war vielleicht die falsche Frage. Ich hätte fragen sollen: Kann ich an der Schnur ziehen?

Das Anti-Wilderer-Training war hart. Fast die Hälfte der Rekruten schaffte es nicht. An meinem ersten Tag rasierten sie mir den Kopf und wogen mich: 86 Kilogramm. Mein Trainer, Sergeant Zoro, sagte mir, das würde sich noch ändern. Er war Mitte 50 und trotzdem noch ein Schrank von einem Mann. Zoro war einer der ersten schwarzen Majore des südafrikanischen Militärs. Seine Arme waren voller Narben, wo er sich in Angola Klumpen weißen Phosphors—zusammen mit seinem eigenen Fleisch—herausgeschnitten hatte.

Und er sollte Recht behalten: Das Überlebenstraining und die dürftige Nahrung sorgten dafür, dass mein Gewicht innerhalb von nur sechs Wochen auf 69 Kilo sank. In diesen Wochen hatten wir gelernt, wie man mit Waffen umgeht, und wurden in Nahkampf, dem Stellen von Hinterhalten, Fahrzeugextraktionen, Tatortsicherung und dem Umgang mit afrikanischen Raubtieren ausgebildet. Gerade Letzteres erschien uns sehr relevant, nachdem wir erfuhren, dass ein Anti-Wilderer-Ranger kurz vor meiner Ankunft von einem Löwen gefressen worden war.

Wir lernten auch, wie man stiehlt. CNN-Journalisten kamen, um unser Training zu dokumentieren. Wir durchsuchten ihre Vorräte, während die präsentabelsten Rekruten für ihre Kameras lächelten. Wenn dein Körper vor Hunger schon fast versagt, verschwimmen die moralischen Grenzen.

Von links nach rechts: Blasen, das Quartier, nächtliche Gruppenbestrafung | Fotos vom Autor

Ich habe das Training seit einem Monat hinter mir und bin seit fast drei Monaten bei Protrack unter Vertrag. Ich bin im Wildtierreservat Thornybush Game Reserve stationiert. Langsam bestehe ich wieder aus mehr als Haut und Knochen. Ich stehe auf der Ladefläche eines Autos, das einem Hubschrauber hinterherjagt. Wir können ihn noch hören, doch er ist schon jenseits des Horizonts. An Bord ist einer der besten Tierärzte der Region; er verfolgt ein Nashorn, das von Wilderern angeschossen wurde.

Dieser Tierarzt ist bekannt für sein gutes Zielvermögen, aber am selben Tag hat ein verletzter Gepard ihm in den Arm gebissen. Er trägt eine dicke Bandage, doch Schmerzmittel hat er abgelehnt, um klar im Kopf zu bleiben. Er schafft das Unmögliche und trifft das Nashorn trotzdem mit dem Betäubungsgewehr. Der Hubschrauber landet und wir verfolgen die Fußspuren des Dickhäuters. Die Betäubungsdosis war riesig, aber das Weibchen hat es vor dem unausweichlichen Zusammenbruch ziemlich weit geschafft.

Sie hat eine Austrittswunde von der Größe eines Esstellers; die Wilderer haben sie in den Hals getroffen. Zum Glück ist es ein sauberer Durchschuss. Die Wunde eitert schon. Wenn wir nichts unternehmen, wird sie an einer Blutvergiftung sterben. Ich suche ihren Körper mit einem Metalldetektor nach Kugelfragmenten ab.

Der Tierarzt hat kaum Zeit für Sanftheit. Er stopft schnell Baumwolle in die klaffende Wunde und näht sie mit etwas, das aussieht wie Draht. Er muss die dicke Haut des Nashorns zusammenziehen und sich dabei reinhängen wie ein Lastwagenfahrer, der Ladung festzurrt. Als er halb fertig ist, warnt uns der Tierarzt, wir müssten das Nashorn drehen. Hast du nach einer durchzechten Nacht mal auf einem deiner Arme geschlafen? Wenn du so schwer wärst wie ein Nashorn, könnte dieser Arm am nächsten Morgen gelähmt sein—im Busch ein Todesurteil.

Es braucht sechs Mann, die ihre Füße in den Boden stemmen und drücken. Sie ist so schwer, dass wir sie vor und zurück schaukeln müssen, um Schwung aufzubauen. Ein Ranger rutscht ab und hat den Fuß unter dem Nashorn, als es wieder landet. Wir zählen bis drei und hieven es zusammen hoch, um ihn zu befreien. Der Tierarzt macht die letzten Stiche und injiziert ein Mittel gegen die Betäubung. Die Nashornkuh steht wieder auf, verstimmt aber eindeutig lebendig. Die Gefahr der Blutvergiftung wäre gebannt, doch wir wissen, dass die Wilderer sie nicht in Ruhe lassen werden.

In Augenblicken wie diesem waren der Hunger und die Schmerzen es wert. Doch Protrack hatte gewarnt, dass es sich bei der Firma um keine NGO handelt, und so richtig verstand ich das noch nicht, als ich noch zu Hause in Sydney war. Ich verstand es erst, als ich auf der Erde lag und ein Stück Schnur entscheiden sollte, ob ich nur mit einem Messer bewaffnet gegen Wilderer vorgehen würde.

Kann ich also an der Schnur ziehen?

Ich habe nie die Gelegenheit, diese Frage zu beantworten. Das Fahrzeug brummt an uns vorbei und es sitzen nur Ranger an Bord—keine Wilderer. Informationen, die uns später erreichen, deuten darauf hin, dass man sie vor unserer Observation gewarnt hat. Als ich das höre, bin ich enttäuscht. Ich bin nach Südafrika gegangen, um mich selbst auf die Probe zu stellen, und ich habe meine Gelegenheit verpasst.

Inzwischen habe ich etwas Abstand zu jener Nacht gewonnen und habe eingesehen, was für ein Glück ich habe. Wisani Baloyi, ein Ranger, der den Kurs kurz vor mir absolvierte, hatte diese Gelegenheit nicht mehr. Letzten Monat stellten ihm sieben Wilderer einen militärisch geplanten Hinterhalt, während er auf Patrouille war. Sie schossen ihm in die Oberschenkelvene; nach nur drei Minuten war er verblutet. Wisani war 20 Jahre alt.