Mit Chatbots verhält es sich bei der CSU wie mit jeder Form von technischem Fortschritt: Man hängt ein bisschen hinterher. Mit ihrem „Leo” getauften Facebook-Buddy gehen sie seit Kurzem auf potentielle Wähler los, doch der Versuch beweist vor allem eines: Der Begriff des Chatbots ist ein überaus dehnbarer. Das wird schnell deutlich, wenn man sich mit dem Tool denn tatsächlich einmal unterhält.
Leo wird eher von einem vagen Instinkt als tatsächlichem Intellekt gesteuert. Statt einer adaptiven und lernfähigen Künstlichen Intelligenz, die auf konkrete Fragen und einigermaßen verschachtelte Sätze zu reagieren weiß, spult das CSU-Modell eine vorgegebene Routine herunter, bei der lediglich die Reihenfolge der Inhalte beeinflusst werden kann.
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Nachdem er sich kurz vorgestellt hat, stellt mir Leo ein paar mögliche Gesprächsthemen zur Auswahl. Ich entscheide mich dazu, mit ihm zu „ratschen” (in der Hoffnung, es möge sich dabei tatsächlich nur um zwangloses Plaudern handeln), immerhin möchte ich wissen, mit wem ich es hier zu tun habe. Darauf ist der rhetorisch geschliffene Chat-Roboter natürlich vorbereitet: Mit zwei Kalauern bricht er sofort das Eis.
Doch seine Charmeoffensive hat gerade erst begonnen. Um mich besser kennenzulernen (und den simplen Algorithmus hinter seinen Antworten zu kaschieren), geht Leo in die Vollen und startet ein maximal subtiles Frage-Antwort-Spielchen.
Moment: Bayern-Stereotype und die Unfähigkeit, auf das Gesagte des Gegenüber einzugehen – sollte sich hinter Leo doch ein waschechter CSU-Politiker verstecken? Zeit, ihn mit einer gezielten Provokation aus der Reserve zu locken.
Nichts außer stoischer Gelassenheit. Sehr beunruhigend, aber womöglich eine gute Ausgangslage, um distanziert über politische Inhalte und andere Parteien zu diskutieren. Passenderweise möchte Leo ohnehin gerade über meine Lieblingspartei reden lästern.
Jetzt hat er mich an der Angel. Ich will näheres über seine Einstellung zu den Grünen erfahren. Doch darauf hat mein Chat-Kumpel nur gewartet: Endlich kann er Tacheles reden. Für den CSU-Chatbot brechen nun alle Dämme. „Bei den Grünen kann man eigentlich nur den Kopf schütteln! Die produzieren einen Gaga-Vorschlag nach dem anderen”, poltert Leo, bevor er seinen schier unerschöpflichen Meme-Vorrat anzapft.
Natürlich darf ein wichtiges Thema während dieser Meme-Tirade nicht fehlen: Marihuana. „Und dann wollen sie mal wieder Drogen legalisieren… Nicht mit uns!”, heißt es dann auch passenderweise unmittelbar vor diesem Photoshop-Meisterwerk.
Genug Partei-Gebashe. Ich möchte über aktuelle gesellschaftliche Debatten sprechen und schieße ein wenig aus der Hüfte. Nacheinander tippe ich mehrere Begriffe in das Chatfenster: Terror, Gleichberechtigung, Rente, Datenschutz. Wie der Politik-Profi, der er ist, vertröstet mich Leo ein ums andere Mal mit derselben Nachricht: „Oh! Da ich noch in der Lernphase bin, verstehe ich nicht alle Wörter und Zusammenhänge direkt. Ich lerne aber täglich hinzu. Versuch doch mal einen anderen Begriff.”
Unangenehmes Schweigen macht sich breit. Worüber sprechen mit einem Bot, der bis auf Memes und das Diskreditieren anderer Parteien wenig Gesprächsthemen kennt? Ich versuche es mit einer Frage zu Markus Söder, schließlich ist auch der dafür bekannt, auf der Datenautobahn der sozialen Netzwerke besonders rasant unterwegs zu sein:
Nun gut, schneide ich also eine weniger sensible Angelegenheit an: Martin Schulz. Fast glaube ich, ein geflüstertes „Na endlich!” hören zu können, bevor die folgenden pikierten Nachrichten eintrudeln.
Nun bleibt nur noch eins zu tun.
Auf der Suche nach Antworten hat sich Motherboard an die CSU-Pressestelle gewendet: Wer ist für die politischen Statements des Chatbots verantwortlich? Wird Leo künftig um weitere Funktionen erweitert? Und warum spammt er so viele Memes? Unsere Anfrage blieb bislang unbeantwortet.