Ich habe versucht, mich eine Woche lang durch Wien zu schnorren

Alle schlecht fotografierten Bilder sind von der Autorin.

Das liebe Geld und ich sind so eine Sache – ich kann nicht damit umgehen. So gar nicht. Man könnte fast meinen, ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich meine Finanzen mal doch im Griff habe. Und glaubt mir, ich habe schon alle “Super-Saver-Tipps” aus dem Internet ausprobiert. 

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Ich habe mir sämtliche Rechnungen aufgehoben und auf den Cent genau aufgeschrieben, was ich pro Tag ausgebe, nur noch bar gezahlt, nur noch mit Karte gezahlt, ein Sparkonto eröffnet und irgendwann mit 20 sogar mal meine Eltern darum gebeten, mir meine Kohle über den Monat verteilt zu überweisen. 

Geholfen hat nichts. Sobald sich gegen Ende des Monats doch noch ein kleines Plus am Konto erkennen lassen sollte, investiere ich zielsicher in das 1000. Paar schwarzer klobiger Lederboots – nicht die allerbeste Wertanlage, zugegeben.

Jetzt bin ich aber 25 und meine Studentenzeit ist langsam vorbei, kurz gesagt: Es ist nicht mehr das Geld der Eltern, das ich nicht habe – es ist mein eigenes. Ich habe also versucht, einer Woche lang meinem Konsumwahn zu fröhnen, ohne dabei (zu) tief ins Geldtascherl zu greifen.

Montag

Ein Packerl im Postkasten zu finden, fühlt sich ja immer ein bisschen so an wie ein Geburtstagsgeschenk. Ein Geburtstagsgeschenk, für das man allerdings selbst bezahlt hat. Schon schön, aber es verfehlt dann doch irgendwie seinen Sinn. Ich überlege mir, wie toll es wäre, wirklich und wahrhaftig den Geist von Weihnachten und Geburtstag zu spüren – an einem stinknormalen Montag im Februar.

Ich bin gefuchst und finde schnell eine Lösung. Ich erstelle eine zweite Mailadresse und melde mich bei gefühlten 1000 Newslettern an – ich schließe Test-Abos für Magazine und Zeitungen ab, bestätige per Klick, eine alte Katze zu besitzen und bekomme in den nächsten Tagen Duftpröbchen, Katzenfutter, Tampons und Vitamintabletten für Schwangere zugesendet. Außerdem kriege ich ein Maniküre-Set vom Kurier und die Dame von der Servicehotline bei der Krone verspricht, mir noch diese Woche ein Vorratsdosen-Set zukommen zu lassen. Sechsteilig. Ich nehme, was ich kriegen kann.

Ich fühle mich gut, scheine also auf dem richtigen Weg zu sein. Die letzten Stunden waren eine Mischung aus Überraschungstüte und Onlineshopping – ASOS lässt mich heute kalt. Aber natürlich hat alles auch seine Schattenseiten. Neben Tupperware und Feuchtigkeitscreme bekomme ich jetzt eben auch 2 Wochen lang täglich die Krone vor die Wohnungstür gelegt und muss mir noch überlegen, wie ich ob dieser Umstände den strafenden Blicken der Intellektuellen-Familie von nebenan entgehen kann.

Am Abend gehe ich noch ins Kino – ich packe mir Wurstsemmeln und Schokolade von zu Hause ein, fülle Leitungswasser in meine Trinkflasche, schmuggle mich damit am Kartenabreißer vorbei und verzichte auf die eigentlich obligatorischen Kinopopcorn – immerhin. Ich sehe es als seichten Start in mein Experiment.

Dienstag

Heute bin ich zum Abendessen verabredet. Um so wenig wie möglich auszugeben, schlage ich den Wiener Deewan vor. Hier wird soviel gezahlt, wie man für angemessen hält. Ich hole mir sicher dreimal Nachschlag bei den verschiedene Currys, esse süßen Grießbrei, trinke aber ausschließlich Leitungswasser. Mir ist es unfassbar peinlich, als ich am Ende an der Kassa nur drei Euro hervorkrame. Ich bin quasi Stammgast, liebe das Essen und gebe normalerweise das Dreifache. Der Kassierer bedankt sich aber nur lächelnd und ich für meinen Teil komme gar nicht schnell genug aus der Tür.

Weil der Spritzer aus Kostengründen ausfällt, habe ich mich um ein anderes Abendprogramm gekümmert – im MAK, dem Museum für angewandte Kunst, darf man jeden Dienstag ab 18 Uhr gratis in die Ausstellungen, was sich natürlich anbietet. 

Wofür ich eine Stunde zuvor noch 10 Euro hätte zahlen müssen, bekomme ich jetzt für lau – selbst die Garderobe kostet an diesem Tag nichts. Ich lege also meinen nach Curry stinkenden Mantel ab und vergesse langsam den Vorfall beim Deewan, während ich eingehend erotische Kunst aus Japan studiere und durch eine Gläsersammlung aus dem Biedermeier schlendere. High Life.

Als ich heimkomme, stehen dann auch noch Pizzareste von meinen Mitbewohnern im Wohnzimmer. Ich lade alles auf einen Teller, verbunkere mich in meinem Bett und stopfe ohne Rücksicht auf Verluste in mich hinein. Ich bin fest entschlossen, diese Woche durchzuziehen, ohne auch nur noch einen Cent auszugeben. 

Mittwoch

In der Früh stolpere ich bereits über die erste Ausgabe von der Krone und packe sie schnell weg. Mein Plan scheint zu fruchten. Es ist an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Ich will für meine heutige Verpflegung gar nichts mehr ausgeben und gehe selbstbewusst ohne Geldbörse aus dem Haus. Wie das funktionieren soll, kann ich mir bis jetzt aber noch nicht wirklich vorstellen und bediene mich deswegen rein vorsorglich besonders großzügig am Obstkorb der Redaktion.

Am Heimweg kommt mir dann allerdings die Idee – mit knurrendem Magen beschließe ich, über den Naschmarkt nach Hause zu spazieren. Anstatt wie sonst durchzuhetzen, jeden plärrenden Standler mit einem grantigen Blick zu strafen und überhaupt jedem in meinem Umkreis mit meinem Gesichtsausdruck zeigen zu wollen, dass ich kein Touri, sondern Wienerin allererster Güte bin, sage ich heute zu jeder mir angebotenen Kostprobe freundlich nickend “Ja gern”. 150 Meter, 30 Minuten, und zirka 20 Falafeln und gefüllte Datteln später bin ich satt. 

Mit fettverschmierten Lippen und vollem Bauch gehe ich am Margaretenplatz vorbei, bei dem auch einer dieser offenen Bücherschränke steht. Nach einigem Wühlen finde ich ein abgegriffenes Exemplar von Nick Hornbys Juliet, Naked im Regal; ich bin zufrieden. Das Abendessen kann ich mir sparen und eine kostenlose Abendgestaltung hab ich dank des Buches jetzt auch. Mission erfüllt.

Donnerstag

Ich habe zum Glück Freunde, die erfolgreicher sind als ich und danke dem Universum heute einmal mehr dafür. Eine davon feiert heute nämlich die Eröffnung ihrer Boutique. Nicht nur freut mich das schon mal grundsätzlich, weil ich eine gute Freundin bin und weiß, dass sie sich damit endlich ihren lang gehegten Traum erfüllt, für den sie ordentlich gearbeitet hat. Nein, diese Woche kommen dank meines kleinen Experiments noch ein paar wirklich essenzielle Gründe – genauer gesagt 4 – dazu: gratis Getränke, gratis Essen, gratis Konzert und ein Outfit für den Abend. Halleluja! 

Eine Runde auszugeben, bedeutet heute nicht mehr, als den Kellner noch einmal um Nachschub zu bitten und lautlos auf unsere leeren Weingläser zu deuten. Es ist der Himmel auf Erden. Für die weniger Gesegneten unter euch – Vernissagen, Lesungen und andere Eröffnungen locken gerade in der Hauptstadt fast wöchentlich mit ähnlichen Angeboten.

Freitag

Zurück in der Arbeit und dank des ganzen Gratis-Weins vom Vorabend auch noch verkatert, fange ich an, das alles zu bereuen. Bis jetzt musste ich zwar kein Geld ausgeben, gleichzeitig habe ich aber auch nichts mehr, das ich in mein heute geliefertes Plastikgeschirr von der Kronen Zeitung füllen könnte. Wieder bediene ich mich an Resten, die von gütigen Kollegen übrig gelassen wurden. Mein Mittagessen: Eine Scheibe Cheddar mit Kartoffel-Wedges.

Um mir meinen Nachmittagssnack zu sichern, schaue ich später noch zum Billa und mache mich auf die Suche nach abgelaufenen Lebensmitteln. Findet man solche, bekommt man das gleiche (und frische) Produkt gratis – aber vergebens, alles glänzt mir superfrisch und prall entgegen. Enttäuscht wandere ich zur Fleischtheke, lasse mir drei Wurstscheiben zum Kosten geben und ziehe ab.

Auch der Abendplan gestaltet sich eher schwierig – alles mit Eintritt fällt für mich flach und so bleibt eigentlich nur das Donau. Wir sitzen vorher noch daheim zusammen, ich trinke die abgestandene, halbvolle Flasche Weißwein vom letzten Wochenende. Meine Motivation ist am Tiefpunkt. Das macht auch das Donau nicht besser und ich fahr’ nach zwei Spritzern (die mir gnädigerweise ausgegeben wurden) wieder heim. Der Samstag muss besser werden.

Samstag

Nach dem Freitagsfiasko kommt mir im Halbschlaf die Idee. Zugegeben, mein Plan ist mies, ein bisschen billig sogar … aber ich bleibe dabei und lade nicht ganz uneigennützig meine Eltern ein, mich in Wien zu besuchen. Sie hören die Not in meiner Stimme und ein paar Stunden später stehen sie vor meiner Wohnungstüre – bereits mit der neuen Krone in der Hand. Es ist ein voller Erfolg. Ich gehe ins Theater, nippe an teurem Rotwein, und davor sind wir noch gemeinsam Abendessen. Ich bestelle so viel, dass ich mir die Reste – auch die meiner Eltern – in Alufolie einpacken lasse und mit nach Hause nehmen kann. Der letzte Tag kann kommen.

Sonntag

Mein Cousin schwärmt schon seit Wochen von seiner neu gefundenen Liebe zu Qi-Gong. Heute beschließe ich, mitzugehen – schließlich ist die Schnupperstunde gratis, solange man sich rechtzeitig per Mail anmeldet. Der Sifu Leo schreibt mir sofort zurück und ich bin im elitären Kreis aufgenommen. Der Gedanke, die Woche entspannt ausklingen zu lassen, fängt aber an, mir zu gefallen.

Als ich da so in Jogginghosen und ausgeleiertem Sweatshirt irgendwo in einer Turnhalle im Zweiten stehe, fällt mir aber langsam auf, dass mir mein Cousin etwas verschwiegen hat – es ist wohl mehr so etwas wie Selbsthilfe-Qi-Gong. Während der Stunde fangen einzelne Leute immer wieder an, Urwald-ähnliche Schreie von sich zu geben, sie wiegen sich hin und her und klopfen sich dabei auf den Schädel. 

Ich schaue ihn hilflos an, aber der zuckt nur mit den Schultern und meint, dass man eben auf verschiedene Arten seinen Energien freien Lauf lassen kann. Konzentrieren kann ich mich jedenfalls nicht mehr – höchstens darauf, nicht laut loszulachen. Ich bin anscheinend noch nicht bereit für die Tiefenentspannung. Immerhin wird danach noch gratis Tee ausgeschenkt.

Wieder daheim esse ich die Reste von gestern Abend und freue mich nach einem Vollbad mit einer der bestellten Nivea-Pröbchen darauf, ganz bald schlafen zu gehen, um diese Woche endlich offiziell als beendet anzusehen. Ich träume in dieser Nacht im Übrigen von einem Essensdate mit dem glatzköpfigen Qi-Gong-Lehrer.

Fazit

  • 3 Euro – Deewan
  • 7 Euro – Kino
  • 1,50 Euro – Spritzer (Super-Happy-Hour-Studenten-Rabatt)

Die letze Woche hat mich nur 11,50 gekostet, wenn auch nicht zuletzt, weil ich am Samstag ein bisschen geschummelt und die Eltern-Karte gespielt habe. Wirklich gelohnt hat es sich für mich trotzdem nicht – so gern ich mich auf Schnäppchenjagd mache, zu gratis Konzerten und Kinovorstellungen gehe, so unangenehm ist es mir gleichzeitig, wirklich um Rabatte zu fragen oder gratis Proben einzufordern. Mir fehlt dazu glaube ich einfach das richtige Maß an Dreistigkeit – besonders, wenn ich wie zum Beispiel beim Deewan ja gerne einen angemessenen Preis für eine Leistung bezahle.

Gespart habe ich aber nichtsdestotrotz – alleine für die Qi-Gong-Stunde hätte ich 25 Euro ausIegen müssen. Andererseits ist das wohl ein eher mieses Beispiel, denn wirklich gezahlt hätte ich für dieses Spektakel vermutlich ohnehin nicht. Apropos Qi-Gong – ich schreibe diese Zeilen im Bett liegend. Mein Rücken spielt nämlich nicht mehr mit. Ich weiß nicht, ob es an der Qi-Qong-Stunde liegt, ob ich mein Karma die letzten Tage zu sehr strapaziert habe oder ich schlicht alt werde. Was feststeht ist jedenfalls, wofür ich das gesparte Geld verwenden werde (müssen): für den medizinischen Masseur.

Ich habe übrigens auch immer noch eine Dose Katzenfutter zu vergeben. Falls Interesse besteht: Ihr wisst, wo ihr euch melden müsst.

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