Das lässt Maverick nicht auf sich sitzen: Die US-Navy will künftig lieber auf Drohnen statt auf bemannte Flugzeuge setzen. Düsenjets scheinen ihr aus der Zeit gefallen, zu langsam, ineffizient und so weiter und die Piloten auch einfach unzuverlässig. Maverick ist ein alter Draufgänger und passionierter Flieger und zeigt dem fiesen General, wie schnell er fliegen und was er dabei aushalten kann. 10g und mehr nämlich. Das Flugzeug, in dem er das beweist, zerschellt dabei am Luftwiderstand aber Maverick hat gezeigt: Er ist besser als jede Drohne. Er ist weiterhin die Zukunft des Luftkriegs.
10g sind sehr viel. Nämlich die Kraft, die bei zehnfacher Erdbeschleunigung auf einen Körper wirkt. Ein normaler Mensch ist da schon lange ohnmächtig. Man muss schon der beste Düsenjet-Pilot der Welt sein, um das auszuhalten. So wie Maverick, der das gleich zu Beginn des Films Top Gun: Maverick beweist.
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Das wird ihm im späteren Verlauf des Films noch zugute kommen, der so wahnsinnig geil, laut, dramatisch und schnell ist, dass ich mich nach dem Kino auf meinem Fahrrad selbst wie ein Düsenjet-Pilot fühle. Die Autos sind gegnerische Kampfflugzeuge, zwischen denen ich durchgleiten muss und gleichzeitig immer schneller, schneller, schneller werde, während mir das Adrenalin durch die Adern pumpt. “I feel the Need. The Need for Speed!” Doch bei aller Geilheit ist Top Gun: Maverick ein schrecklicher Film voller Militarismus, Glorifizierung von Krieg, alter Frauenbilder und Tom Cruise.
Der spielt den sehr, sehr guten Piloten Maverick, den wir in Top Gun von 1986 kennengelernt haben. Im zweiten Teil, 36 Jahre nach dem ersten, muss er eine Gruppe Piloten trainieren, die selbst als die besten ihrer Zunft gelten. Ausgebildet hat sie “Top Gun”, die Flugschule der US Navy, die den Soldatinnen und Soldaten “die verlorene Kunst des Luftkampfs” beibringen soll und “sicherstellen, dass die Handvoll Männer, die sie abschließen, die besten Kampfpiloten der Welt sein werden” So erklärt es uns eine Texttafel.
Maverick soll den jungen Luftkampfkünstlern zeigen, wie sie eine eigentlich unmögliche Mission erfolgreich abschließen können. In einem anonymen Land sollen sie eine unterirdische Urananreicherungsanlage zerstören, deren Eingang im Krater eines Berges liegt, der mit Flugabwehrrakten gesäumt ist und in dessen Nähe ein Flugfeld liegt, von dem aus supermoderne Düsenjets starten werden, wenn die Top Gunner zu hoch und damit ins Radarfeld fliegen. Um aus dem Krater wieder rauszukommen, müssen sie am Ende also fast senkrecht fliegen und damit 10g auf sich wirken lassen. Nicht einfach, ja eigentlich unmöglich, aber wer das kann, wissen wir zum Glück seit den ersten Minuten des Films.
Der Film Top Gun: Maverick ist im Prinzip der Film Top Gun – sie fürchten weder Tod noch Teufel. Einzelne Szenen sind fast identisch mit anderen aus dem ersten Teil, etwa wenn wir gleich zu Beginn die Arbeit auf einem Flugzeugträger sehen, halbnackte Muskelmänner beim sehr körperlichen Sport oder Düsenjet-Traininigssequenzen. Auch die Struktur ist sehr, sehr ähnlich. Die Rivalität innerhalb der Gruppe, die Liebesgeschichte, der Konflikt zwischen Maverick und einem seiner Schüler, dem Sohn des Mannes, der als Partner Mavericks im ersten Teil bei einem Trainingsflug starb und schließlich das Finale in der Luft. Würde man die Filme nebeneinander legen, fiele auf, dass der eine wie eine Schablone auf den anderen passt.
Hinzu kommen die ganzen Anspielungen auf den ersten Teil, der Gastauftritt Val Kilmers als Iceman und die ikonische Musik aus den 80ern, ohne die man den Film ohnehin nicht ernst nehmen könnte, weil jeder Mensch auf der Erde und in den Düsenjets darüber sie kennt, egal ob er Top Gun gesehen hat oder nicht. Take me to the Danger Zone!
Und das ist alles mega geil! Die Düsenjet-Szenen sind so gefilmt und choreografiert, dass man nicht nur fast immer weiß, was gerade passiert, sondern auch, dass man die Piloten – und die eine Pilotin – für ihre Manöver bewundert, mitfiebert, wenn sie von unten zwischen zwei Fliegern hindurchfliegen: Wo kam der denn jetzt her? Wie riskant die Mission am Ende wird, wissen wir von Anfang an und die Trainingsszenen zeigen uns, wie unmöglich es sein muss, das zu schaffen. Dadurch können wir dem Finale folgen und wissen, was auf dem Spiel steht, wenn der eine plötzlich doch viel langsamer fliegt als er sollte, wenn das Flugabwehrsystem zuschlägt oder die hypermodernen Flugzeuge der Gegner starten.
Dass die Männer sich nicht nur in der Mitte des Films beim Sport oberkörperfrei in den Armen liegen, sondern auch, wenn die Mission erfüllt ist, dass am Ende alle Figuren etwas über sich gelernt haben und dabei ein bisschen bessere Menschen geworden sind, macht mein Herz warm und meine Gänsehaut pockig.
Das Finale ist sowieso einfach nur krass. Eine Wendung nach der anderen und stets das Gefühl, dass es hier wirklich um etwas geht. Jeder Abschuss ist eine Genugtuung, jede Rakete, die unter einem der Flügel startet, entweder eine Gefahr oder eine letzte Chance. Es gibt ja diese Marvel-Filme, bei denen wir wissen, dass am Ende alles gut ausgeht. Aber im ersten Top Gun ist schon Mavericks bester Freund gestorben – warum nicht auch jetzt? Deswegen ist dieser Film spannend, selbst wenn die Figuren selbst, na ja, halt Action-Film-Figuren bleiben.
Und klar: Der Klassiker Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel war kein guter Film. Die Action-Szenen waren ganz geil, gerade für 1986, aber alles drumherum blieb seicht und wirkte eher wie ein kitschiger Werbeclip für eine Mischung aus US-Navy, Fitnessstudio und Herrenparfüm. Das Problem hat der neue Top Gun nicht mehr. Hier hat man von Anfang an das Gefühl, dass der Film auf etwas hinarbeitet und jede Szene auch einen Sinn hat. Und einen Spannungsbogen. Und im besten Fall Düsenjets, Flugmanöver, jede Menge g-Kraft und ein paar Explosionen.
Als ich also aus dem Kino komme, voller Adrenalin, und mit High-Speed nach Hause an den Schreibtisch radle, liebe ich jede Sekunde der vergangenen zwei Stunden. Ich überlege, wie viel g wohl gerade auf mich wirken. Auf normale Fahrradfahrer wirken so 0,2 bis 0,3g. Ich bin aber ein sehr schneller Fahrradfahrer, gerade jetzt. Wenn auf mich also etwa 0,5 bis 0,6g wirken, ist das sehr viel. Hoffentlich werde ich nicht ohnmächtig. Durch die Euphorie des Adrenalins blitzt trotzdem ein Zweifel in der Mittagshitze wie ein explodierender Düsenjet über dem Pazifik: Top Gun: Maverick hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Aber ich schäme mich für diesen Wahnsinn.
Denn natürlich ist das alles immer noch ein zweistündiger Werbeclip für die US-Navy. Und natürlich sind so ziemlich alle Botschaften in diesem Film dumm bis gefährlich. Und natürlich ist sein Hauptdarsteller ein verblendeter Sektenanhänger, der am Ende selbst ein Werbeschild für eine der unmenschlicheren Organisationen dieses Planeten darstellt. Aber Düsenjets, die zwischen einander rumfliegen, auf dem Kopf, fast senkrecht gen Himmel, die explodieren und explodieren lassen und dabei immer schneller werden? Geil.
Gleichzeitig findet das Finale in einem anonymen Staat statt, den die USA von ihrem Flugzeugträger einfach mal bombardieren. Sein Name wird nicht genannt, seine Piloten tragen schwarze Visiere – wen sie hier abschießen und in die Luft jagen, erfahren wir nicht. Das ist angesichts all der amerikanischen Militäroperationen auf der ganzen Welt schon zynisch und erinnert in seiner Verehrung des Militärs eher an die Reagan-Ära als an die eines Obamas – auch wenn der Film sich immer wieder gegen Drohnen und für den bemannten Luftkrieg ausspricht.
Überhaupt, diese fliegenden Waffen und die Verklärung des Tötens von oben beziehungsweise in der Luft als Kunst. Ich steige zum Glück nach dem Film nur aufs Fahrrad. Wenn ich aber könnte, würde ich mir, allen meinen Freunden und allen Staaten, die ich sympathisch finde, einen unendlichen Vorrat an Düsenjets kaufen und eine Horde Tom Cruises noch dazu, die nicht hinterfragen, wenn ich ihnen sage, dass sie in einem fremden Land in einen Berg hineinfliegen und da etwas in die Luft sprengen sollen.
Die Liebesgeschichte zwischen Noah (Jennifer Connelly), und Maverick ist moderner als die im ersten Teil. Wenn auch vor allem aus dem Grund, dass Tom Cruise die Frau, die er hot findet, diesmal nicht bis auf die Damentoilette verfolgt, um sie anzumachen. Trotzdem bleibt Noah als Charakter super flach, auch wenn sie Maverick anfangs ein bisschen piesacken darf. Wichtig ist ihr, dass ihre Tochter nicht mitbekommt, dass sie Sex mit Maverick hatte. Sie wolle kein schlechtes Vorbild sein, sagt sie und ob das eine zeitgemäße Herangehensweise an die weibliche Sexualität ist, nun ja?
Die Theorieeinheiten der Pilotin und Piloten finden derweil vor einer gigantischen Flagge der USA statt, ähnlich der, vor der General Patton im Film Patton seine hyperpatriotische Rede anlässlich des Eintritts der USA in der Zweiten Weltkrieg hält. Das wirkt angesichts der Anonymität des verfeindeten Staates überproportioniert (ob der Staat ein Feind ist, wird nie gesagt, wir wissen nur, dass ein Militärschlag nötig ist, damit er nicht mehr Uran anreichern kann).
Top Gun: Maverick ist ein militaristischer, kriegsverherrlichender Film voller billigem Patriotismus und Sexismus aber ohne echte Charaktere oder eine kluge Story. Er ist einfach nur geil. Und es ist mir egal, was ihr jetzt über mich denkt.
Bis er Top Gun: Maverick gesehen hatte, hätte Robert gesagt, er liebt im Leben nichts mehr als Fahrradfahren und dumme Actionfilme. Seitdem er den Film kennt, stehen auch Düsenjets auf dieser Liste. Folgt ihm auf Twitter und Instagram und VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.