“Ich hoffe, du kannst mit dem Echo leben” – Bushido und der Post-Beef mit einem “Hurensohn”

Fotos: Imago / Screenshot von YouTube aus dem Video “POST vs. BUSHIDO – RUNDE 1” von Bohemian Browser Ballett.

Alles begann mit einer beschaulichen Postfiliale am Hindenburgdamm 1 in Berlin. Versteckt und unscheinbar gelegen, fristete sie ihr Dasein als überflüssiges Relikt der alten Welt. So wie Torch. Bis ein gewisser  Anis Mohamed Youssef Ferchichi, besser bekannt als Bushido, sich vor kurzem auf Twitter negativ über die Service-Leistungen auf dem verschlafenen Postamt beschwerte. “Service und Freundlichkeit liegen im Minusbereich!!!”, hieß es dort unter anderem. Potzblitz! Auf solche Dinge wartet die oftmals zur Massendummheit mutierende Schwarmintelligenz bekanntlich nur. Der Erfinder des Gangster-Rap, wie er heute in Deutschland immer noch von 90% der Rapper zelebriert wird, nörgelt rum wie ein Schrebergärtner, dem man verbietet seine Reichskriegsflagge vor der dem Haus zu hissen. Ein gefundenes Fressen. Die ersten, spontanen Reaktionen waren dann auch erwartungsgemäß witzig. Allen voran “SpiesserBushido“. Nach fünf Tweets war der Witz zwar gegessen, aber fünf gute Jokes sind heutzutage ja auch schon eine Seltenheit. Otto (der Ostfriese mit den Guetta-Haaren) überlebt seit Jahrhunderten mit drei guten Jokes. Apropos gegessen. Bei Spiesser-Bushido gab es dann unter anderem solche Meldungen zu bestaunen, Schmunzelflips vorprogrammiert:

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Das Ganze wäre normalerweise nach wenigen Stunden abgelöst worden von einem Esel, der Motorrad fährt, Trumps neuestem Aussetzer oder einer coolen Wahnsinns-Idee von Jan Böhmermann. Aber bei Bushido gelten andere Regeln. “Wenn nicht mit Rap, dann mit der Pumpgun“, rappt Haftbehl. Bei Bushido gilt: Wenn nicht mit Spiegel.TV, dann mit Satire. Denn erstens ist er ein Rapper und zweitens ist er der Typ, der seit jeher auf der BILD-Titelseite landet, als Prototyp des “Wie werden wir den eigentlich wieder los?”-Migranten. Je gebildeter er sich ausdrückt, je größer seine Villen werden, je legaler sein Umfeld, desto mehr lechzt die dumpf-deutsche bis intellektuelle Mittelschicht danach, den Unverwüstlichen fallen zu sehen. Dabei wechseln sich Äußerungen wie, “Krimineller Araber-Clan – Alle abschieben”, “Wer interessiert sich denn noch für den?” und “Süß, der Gangster beschwert sich über die Post, mimimimi” im Sekundentakt ab. All diese Kommentare eint ein Wunsch: Bushido endlich in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu sehen. Größtenteils, weil sie es nicht ertragen können, dass ein Prolet jetzt zur Oberschicht gehört und das Leben lebt, dass uns als erstrebenswert verkauft wird. Mein Haus, mein Auto, meine Yacht.

Die Gründe für diesen Wunsch sind unterschiedlicher Natur. Manchmal ist es die Erinnerung an die bösen Jungs, die ihnen früher auf dem Schulhof die Trinkmilch geklaut haben, bei anderen ist es eine vollkommene Unfähigkeit das Metier Rap auch nur ansatzweise zu verstehen. Mal ist es simpler Rassismus, dann wieder Sozialchauvinismus, hauptsächlich aber einfach nur Neid und Missgunst. Vor allem aber ist es sehr einfach, sich besser als Bushido zu fühlen. Klüger, moralisch überlegen, alles eben. Man möchte nicht verstehen, dass dieser Typ mit Texten wie, “Guck die Ghettokids, sie nehmen meine Lebensweise an / Deine Mutter ist ‘ne Hure, weil sie Hefeweizen tankt” (Beste Punchline 2013) inzwischen ein riesiges Anwesen vor Berlin, mehrere Geschäfte (Meerwasseraquaristik ftw) und wie man hört auch eine Immobilienfirma sein Eigen nennt. Jede Gelegenheit wird genutzt, um ihm ans Bein zu pissen. Oft gerechtfertigt, aber nicht zielführend, noch öfter vollkommen zusammenhangslos und unsinnig.

Und da Bushido nun mal Klicks und Auflage verspricht, dauerte es nicht lange, bis sich die triste Humor-Fraktion auf das Post-Thema stürzte. Wenn es um Bushido geht, macht jeder gerne mit. Auch clevere Köpfe wie ein Shahak Shapira sind nicht davor gefeit, ein paar Facebook-Likes abzusahnen, wenn man sich darüber lustig machen kann, dass dieser Typ, vor dem man auf jeder Aftershowparty flüchten würde, es wagt sich über eine Belanglosigkeit zu beschweren. Guck mal, der harte Kerl hat auch ein normales Leben. Wer hätte das gedacht? Und dann kam FUNK. Das ist so etwas wie das BENTO für Videos. Oder andersrum, so genau weiß man das nicht. Das neue multimediale Angebot für Jugendliche von ARD und ZDF hat sich auf die Fahnen geschrieben, endlich mal Formate zu produzieren, die junge Menschen tatsächlich ansprechen. Nach den ersten Trailern, die man sich folgerichtig von der Agentur DoJo aka Muschi Kreuzberg designen ließ, hatte man wenigstens die Hoffnung, es könnte ganz viel um Money Boy und Katzen im Internet gehen. Pustekuchen.

FUNK ist die Bild und Ton gewordene Unfähigkeit, mit GEZ-Money einigermaßen erträgliche Shows zu produzieren. Dementsprechend kam man nun auf die grandiose Idee, ein Rap-Video zu drehen, in dem ein Postbote gegen Bushido schießt. Much Wow. Ganz abgesehen davon, dass nicht mal Oliver Pocher 2017 derart tief in die Trickkiste greifen würde, hat man es auch noch geschafft zu beweisen, dass man nicht die geringste Ahnung von Rap, Flavour, Grafik, Texten oder eben Humor hat. Wer da lacht, trägt auch T-Shirts von Mario Barth. Aber das ist ja was ganz anders, ich verstehe schon. Plötzlich ist es in Ordnung, wenn der fiktive Postbote den Rapper einen “Hurensohn” nennt. Es ist ja Satire. Das Argument der Kunstfiguren im Rap hingegen wird seit Jahren negiert. Von allen Seiten lachen die oberspießigen Kartoffeln über den kriminellen Schwarzkopf, der zum meckernden Rentner wird. Dabei lachen sie nur über ihre eigenen Eltern. Und über ihr zukünftiges Ich. Don’t shoot the Messenger, ihr werdet alle noch zum kleinen Bushido. Nur ohne die ganzen Annehmlichkeiten.

Bushido reagiert daraufhin so, wie es ein Rapper tut, den man als “Hurensohn” beleidigt. Er bedroht subtil den zuständigen Redakteur beziehungsweise Darsteller Christian Brandes per Videobotschaft. Eingebettet in die Ansagen zu seinem neuen Album natürlich, Promo-Beef lässt sich niemand entgehen. Der Ärger scheint jedoch echt zu sein. Und er ist verständlich, wenn auch falsch formuliert. Der Rapper, der weder Unschuldslamm noch Vorbild ist oder sein möchte und an dem es genug zu kritisieren gäbe (wenn man sich die Mühe machen würde), hat vollkommen Recht, wenn er sinngemäß feststellt: Du willst sein wie wir? Dann regeln wir das auch so, wie es bei uns geregelt wird. Das bedeutet nicht, dass ein Faustkampf immer eine adäquate Problemlösung darstellt, aber wie schon im Fall von Fler und dem Hausbesuch bei einem WELT-Journalisten, muss man feststellen: Wenn ihr euch in einen Ring stellt, dann muss man damit rechnen, dass es dort einen Gegner gibt. Bring ruhig jeden mit, den du kennst. Und ich komm auch alleine.

[Ab Minute 16:30]

Bushidos “Gegner” hat sich heute nun öffentlich geäußert. Brandes veröffentlichte ein Statement auf Schlecky Silberstein, in dem er versucht sich zu erklären. Dabei appelliert er an die Vernunft, weist auf seine Familie hin und macht verschiedene Vorschläge, wie man die Sache aus der Welt schaffen kann. Von einem persönlichen Treffen, über einen Selbst-Diss (bitte nicht!), bis hin zu einer Spenden-Aktion ist alles dabei. Der ein oder andere Joke wird natürlich auch noch eingebaut, damit die Gymnasiasten sich einreden können, dass sie eigentlich gar keine Angst haben. Dabei bleibt doch nur die eine Frage: Warum seid ihr so unlustig?

Bushido wiederum hätte bei dem bleiben sollen, was er gut kann: Leute gekonnt beschimpfen. Seine Erklärungsversuche zum Post-Dilemma sind auch eher überflüssiger Natur. Sein Vorwurf hingegen, die Medien würden Rapper immer noch nicht ernst nehmen, trifft voll ins Schwarze. Nach wie vor konzentriert man sich darauf, ein paar böse Zeilen rauszusuchen und den Künstler damit zu konfrontieren. Eine Musikrichtung, die längst Jugendkultur, Charts, Werbung und den Mainstream allgemein dominiert, wird in der (deutschen) Öffentlichkeit immer noch durch peinliche Gesten und ein “Isch fück disch” untermalt. Halbwegs seriöse Versuche scheitern durch die Bank. Vor kurzem war dies mal wieder im ZDF zu beobachten, wo man sich nicht mal die Mühe gemacht hat, die offensichtlich hanebüchenen Schnitte zu vertuschen.

Die deutsche Medienlandschaft ist und bleibt ein Rentner-Paradies und ein Spielplatz für alle, die sich schon von der Uni kennen und lieber unter sich bleiben wollen. Das Ergebnis spricht Bände. FUNK hat ein Jahres-Budget von 45 Millionen. Der Content der dabei herumkommt, lässt darauf hoffen, dass sich irgendein Mitarbeiter heimlich die Taschen vollmacht und inzwischen einen goldenen Privatjet und einen Lamborghini-Fuhrpark besitzt. Die wenigen guten Formate, wie etwa das des Bloggers Rayk Anders, gab es im Prinzip schon vorher, man hat sie lediglich eingekauft. 

Auch Bushido klagt empört darüber, dass sein GEZ-Geld missbraucht wird, um unlustigen Schwachsinn zu produzieren. (Natürlich, er meckert ja sehr gerne). In Zeiten von “Forsthaus Falkenau” und dem großen “Sommerfest der Volksmusik” sind das allerdings keine Breaking News. Dennoch ist und bleibt es ein Rätsel, wie man 2017 immer noch denken kann, es wäre witzig, eine sächsische Variante von “Die Nackte Kanone” zu drehen und den “Kids” das Ganze als den neuen “heißen Scheiß” zu verkaufen. Der Film stammt von 1988. Und Sachsen-Witze sind älter als Didi Hallervorden. Wie kann man nur?

Falls das jemand in verantwortlicher Position liest: Das Ganze ist durchaus als Bewerbungsschreiben zu verstehen. Wobei ihr mich gar nicht braucht. Drei besoffene Schimpansen könnten den Job besser machen. Mic drop!

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