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Sex

Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, was meine Brüste über mich aussagen

Was haben Schnitzel und Sex gemeinsam? Laut einer neuen Studie ziemlich viel. Warum wir pseudowissenschaftliche Sexstudien endlich ignorieren müssen.

Foto: Jonathan Klinger | Flickr | CC BY-SA 2.0

Studien sind eine ziemlich tolle Sache für Redaktionen. Man muss sie nie ganz lesen, weil die Hauptpunkte zu Beginn meist übersichtlich zusammengefasst sind, im Idealfall halten sie irgendwelche neuen Erkenntnisse bereit und selbst wenn das Ganze nicht mehr ist als wiedergekäute Informationen, die man so schon hundertfach gelesen hat, gibt es doch noch genug Leute, die auf Überschriften wie „Das treiben die Österreicher WIRKLICH im Bett!" klicken.

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Während mal mehr, mal weniger repräsentative Erhebungen zu Konsumgewohnheiten oder der allgemeinen Stimmungslage der Nation einen nicht interessieren müssen, aber auch nicht so richtig stören können, gibt es einen speziellen Forschungsbereich, der mir mittlerweile ziemlich bitter aufstößt: Studien zu sexueller Attraktivität. Wer bisher dachte, dass das menschliche Begehren etwas Hochkomplexes ist, was nicht nur auf persönlichen Präferenzen, irgendwelchem gruseligen psychoanalytisch auszuwertenden Scheiß aus der Kindheit, sondern schlussendlich eben auch auf inneren Werten und Sympathie aufbaut, könnte nämlich falscher nicht liegen.

In schönster Regelmäßigkeit werden wir mit neuen Erkenntnissen zu präferierten Körbchengrößen, der idealen weiblichen Figur und der Frage, wie viel Frauen und Männer eigentlich verdienen dürfen, um als sexuell attraktiv wahrgenommen werden, bombardiert. Der Erkenntnisgewinn tendiert dabei in aller Regel gen null. Nicht zuletzt auch, weil sich die Studien permanent widersprechen. Mal gilt es in unserer Gesellschaft gerade deswegen als erstrebenswert, dünn zu sein, weil man somit zeigt, dass man dem Überfluss nicht nachgibt, sondern diszipliniert ist. Dann wieder wird in wirtschaftlich unsicheren Zeiten der Wohlstandsbauch als Statussymbol ausgerufen.

Der ultimative Guide zu großen Brüsten—für Männer.

Einerseits legen Männer angeblich Wert auf breite Hüften, weil ihnen das auf irgendeiner tieferen Bewusstseinsebene suggeriert, dass es somit zu weniger Komplikationen bei der Geburt kommt. Dann wieder sollen sie vor allem deshalb auf helle Frauenstimmen ansprechen, weil die einen „zierlichen Körperbau" suggerieren. Ebenso interessant wie fragwürdig ist dabei natürlich auch, dass den Leuten, die Frauen auf ihr Aussehen reduzieren, jede Menge vermeintlich wissenschaftliche Argumente an die Hand gegeben werden. Jemand verlässt seine Partnerin für eine Jüngere? Er ist kein Arschloch, er kann nicht anders. Ein Wunder, dass „Sorry Schatz. Es liegt nicht an dir, es liegt an meiner genetischen Disposition!" sich bisher noch nicht als Nummer-Eins-Schlussmachsatz durchgesetzt hat.

Im Zentrum des heterosexuellen männlichen Lustempfindens steht übrigens die Brust—zumindest legen das die zahlreichen wirklich total wissenschaftlichen Studien nahe, die sich immer und immer wieder mit dem weiblichen Oberkörper auseinandersetzen. Nachdem wir in der Vergangenheit lernen durften, was die Körbchengröße über sexuelle Vorlieben aussagt, gibt es nun eine neue Studie, die dem Fass endgültig den Boden ausschlägt. „Der hungrige Mann braucht viel im Körbchen" heißt es bei der Bild, die sich auf eine US-amerikanische Untersuchung und den Psychologen Stuart Fischoff bezieht. Und was soll man sagen … irgendwann reicht's auch mal. Echt jetzt.

Ein „pralles Dekolleté" suggeriert also „Nahrungssicherheit" und wird ab dem Moment deutlich weniger interessant, in dem der paarungswillige Mann „eine Portion Pommes und ein Schnitzel" intus hat? Was genau soll das für uns bedeuten? Sollten Männer, die sich an den immer noch nicht losgewordenen Babypfunden ihrer Frau stören, ihre Nahrungsaufnahme bewusst einschränken? Werden Frauen mit kleinen Brüsten jetzt auf Push-up-BHs verzichten können, solange sie nur immer ein Schnitzel in der Handtasche haben?

Noisey: Der Sexismus der Musikindustrie wird endlich angeprangert.

Gäbe es eine Blaupause für prätentiöse Waschküchenpsychologie, es wäre wohl diese Erkenntnis. Und das bringt uns dann auch schon wieder zum eigentlichen Problem: der kompletten Willkürlichkeit vermeintlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse, die suggerieren, dass jeder Mensch auf die gleichen sexuellen Reize anspringt, wenn er sich in einer bestimmten Lebenssituation befindet. Wir sollten uns davon nicht verrückt machen lassen, sondern Nachsicht walten lassen mit den Leuten, die sexuelle Anziehung und Emotionen in bestimmte Schemata pressen möchten. Eigentlich ist der Wunsch danach nämlich deutlich trauriger als die Annahme, dass wir alle nichts anderes sind als Opfer unserer Triebe.