Illegale Raves und Peitschenhiebe – Im Gespräch mit den Protagonisten von ‘Raving Iran’

Alle Bilder von Leisure Music Productions

Ein kurzer Ausflug in die Vergangenheit: 1979 wurde Persien zur islamischen Republik von Iran, unter der Machthabe von Ayatollah Khomeini und mit dieser Regierung sind auch viele strenge Regeln gekommen. Vor allem, was die Musik anbelangt: Fast alles, was Musikschaffende im Iran tun, muss von der Regierung abgesegnet werden, Frauen dürfen nicht auf einer Bühne singen und elektronische Musik ist generell verboten.

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Im Iran gibt es also keine Raves – Techno und House sind im islamischen Land einfach nicht erlaubt. Unter dem Perser-Teppich der Verbote, schlummert allerdings eine lebendige Untergrund-Bewegung. Eine lebendige und jugendliche Subkultur, die für ekstatische Freiheitsgefühle alles aufs Spiel setzen.

“Es ist uns nicht erlaubt, zurück in den Iran zu kehren.”

Anoosh und Arash aka Blade and Beard, heißen zwei junge DJs aus Teheran, die im Mittelpunkt dieser Szene stehen. Sie veranstalten illegale Raves in der Wüste, auf denen unverheiratete Männer und Frauen sogar gemeinsam feiern. Die Party, das Feiern, die Musik, all das ist ein äußerst gefährliches Unterfangen, dass – wie soll es anders sein – ohne Genehmigung von der deutschen Regisseurin Susanne Regina Meures verfilmt wurde. Sie zeigt in Raving Iran den Kampf der beiden DJs und schildert hautnah die Perspektivenlosigkeit einer ganzen Generation unter einem religiösen Diktat.

Wir haben das DJ-Duo, zum Interview gebeten: Heute um 21:00 Uhr und um 23:00 Uhr findet die Kino-Premiere im Filmcasino Wien unter der Anwesenheit der beiden Protagonisten statt. Danach könnt ihr sie live ab 22:00 Uhr auf radio FM4 hören und wer dann noch immer nicht die Füsse still halten kann, darf sich bitte zum legalen Rave im Opera Club begeben, dort legen Blade + Beard ab ca 1:30 Uhr auf. Solltet ihr die zwei Mal buchen wollen, so meldet euch bei der Booking-Agentur Dorian Artists, die von Human Rias betrieben wird.

Noisey: Was ist Musik für euch und was bedeutet sie euch?
Blade + Beard: Musik ist unsere Leidenschaft und unser Weg, Freiheit zu fühlen. Musik ist unser Leben und diese Freiheit fühlen zu können, gibt uns die Fähigkeit, unser Publikum und auch uns selbst auf eine Reise mitzunehmen.

Die Zensur im Iran ist sehr heftig. Wie kommen junge Leute an Musik, die dort verboten ist?
Das Internet im Iran ist sehr beschränkt nutzbar. Beatport ist jedoch noch kein Opfer der Medienzensur geworden und einen Weg, die Blockade zu durchbrechen, gibt es mit VPN irgendwie immer. Es mag zwar schwieriger sein, an die Musik zu kommen, aber möglich ist es definitiv.

Wie seid ihr in Berührung mit elektronischer Musik gekommen?
Ein Freund aus den Staaten hat uns CDs von Sasha und John Digweed mitgebracht. So haben wir das erste mal Electro gehört.

Wie schauen Electro-Raves im Iran eigentlich aus? Abgesehen von der illegalen Musik, die da läuft, werden da auch illegale Substanzen konsumiert?
Electro-Raves sind nichts Übliches hier. Allgemeine Aussagen lassen sich also sowieso recht schwer treffen, einzig der Fakt, dass man bei der Planung sehr vorsichtig sein muss. Außerdem sollte man die Infos nicht an die falschen Leute weitergeben und sich sein Publikum richtig aussuchen. Illegale Substanzen finden sich in jeder Gesellschaft in jedem Land wieder. Ich würde nicht sagen, dass Drogen nur spezifisch in der elektronischen Szene konsumiert werden. Genauso wie der großartige Seth Troxler gesagt hat: “Drogen sind kein Problem der Musik, sondern ein Problem der Gesellschaft.”

Noisey: Wie erfährt man überhaupt von dieser Art von Untergrund-Rave?
Das funktioniert durch reine Mundpropanda.

Noisey: Ihr wirkt beide sehr mutig und ihr seid nicht vor dem Schaffungsprozess dieses Flms zurückgeschreckt. Wie genau hat das seinen Anfang genommen?
Die deutsche Filmemacherin Susanne Meures hat uns durch ein kurzes Instagram-Video entdeckt und dann versucht, uns zu kontaktieren. Sie ist durch Couch-Surfing bei uns untergekommen und so hat das Ganze gestartet.

Noisey: Hattet ihr Probleme, mit einer Frau durch den Iran zu reisen, die weder eure Mutter, Tochter oder euer Beziehungspartner war? Haben die Leute Fragen gestellt?
Als Frau im Iran zu sein, ist jetzt nicht das Problem gewesen. Das ganze illegale Filmen war die Herausforderung – man muss so vorsichtig sein. Wenn man beim Filmen ohne Genehmigung erwischt wird hier, heißt das Ärger.

Noisey: Könnt ihr ein paar andere DJs aus dem Iran nennen, die euch gefallen?
Es sind nicht wirklich viele DJs aus der iranischen Szene im Iran geblieben. Aber wir mögen viele. Unter anderem Dubfire, Habischman. Von denen ist aber niemand mehr hier.

Noisey: Könnt ihr in einem Satz zusammenfassen, was der große Unterscheid zwischen der iranischen und der europäischen Szenekultur ist?
Europa hat eine existente Szene, die groß und vor allem legal ist. Es gibt die unterschiedlichsten elektronischen Genres, Clubs, Festivals und Open Airs – all das gibt es im Iran nicht.

Noisey: Könnt ihr eigentlich zurück in eure Heimat?
Es ist uns nicht erlaubt, zurück in den Iran zu kehren.

Noisey: Wie sieht eure nahe Zukunft aus?
Wir werden Ende des nächsten Monats unser eigenes Label launchen. “Futurist” soll das Ganze heißen und unter diesem Label wollen wir dann auch unsere erste EP veröffentlichen – am 23.06.2017. Berlin ist und wird immer ein toller Ort zum Leben sein, aber wirklich sicher, wo uns die Musik, die wir machen, hintreiben wird, kann niemand sagen.

Die Jungs legen übrigens auch am Lighthouse Festival auf. Ihr habt keine Karte bekommen und wollt aber unbedingt hin? Dann ist das hier vielleicht eure letzte Chance. Noisey verlost Tickets, genauer informieren kann man sich hier.

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