Das Hauptquartier von Kink.com. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung des Autoren.
Kurz nachdem die US-Nationalgarde 1976 die Waffenkammer in San Francisco räumte, wurde das ehemalige Hauptquartier als historisches Denkmal eingetragen. Das bedeutete für die potentiellen neuen Eigentümer des orientalistischen 8000-Quadratmeter-Schlosses aus roten Ziegeln, dass keine größeren architektonischen Änderung erlaubt sein würden. Deshalb stand das Gebäude 30 Jahre lang mehr oder weniger leer. Das Problem war, es musste sich ein Millionär als Käufer finden, der nicht nur einen Berg flüssigen Geldes hatte, sondern auch den Wunsch, ein Gewirr an schmuddeligen Verliesen zu besitzen—selbst in San Francisco keine leichte Aufgabe.
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Bis Peter Acworth auftauchte. Dem Erfolg seiner Seite, Kink.com, nach zu urteilen, waren bereits jede Menge Leute mit den Freuden eines gut gezielten Peitschenhiebs vertraut, bevor EL James all diese Taschenbücher verkaufte. 2006 war Peter Acworth in der Lage, lässige 14,6 Millionen Dollar für die San Francisco Armory auf den Tisch zu legen und sie in das größte BDSM-Pornostudio der Welt zu verwandeln. Kink.com und ihre diversen Tochterseiten produzieren jetzt jede Woche Stunden über Stunden Hardcore-Pornos. Kein Wunder, dass hier so viel Gleitmittel verbraucht wird.
Ich dachte, es wäre eine gute Idee, nach San Francisco zu reisen und mich für die tägliche 25-Dollar-Führung anzumelden, um einen Blick ins Studio werfen zu können.
Und so fand ich mich auf Knien in einem der Dungeons wieder. Das erste, das einem auffällt, wenn man dort unten ist: Die Böden mögen vielleicht so aussehen, als bestünden sie aus hartem, rissigem Beton, doch sie sind in Wirklichkeit mit weichem, federndem Gummi bedeckt. Dane, der auf Kink.com unter dem Pornonym „Bastian” auftritt, ist unser Führer durch die Studios.
Er ist einer diese konventionell gutaussehenden, extrem amerikanischen Typen, die so gesund und gestriegelt wirken, dass es vor einer anderen Kulisse schon geschmacklos wäre. Bei seinem Anblick denkt man nicht sofort „Sex-Freak”. In einem anderen Leben hätte er einen großartigen Zeugen Jehovas abgegeben.
„Wir tun unseren Models nicht gern weh”, sagt er in Bezug auf die Gummiböden. Dann grinst er breit und schelmisch. „Na ja, natürlich tun wir unseren Models schon gerne weh …
aber nur auf die vereinbarten Arten.”
Es gibt eine ganze Welt verschiedener Kink.com-Sets unten in den Dungeons, die ihre verschiedenen Webseiten bedienen—insgesamt sind es 24. Das erste ist „Ultimate Surrender”, ein collegeartiges Ringturnier für Frauen. Teil des Reizes hier ist, dass es sich um eine tatsächliche Sportveranstaltung handelt—anders als beim Profi-Wrestling gibt es aber kein Drehbuch. Die Wettkämpferinnen kriegen einen Bonus, wenn sie gewinnen, und so gehen sie wirklich aufs Ganze, um ihre Gegnerinnen am Boden festzunageln.
Da es sich hier um Pornos handelt, kriegen sie natürlich auch Punkte fürs Ausziehen, Fingern oder sogar fürs „Motorboating” der Gegnerin. Einmal monatlich lädt Kink.com ein Studiopublikum ein, dass an den Nebenlinien Plakate hochhält, um seine Favoritinnen zu unterstützen, und „Setz dich auf ihr Gesicht!” schreit, so laut es kann.
Um die Ecke vom „Ultimate Surrender”-Ring gibt es „Naked Combat”, die männliche Alternative, die wie eine nicht-jugendfreie Version von Fight Club aufgezogen ist. Weiterhin gibt es da die Käfig- und Kettenzimmer, die für Kinks Dauerbrenner-Serie „The Training of O” verwendet werden. Die Serie basiert auf dem französischen Erotik-Klassiker Geschichte der O, welcher 1954 von Anne Desclos unter dem Pseudonym Pauline Réage verfasst wurde und … sagen wir einfach: Fifty Shades wirkt im Vergleich ganz schön zahm.
In diesem Studio lässt Kink seine „Sklavinnen” einige der körperlich und psychisch strapaziösesten Pornografien durchstehen, die man sich nur denken kann. Der Regisseur der Serie, James Mogul, ist berüchtigt dafür, seine Models einen Spießrutenlauf der „Sklaventrainingsübungen” durchmachen zu lassen, sodass selbst erfahrene Pornostars am Ende etwas zum ersten Mal gemacht haben. Dem ganzen haftet etwas Impro-mäßiges an, was ihn vermutlich zu so etwas wie dem Mike Leigh der BDSM-Szene macht.
Als ich das Studio verlasse, sehe ich ein Schild, das das Personal daran erinnert, wie sauber und vorsichtig sie arbeiten müssen. „!!! Immer OP-Handschuhe tragen, wenn ihr etwas anfasst, das mit
Körperflüssigkeiten in Berührung war !!!” fängt es an, bevor es das Personal instruiert, immer dazwischen die Handschuhe zu wechseln, wenn „verschiedenes Spielzeug berührt wird”. Es ist die Antwort der Hardcore-Welt auf diese Schilder in Bürotoiletten, die einen daran erinnern, sich die Hände zu waschen.
Nach den Dungeons kommen noch mehr Sets. Diese werden für Videos wie „Bound in Public” oder „Bound and Disgraced” verwendet, also sind sie so eingerichtet, dass sie aussehen wie die echte Welt da draußen. Es gibt Häuser, Bars, Arztpraxen, Gefängniszellen und Klassenzimmer, die alle perfekt detailgetreu im Keller der Armory nachgebildet wurden. „Wenn wir bei den Gleichungen an der Tafel, vor der die Leute ficken, einen Fehler machen”, sagt er, „dann schreiben uns die Leute deswegen.”
Wir gehen den ganzen Weg zum obersten Stockwerk des Gebäudes hoch und betreten etwas, das ein herrschaftliches Zuhause wäre, wären da nicht der antike gynäkologische Tisch und die ganzen expliziten Hardcore-Porno-Porträtgemälde an den Wänden. Eine der Statuen, die für das meiste Stirnrunzeln sorgt, ist eine nackte, vollbusige Frau, gefertigt von Carol Acworth—der Mutter des Chefs. Nachdem sie damit fertig war, vervollständigte ihr Sohn Peter das Stück, indem er es mit
Bondage-Seilen zuschnürte. Eine echte Familienangelegenheit.
Dies ist der „Upper Floor”, Kink.coms Privatklub für Mitglieder. Es ist im Grunde genommen Downton Abbey, nur mit Ballknebeln und mehr Leder als in Kanyes Garderobe. Auf dem Upper Floor spielen Models bei regelmäßigen Partys vor einem handverlesenen Publikum aus BDSM-Fans Meister-Sklave-Fantasien nach. Es gibt eine strenge Gästeliste, man kann also nicht einfach so hineinspazieren, nachdem man ein paar Videos gesehen hat und sich nun für den nächsten Christian Grey hält. Man muss sich die Einladung verdienen, indem man sich bei einer von San Franciscos BDSM-Nächten einem Typen namens Maestro Stefanos vorstellt, und ich schätze, Typen die sich „Maestro Stefanos” nennen, wissen, was sie mögen und was nicht.
Was am Upper Floor besonders interessant ist: Die Partys werden per Livestream übertragen, und Menschen aus aller Welt loggen sich ein, um zuzusehen und mit Teilnehmern und Fans zu chatten. Das heißt, dass BDSM-Fans in Hintertupfingen, für die es so gut wie unmöglich sein kann, jemanden zu finden, der ihre Vorlieben teilt, nun das, was Dane „Übertragungen aus dem kinky Mutterschiff” nennt, empfangen können. Das scheint der Grund zu sein, warum Kink.com so ein Erfolg geworden ist. Das Internet mag zwar voll mit gratis Pornos sein, aber die Leute haben immer noch einen Fetisch fürs Gemeinschaftliche.