Kaum einer kennt seinen Namen, aber jede Menge Leute kennen seine Meinung. Wenn du dich je auf IMDb über einen deutschen Film informiert hast, bist du vermutlich auch auf eine Review von Kosmas Pachinteridis gestoßen. Mit mehr als 4.800 Kritiken ist er einer der aktivsten Nutzer der Seite.
Der Absolvent einer Drehbuchschule verkauft in Stuttgart Kinotickets, Popcorn und Eis. Er ist der Mann, der deinen leeren Cola-Becher wegräumt, wenn du ihn nach dem Film im Kinosaal liegen lässt. Auf Amazons Filmdatenbank IMDb hat Pachinteridis einen goldenen Pokal – diesen Badge bekommen nur ein bis zwei Prozent der 250 Millionen monatlichen Nutzer.
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Wer Pachinteridis googelt, entdeckt auch schnell sein IMDb-Künstler-Profil. Das hat er aber nur, weil er in ein paar Filmen “durchs Bild gelaufen” ist, wie er sagt. Die meisten Spuren hat Pachinteridis als Filmkritiker hinterlassen. Ob Schnulzen, Zombie-Splatter oder Arthouse-Filme, in seiner Freizeit rezensiert der 42-Jährige permanent Filme. Und er hat nicht die geringste Lust, damit aufzuhören.
VICE: An manchen Tagen postest du sechs Kritiken auf einen Schlag. Wie machst du das?
Kosmas Pachinteridis: Das kommt einfach so, wie ich Zeit habe. Ich notiere mir alles, was ich gesehen habe. Dann setze ich mich irgendwann an den PC, arbeite meine Liste ab und kommentiere die Filme. Gerade bin ich erst beim Fantasy Filmfest aus dem Sommer angekommen. Ich habe auch noch verdammt viele Filme auf meiner To-watch-Liste.
Warum schaust du dir die Filme nicht einfach nur an, und gut ist?
Die Reviews sind für mich wie eine Bibliothek. Immer wieder werde ich gefragt, was ich empfehlen kann. Heute von Bekannten, früher von Kunden der Videothek, in der ich gearbeitet habe. Durch meine Reviews weiß ich immer, was ich gesehen habe und wie ich es fand.
Wie viel Zeit steckst du in dein Hobby?
Ich weiß nicht, ob man das noch als Hobby bezeichnen kann. Es ist eine Leidenschaft. Ich bin von Leuten umgeben, die auch gerne Filme gucken. Wahrscheinlich verbringe ich damit genauso viel Zeit wie mit meiner Arbeit. Ich bin momentan Single, deswegen ist das zeitlich ganz gut zu schaffen. Meine Schwester und ihre Familie wohnen im gleichen Haus wie ich. Da schaue ich also auch mal mit meiner Nichte Big Bang Theory.
Nervst du deine Freunde damit, dass sie mit dir ins Kino gehen sollen?
Das Gefühl hatte ich bisher nicht. Aber es wäre möglich. Im Kino hat ein Kollege darüber gewitzelt, dass ich die Leute dazu zwinge, die Filme nicht auf Deutsch zu sehen. Da hab ich gesagt: “Hey, wenn die einen Film mit mir gucken wollen, dann halt im Original.” Schon möglich, dass einige zumindest temporär genervt waren.
Mit welchen Macken müssen sich deine Freunde abfinden, wenn sie mit dir im Kino sind?
Keine. Ich bin ein ruhiger Genießer und stöhne nicht ständig auf. Es ist eher so, dass andere Leute mich stören. Ein Kumpel von mir redet ständig und kommentiert alles. Darauf reagiere ich einfach nicht. Sowas ist nur in Ordnung, wenn einem ein Easter-Egg im Film auffällt. Alle anderen Kommentare gehen gar nicht.
“Freunde werfen mir vor, dass ich in meinen Kritiken zu nett bin.”
Wäre eine Partnerin mit schlechtem Filmgeschmack OK für dich?
Klar. Selbst wenn sie relativ wenig Filme anschauen wollen würde, wäre das okay. Und schlechter Filmgeschmack, das setzt ja voraus, dass ich meinen Geschmack für super halte. Aber das mache ich nicht.
Was, wenn deine Partnerin im Kino ständig reden würde?
Das würde ich relativ früh ansprechen. Wenn man sowas früh sagt, artet es auch nicht aus. Bei dem Kumpel, der immer quatscht, habe ich diesen Punkt leider verpasst.
Und wirklich schlechte Filme – würdest du die mit deiner Partnerin auch schauen?
Ja, manchmal sind die ja auch unfreiwillig komisch und unterhaltsam. Ich würde dann aber nicht so offensichtlich zeigen, dass ich ich den Film total schlecht finde.
Aber dann könntest du keine Kritik dazu schreiben. Sonst fliegst du auf.
Stimmt, das müsste man dann mal aushandeln. Vielleicht mit einem Vertrag, worüber ich Kritiken schreiben darf und worüber nicht …
Wie böse darf eine Filmkritik eigentlich sein?
Sie darf auf keinen Fall beleidigen oder persönlich werden. Trotzdem darf sie ehrlich sein und deswegen auch hart. Freunde werfen mir manchmal vor, dass ich in meinen Kritiken zu nett bin. Ich finde aber, Menschen sind sensibel und nehmen sich sowas zu Herzen.
Was war der schlechteste Film, den du in deinem Leben gesehen hast?
Loos Ornamental. Den hab ich mal auf der Berlinale gesehen. Für diesen Film habe ich kein Verständnis. Das ist eine Dokumentation über einen Architekten namens Loos. Am Anfang steht jemand vor dem Grab von diesem Loos und sagt, dass es nun um sein Lebenswerk geht. Aber in dem Film bekommst du nur Gebäude zu sehen, keine Erzählung, keine Informationen. Man könnte sich auch ein Bilderbuch angucken.
Hast du über Loos Ornamental dann deine fieseste Kritik ever geschrieben?
Ja. Ich glaube, ich habe geschrieben: Wenn es so ein Film auf die Berlinale schafft, dann kann dort jeder einen Film unterbringen.
“Deutsche bekommen nicht mit, wie schlecht Steven Seagal ist.”
Zu dem deutschen YouTuber-Film Kartoffelsalat schreibst du: “Es ist ein Autounfall, den man schon 100 Meilen entfernt kommen sieht. Wenn ihr ihn euch trotzdem anseht, seid ihr selber schuld.” Was würdest du den Machern des Films sagen, wenn sie jetzt vor dir stehen würden?
Ich würde nicht von mir aus auf die Leute zugehen und sagen: “Hey, was ein Scheiß! ” Aber ich würde auch nicht lügen, wenn sie mich fragen.
Bei welchen Schauspielenden fällt es dir schwer, objektiv zu bleiben?
Ich liebe Anna Kendrick. Die ist einfach total super und deswegen kann sie für mich auch fast nichts falsch machen. Anders ist das mit Steven Seagal. Weil viele Deutsche Filme nur in der Synchron-Fassung gucken, bekommen sie gar nicht mit, wie schlecht der Mann tatsächlich ist.
Was war dein erster Kinofilm?
Die unendliche Geschichte. Aber andere Filme haben mich mehr geprägt. Vor allem King Kong, die Verfilmung aus den 70er Jahren. Auch wenn viele den für schlecht halten, hat er mir als Kind imponiert und meine Liebe für Tiere bestärkt. Bei Das letzte Einhorn habe ich auch heute mal Tränen in den Augen. Der beste Film, den ich je gesehen habe, ist aber Blood in Blood out – Bound by Honor. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Loyalität, Ehre, im Prinzip alles, was das Leben ausmacht. Wenn der mal im Fernsehen läuft, kann ich nicht wegschalten.
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