Dass Mädchen unzufrieden mit ihrem eigenen Körper sind, ist ebenso ein Teil des Erwachsenwerdens wie Jungs, die ungewollt Erektionen bekommen. Da war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch junge Frauen Hilfe beim plastischen Chirurgen suchen, um ihrer ganz persönlichen Wunschvorstellung des eigenen Körpers näher zu kommen.
Mehr Mädchen denn je nehmen genitale Schönheitsoperationen in Anspruch, um das Aussehen ihrer Vulva korrigieren zu lassen. Ein Eingriff, der bisher vor allem von älteren Frauen genutzt wurde, deren Intimbereich sich durch eine Geburt verändert hat. Dass sich mittlerweile auch junge Mädchen einer Schamlippenkorrektur oder ähnlichen operativen Eingriffen unterziehen wollen, betrachten vor allem Mediziner mit extremer Sorge. Hübsche, kleine, rosafarbene Vaginas—wie man sie oft in Pornos sieht—entsprechen dem angestrebten Ideal. Dabei wird gerne vergessen, dass weibliche Genitalien sehr unterschiedlich aussehen können und es, wie bei so vielen Dingen, kein richtig oder falsch gibt.
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Solche Operationen sind zwar immer noch extrem selten, doch sie sind auf dem Vormarsch. Laut der Daten der Amerikanischen Gesellschaft für Plastische Chirurgie waren 4,6 Prozent der Patientinnen, bei denen eine Schamlippenkorrektur vorgenommen wurde, unter 18 (400 Mädchen im Jahr 2015 im Vergleich zu 222 im vorangegangenen Jahr). Um herauszufinden, was junge Mädchen zu einer solchen Operation bewegt, haben wir mit Dr. Amanda Tozer vom gynäkologischen Beratungsdienst der London Clinic gesprochen.
Dr. Tozer kann bestätigen, dass die meisten Frauen ziemlich zufrieden sind mit ihrer natürlichen Vagina. „Sicher gab es einige junge Mädchen, die zu mir gekommen sind und eine Schamlippenverkleinerung vornehmen lassen wollten. Aber die Zahl ist verschwindend gering: In den letzten zehn Jahren sind schätzungsweise lediglich drei Frauen zu mir gekommen und haben danach gefragt.”
In allen drei Fällen hatten die Mädchen etwas, das Dr. Tozer als „ungewöhnlich große Schamlippen” bezeichnen würde. Sie sagt weiter, dass „[diese Mädchen] so auf ihre Schamlippen fixiert waren, dass es sie bereits psychisch beeinflusst hat. Eine von ihnen hatte asymmetrische Schamlippen, bei denen die eine Seite größer und die andere kleiner war. In diesem Fall konnte ich verstehen, warum sie sie angleichen lassen wollte.”
Als Ärztin rät Dr. Tozer von unnötigen operativen Eingriffen ab, insbesondere wenn die Patientin noch so jung ist. „Ich hätte Bedenken, so junge Mädchen zu operieren—vor allem, wenn es nur um die Optik geht. Es muss schon einen guten Grund dafür geben, sei es eine Asymmetrie oder ein medizinisches Problem. Andernfalls würde ich es persönlich nicht machen.” Auch in Deutschland sprechen sich manche Schönheitschirurgen bewusst gegen solche Eingriffe aus.
Wie wir bereits wissen, sind junge Mädchen allgemein unsicherer in Bezug auf ihren Körper als Jungs und diese Selbstzweifel können sich auch dadurch äußern, dass sie darauf fixiert sind, dass ihre Vagina „perfekt” aussieht. Natürlich kann man versuchen, junge Mädchen besser aufzuklären und ihnen klar zu machen, dass sie nicht irgendeinem illusorischen Ideal entsprechen müssen, das würde jedoch den Ursprung des Problems nicht beseitigen.
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„Aufklärung ist wichtig, wenn es um Gynäkologie geht, doch wir müssen versuchen zu verstehen, warum diese Mädchen denken, sie sähen abnormal aus”, sagt Dr. Tozer. „Liegt es daran, dass sie Pornos schauen? Haben ihre festen Freunde oder Partner sich irgendwie komisch geäußert? Woher bekommen sie diese Informationen überhaupt erst? Es ist ziemlich schwierig, über etwas aufzuklären, wenn kein medizinisches Problem vorliegt.”
Die Frage nach der bestmöglichen Aufklärung ist allerdings nicht das einzige Problem. „Wer eine Schamlippenverkleinerung vornehmen lassen möchte, muss aufpassen, dass es sich nicht bereits um eine Form der weiblichen Genitalverstümmelung handelt. Gynäkologen müssen wirklich aufpassen, keine Grenzen zu überschreiten. Aus meiner Sicht sollten Operationen deshalb ausschließlich aus medizinischen Gründen durchgeführt werden.”
In vielen Fällen verbergen sich hinter den scheinbaren körperlichen „Problemen”—wie unförmige oder große Schamlippen—in Wirklichkeit psychische Probleme, die mithilfe von psychologischer Betreuung gelöst werden können. „Wenn eine Patientin zu mir käme und mir sagen würde, dass sie Probleme mit ihrer Vagina hätte, ohne dass ein körperliches Problem vorliegt, wäre mein erster Gedanke, dass sie zu einem Psychologen gehen sollte.”
Was würde Dr. Tozer Mädchen raten, die ein Problem damit haben, wie sich untenrum aussehen? „Wenn du dir Sorgen machst, dass es sich um eine medizinische Anomalie handeln könnte, solltest du zum Arzt gehen und es von ihm abklären lassen. Vielleicht ist es tatsächlich ein angeborene Fehlbildung. Wenn nicht, dann kannst dir zumindest sicher sein, dass dir nichts fehlt.”
„Wenn du damit zur Welt gekommen bist, ist im Zweifelsfall alles normal.”