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In Australien könnten pädophile Sexualstraftäter bald zur chemischen Kastration gezwungen werden

Ein neuer Regierungsausschuss prüft gerade die Möglichkeit, pädophile Sexualstraftäter nicht zu einer Haftstrafe, sondern zu einer chemischen Zwangskastration zu verurteilen.
Das Medikament Depo Provera, mit dem Sexualstraftäter chemisch kastriert werden können | Foto: Ciell | Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.5

Ein neuer Ausschuss der australischen Regierung befasst sich gerade damit, ob man bei pädophilen Sexualverbrechern als Alternative zu einer Haftstrafe die chemische Zwangskastration einführen sollte. Gerichte der australischen Bundesstaaten Western Australia und Victoria haben bereits die Befugnis, Sexualstraftätern, die als besonders gefährlich eingestuft werden, während der Haftstrafe eine libido-vermindernde Behandlung aufzuerlegen—als Teil der Entlassungsauflagen. In New South Wales (NSW), wo auch besagter Ausschuss eingerichtet wurde, können sich verurteilte pädophile Sexualverbrecher dieser Behandlung freiwillig unterziehen.

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Troy Grant, der Justizminister von New South Wales, setzt sich aufgrund der hohen Rückfallquote jetzt jedoch dafür ein, die chemische Kastration für pädophile Sexualstraftäter verbindlich zu machen. Letzten Mittwoch verkündete er die Einrichtung des Ausschusses. „Wir wollen diese Möglichkeit überprüfen und die Regierung darüber informieren, wie wir mit dem verstärkten Einsatz von libido-senkenden Behandlungen—auch als chemische Kastration bekannt—den Schutz unserer Kinder erhöhen können", meinte er gegenüber der Australian Broadcasting Corporation.

Grant sagte, dass laut der Statistiken 17 Prozent der pädophilen Sexualverbrecher dazu neigen, nach zwei Jahren erneut eine Straftat zu begehen—unabhängig von jeglicher Haftstrafe. Dabei wurde nicht genauer angegeben, um welche Vergehen es sich dabei handelt.

In einer Untersuchung des Australian Institute of Criminology heißt es, dass 30 Prozent der australischen Kinder davon berichten, in ihrem Leben schon einmal sexuell missbraucht worden zu sein. Zehn Prozent sprachen dabei von einer schlimmen Misshandlung.

Die chemische Kastration—auch „libido-senkender, psychopharmakologischer Eingriff" genannt—ist eigentlich nichts Neues. Das Verfahren wird schon seit den 50er Jahren angewandt und manchmal kontrovers diskutiert. Früher war das Ganze noch eine Behandlung zur Bestrafung von Homosexualität sowie anderen sexuellen Abweichungen und das berühmteste Opfer war wohl Alan Turing, ein britischer Mathematiker, der während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich an der Entschlüsselung des Enigma-Codes der Nazis beteiligt war und sich nach seiner chemischen Zwangskastration suizidierte. In der näheren Vergangenheit haben verschiedene Länder diese Behandlung als Bestrafung von verurteilten Sexualstraftätern eingesetzt.

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Während der chemischen Kastration wird der Patient quasi impotent gemacht, indem man dessen Testosteronwerte so stark senkt, dass sie denen eines vorpubertären Jungen gleichen. Die Ärzte verschreiben dabei normalerweise anti-androgene Medikamente wie Depo-Provera, die meistens mithilfe einer Injektion verabreicht werden und dann mehrere Monate wirksam sind. Die chemische Kastration ist nicht dauerhaft: Die Behandlung kann abgebrochen werden und der Sexualtrieb so zurückkommen.

Das australische Justizsystem wäre jedoch nicht die erste Behörde, die eine chemische Zwangskastration zu einer realen Strafmaßnahme machen würde (falls der Ausschuss aus New South Wales mit seinem Vorschlag durchkommt). In Russland, Polen und Südkorea haben die Gerichte schon jetzt die Befugnis, einen verurteilten Pädophilen zur Einnahme von libido-mindernden Arzneimitteln zu zwingen.

MOTHERBOARD: Pädophile outen sich auf Reddit.

In den USA kam bei der umfangreichsten Studie zum Thema Rückfallquote von Sexualstraftätern heraus, dass in einem Zeitraum von drei Jahren nach Haftentlassung fünf Prozent der Sexualverbrecher aufgrund eines erneuten Vergehens wieder verhaftet wurden. Trotz dieser relativ niedrigen Zahl kann ein Verurteilter in einigen US-Bundesstaaten wie Iowa, Florida oder Kalifornien zur chemischen Kastration gezwungen werden. Es ist jedoch auch möglich, dass ein verurteilter Sexualstraftäter eine ärztliche Behandlung freiwillig vorzieht, um einer langen Haftstrafe zu entgehen.

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Die Medikamente sind jedoch nicht frei von Nebenwirkungen. Bei einigen Männern wachsen Brüste oder es ist eine Gewichtszunahme zu verzeichnen. Eine zurückgehende Knochendichte ist ebenfalls keine Seltenheit und das kann zu Osteoporose führen. Einige Menschenrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties' Union sehen eine aufgezwungene Medikamentenbehandlung als verfassungswidrig an und stellen das Ganze auf eine Stufe mit einer „grausamen und unüblichen Bestrafung"—vor allem, weil die Arzneimittel auch einen großen Einfluss auf die Zeugungsfähigkeit haben.

In Australien argumentieren die Gegner der chemischen Kastration damit, dass deren Effektivität kaum belegt ist.

Laut der Nachrichtenseite news.com.au hat sich auch das Royal Australian and New Zealand College of Psychiatrists gegen eine Zwangskastration bei pädophilen Sexualstraftätern ausgesprochen. „Unser Moralkodex besagt, dass Psychiater zuerst die Einwilligung ihrer Patienten einholen müssen, bevor sie einen Eingriff oder eine Behandlung beginnen", meinte der Psychiater Dr. John Kasinathan gegenüber der Seite.

Maggie Hall, eine Dozentin der University of Sydney, schrieb auf der Website The Conversation, dass ein Fokus auf die medikamentöse Behandlung pädophiler Sexualverbrecher von anderen womöglich effektiveren Umgangsmethoden ablenken würde.

Zwar stimmt Troy Grant den Bedenken der medizinischen Experten zu, aber der Justizminister von New South Wales ist auch der Meinung, dass den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden muss, pädophile Sexualstraftäter zu einer chemischen Zwangskastration verurteilen zu können. „In anderen Bereichen funktioniert das Ganze ja auch und ich will, dass das hier ebenfalls möglich ist. Wir müssen uns jeden verfügbaren Urteilsspruch offenhalten, der unsere Kinder vor pädophilen Sexualverbrechern schützen kann", meinte Grant gegenüber dem australischen Nachrichtenmagazin.