Auf einem Bild des Künstlers Banksy werfen sich biblisch anmutende Gestalten in langen Gewändern vor einem Plakat nieder wie vor dem Erlöser. Auf dem Plakat steht: Sale ends today. Diesen beinahe religiösen Eifer, mit dem Menschen konsumieren, nimmt Banksy immer wieder aufs Korn. Der Graffiti-Künstler ist vor allem als der Typ bekannt, von dem eben nichts bekannt ist, weder Name noch Gesicht. Wohl bekannt ist aber seine Haltung: Banksy ist gegen Krieg, Kommerz und ungezügelten Kapitalismus.
Das erwähnte Bild ist gerade bei einer Ausstellung in Berlin zu sehen. Die Ausstellung heißt “The Art of Banksy”, wurde kürzlich eröffnet und läuft noch bis Juni im Bikini-Haus, einem hippen Einkaufszentrum, in dem offene Stahlträger in weite Hallen ragen, riesige Panorama-Fenster einen Blick auf Pavian-Popos im angrenzenden Zoo erlauben und ein Stück Kuchen fünf Euro kostet.
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Ganze 14,50 Euro kostet eine Karte für die Banksy-Ausstellung. Ein stolzer Preis für Street Art.
Kuratiert wird die Ausstellung von Steve Lazarides, einem ehemaligen Weggefährten des Phantomkünstlers. Auf der Website von Banksy steht: “Banksy ist weder bei Facebook noch bei Twitter und wird nicht durch Steve Lazarides oder irgendeine andere kommerzielle Galerie vertreten.” Es lässt sich also die Vermutung anstellen, dass der kapitalismuskritische Künstler nicht begeistert sein dürfte, dass Lazarides seine Werke für viel Geld irgendwo präsentiert. Und gehört Street Art überhaupt in eine kostenpflichtige Ausstellung?
Für die Öffentlichkeitsarbeit hat Lazarides Donata Meyer beauftragt, eine Berliner Medienberaterin, die nicht drumherum redet. “Die Ausstellung ist zu 100 Prozent nicht autorisiert”, sagt sie. “Die Wege von Banksy und Steve Lazarides haben sich getrennt.” Meyer verweist aber darauf, dass eine solche Ausstellung gut zur “Street-Art-Hauptstadt Berlin” passe und außerdem die einzigartige Gelegenheit böte, Kunst zu sehen, die Banksy ansonsten weltweit hinterlasse. “Ich verstehe, wenn jemand kritisiert, dass hier Street Art kostenpflichtig zu sehen ist.” Meyer erklärt: “Wir müssen das ja irgendwie finanzieren. Und wir haben keine Mauerfragmente irgendwo herausgerissen und hierher geschleppt.”
Tatsächlich werfen die ausgestellten Bilder, Drucke, Skulpturen und Videos aber die Frage auf, ob Street Art sich, so präsentiert, nicht zu weit von ihrer ursprünglichen Idee entfernt. “The medium is the message” lautet der ikonische Spruch des Kommunikationswissenschaftlers Marshall McLuhan. Demnach kommt es mindestens ebenso darauf an, wo und wie etwas wahrgenommen wird, wie auf die Aussage selbst. Banksys ebenfalls ikonisches Stencil, das einen Palästinenser zeigt, der Blumen statt Steine wirft, wirkt an der Trennmauer zwischen Israel und den Palästinensergebieten nun einmal anders als vor einer weißen Galeriewand.
Tatsächlich ist es skurril, am Ausgang der Ausstellung in einen kleinen Laden zu gelangen, in dem neben anderem Krams auch Banksy-Schneidebretter und Banksy-Laptop-Sticker verkauft werden. Jeweils für 8,90 Euro. Es ist tatsächlich ein “Exit through the gift shop”, wie in der gleichnamigen Doku von, mit und über Banksy. So viel kommerzielle Fantasie lässt sich nur ertragen, wenn man dabei die Augen schließt und beispielsweise an ein ausgestelltes Banksy-Bild aus dem Raum davor denkt, das die Queen beim Facesitting auf einer Unbekannten zeigt. Oder nee, doch lieber nicht. Gibt noch Albträume.
Die Besucher scheinen sich an dem Widerspruch zwischen antikommerzieller Kunst und Kommerz eher weniger zu stören. “Da habe ich jetzt noch nicht so drüber nachgedacht”, sagt einer. Zwei junge Frauen weisen darauf hin, dass sie ja sonst bestimmt nicht nach London oder New York geflogen wären, um “durch die Vorstädte zu ziehen und Graffiti zu suchen”.
Sprayer fragen niemanden, wenn sie öffentliche Flächen bemalen. Sie zwingen den Menschen ihre Kunst auf. Das gilt auch für Banksy, der mit seinen Werken eine Zündschnur an die dekadente westliche Kultur legt, ein Streichholz über die Reibefläche zieht und schon weg ist, während sich die Umherstehenden noch fragen, ob hier gleich wirklich alles hochgeht. Bei Banksy trägt die zierliche “Tänzerin” von Edgar Degas, eine adrette kleine Skulptur, eine Gasmaske. So sind unsere Zeiten, mit Banksys Augen betrachtet.
Wenn Berlin die Hauptstadt der Off-Kunst ist, dann ist es sicher auch ein Vorreiter darin, Gegenkultur mit dem zu verschmelzen, was diese Gegenkultur eigentlich bekämpfen will. Nur wenige Gehminuten vom Bikini-Haus entfernt gelangte im vergangenen Jahr “The Haus” zu internationaler Bekanntheit, ein maroder Bau, in dem Künstler sich auf Einladung von Immobilienbesitzern befristet austoben durften, um Preis und Prestige des Ortes in die Höhe zu treiben. Frei nach dem Motto: Wenn wir die Gentrifizierung schon nicht aufhalten können, dann haben wir doch wenigstens etwas von ihr.
Bei der Banksy-Ausstellung gibt es eine Virtual-Reality-Brille samt Controller, mit der der Besucher digitale Farbe an eine ebensolche Wand sprühen kann. Das macht Spaß, ist technisch recht ausgefeilt und dabei überhaupt nicht illegal. Nur der stechende Farbgeruch fehlt.