Die Freude war in Berlin groß, als die Nachricht über die Rückkehr des Festsaal Kreuzberg durch die sozialen Medien flatterte. Der 2013 abgebrannte Club sollte dort weitermachen, wo neben Arena, Chalet, Ipse und Club der Visionäre eine andere Institution des Nachtlebens, das White Trash, Insolvenz anmelden musste und nun nach einer Lösung suchte. Es sah zunächst wie eine Traumgeschichte aus.
Doch einen Tag vor der morgigen Gläubigerversammlung stehen sich Festsaal und White Trash-Betreiber Walter Potts scheinbar unversöhnlich gegenüber. Der Tagesspiegel schrieb von einer “feindlichen Übernahme”, Potts erhob mehrfach Kritik an den Machern des Festsaals und ihrer öffentlichen Bekanntmachung der Übernahme, wittert größere Strippenzieher hinter den Vorgängen. Auch Läden wie das Astra und das Lido, aber auch der Radiosender FluxFm sind Teil der Kontroverse. Das Festsaal-Team schwieg vorerst. Bis heute, als man sich auf Facebook ein zweites Mal zu Wort meldete.
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Worüber streiten beide Parteien sich? Wir haben die Konfliktpunkte thematisch geordnet, um dir einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
Festsaal und Walter Potts wollten eigentlich zusammenarbeiten
In einem Interview mit MitVergnügen erzählt Walter Potts, dass er kurz nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens überlegt habe, parallel “Partner zu finden, die die letzten Meter zur Wirtschaftlichkeit mit mir zusammengehen möchten.” Denn Potts glaubt daran, dass er das White Trash langfristig erfolgreich am Standort in Treptow halten kann.
Nachdem er, wie er sagt, mit verschiedenen Interessenten ergebnislose Gespräche hatte, kam ihm die Idee, die Macher des Festsaals anzusprechen, weil er deren Arbeit immer gut fand. “Wir trafen uns dann mehrfach, die Jungs haben meine Mitarbeiter und Familie kennengelernt. Ich weihte Björn, Teka und Christopher (vom Festsaal) in alle Details meines Betriebs ein und wir überlegten, wie wir es in Zukunft zusammen machen könnten.” Ende Oktober, “einen Tag bevor der Hammer fallen sollte”, hätten sie ihm dann allerdings überraschend abgesagt. Mit Markus Kühn von FluxFM habe er dann allerdings schnell einen Geschäftspartner gefunden, der das White Trash weiter mit ihm betreiben wollte.
In der Darstellung des Festsaals Kreuzberg wird die von Potts beschriebene Phase nicht erwähnt. Es heißt lediglich: “Während des Insolvenzverfahrens stand es jedem frei, dem Insolvenzverwalter ein Kaufangebot zu unterbreiten, um den Betrieb zu übernehmen.” Ein solches Angebot habe man am 10. November eingereicht.
Noch ist gar nichts entschieden
Björn von Swieykowski, einer der Betreiber des Festsaal Kreuzberg, hatte im November gegenüber Noisey erklärt: “Wir planen die Übernahme zum 1. Dezember und wir fangen auch jetzt schon an Shows zu buchen. Wahrscheinlich werden wir zwischendurch auch mal zumachen, um etwas umzubauen und hinterher gibt es dann bestimmt noch eine ‘richtige’ Eröffnung.”
Walter Potts wirft dem Festsaal daher vor, sich öffentlich als neuer Eigentümer vorgestellt zu haben, bevor diese Entscheidung überhaupt rechtlich komplett abgesichert war. In einem Interview sagte er: “Durch die Medieninformation von Björn von Swieykowski ist in der Öffentlichkeit der Eindruck erzeugt worden, die Übernahme sei bereits über die Bühne gegangen (…).”
Fakt ist, dass wie bei jedem Insolvenzverfahren die Gläubigerversammlung erst darüber entscheiden muss, welches Angebot zur Übernahme angenommen werden soll. Der Insolvenzverwalter gibt zuvor zwar einen Zuschlag, der aber nicht rechtlich bindend ist.
Die Gläubigerversammlung, in der über die Zukunft des White Trash entschieden wird, findet allerdings erst heute, am 16. Dezember statt. Die Übernahme des White Trash durch den Festsaal ist also noch nicht rechtskräftig. Über zwei Angeboten muss abgestimmt werden. Zum einen das von FluxFM, die zusammen mit Walter Potts das White Trash weiterführen wollen. Zum anderen das Angebot vom Festsaal Kreuzberg, dessen Konzept gemeinsam mit dem Astra, dem Lido, dem Bi Nuu und der Kalkscheune getragen wird. Geschäftsführer und Besitzer der ersten drei ist Thorsten Brandt.
Die Betreiber des Festsaals erklären auf Facebook, dass der Insolvenzverwalter ihnen aufgrund des besten Angebotes den Zuschlag erteilt habe und man prompt auch den Mitarbeitern des White Trash vorgestellt wurde. “Wir hätten gerne die Gläubigerversammlung abgewartet, die diese Entscheidung noch absegnen muss, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Allerdings bekamen wir kurz nachdem wir vorgestellt wurden bereits eine Interviewanfrage der Berliner Zeitung. Diese haben wir nicht beantwortet und lieber eine eigene Erklärung abgegeben.” Diese löste damals die Kontroverse aus.
Behauptung: Der Festsaal will alle Mitarbeiter entlassen und das Restaurant schließen
Ein weiterer Streitpunkt ist die Zukunft des Restaurants, das zum White Trash gehört. Gleiches gilt für die Mitarbeiter. Walter Potts ist unter anderem deshalb gegen eine Übernahme durch Björn von Swieykowski und Co., weil gar nicht klar sei, was die genau vorhätten. Im Interview mit MitVergnügen sagt er allerdings, dass die Betreiber des Festsaals hätten den “Mitarbeitern gesagt, dass sie in Zukunft in anderen Läden arbeiten sollen.” Die Beschuldigten bezeichnen diesen Vorwurf als “glatte Lüge.” Weiter heißt es: “Die Belegschaft zu übernehmen ist nicht nur Bestandteil des Kaufvertrages und rechtlich erforderlich, sondern auch Teil unseres Konzeptes.”
Handelt es sich um eine “feindliche Übernahme”?
Walter Potts stellt die Vermutung auf, dass hinter der Bekanntmachung der Übernahme des White Trash durch den Festsaal, der bereits angesprochene Torsten Brandt stecke, der “die Festsaal-Leute und ihre Geschichte instrumentalisiert”, um sich nach dem Lido, dem Astra und dem Bi Nuu nun “den vierten Laden zu sichern.” Damit würde Brandt seine Dominanz auf dem Markt für Konzerte weiter ausbauen.
Es steht Aussage gegen Aussage. Fakten wird allein die Gläubigerversammlung schaffen—und damit über die Zukunft von zwei Berliner Institutionen entscheiden.
Header: Das Streitobjekt: Restaurant White Trash Fast Food und die dazugehörige Konzerthalle in Berlin-Treptow. imago/STPP. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.
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