In Deutschland ist Pegida zurück

Seit ein paar Wochen, aber vor allem seit der letzten Montags-Demo ist klar: Pegida ist erstmal wieder da. 9.000 Menschen marschierten am Montag angeblich durch Dresden, schrien „Abschieben, abschieben” oder „Merkel muss weg” oder „Wir sind das Volk”.

Alles wie gewohnt, auch wenn es ein paar kleinere Highlights gab: Die Hamburgerin Tatjana Festerling verlangte, Sachsen solle sich von Deutschland unabhängig machen, und ein paar Bastelfreudige hatten einen Galgen für Angela Merkel und „Siegmar” Gabriel mitgebracht.

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Nachdem es im Sommer fast so aussah, als liege die Bewegung im Sterben, feiert sie jetzt offensichtlich ein Comeback. Das ist vielleicht keine Überraschung, da die Flüchtlingsdebatte seit letztem Winter um gefühlte 8.000 Oktan aufgedreht hat—aber genau deswegen ist es auch umso frustrierender.

Gerade weil die Flüchtlinge und der richtige Umgang mit der historisch einmaligen Situation jetzt in aller Munde sind, ist die Haltung von Pegida und ihren Organisatoren nur noch verlogen.

Als Pegida letztes Jahr anfing, konnte man in Sachsen vielleicht tatsächlich das Gefühl haben, dass die Politik sich nicht genug um die Sorgen der Bürger kümmerte. Dass die in ihren Dörfern und Städten plötzlich mit Hunderten Neuankömmlingen konfrontiert waren, ohne wirklich darauf vorbereitet worden zu sein. In manchen Gemeinden wurden die Lokalpolitiker von der Landesregierung überrumpelt, und manche dieser Lokalpolitiker stellten sich wiederum nicht unbedingt geschickt an, wenn es darum ging, die neue Situation zu kommunizieren. Das alles mag dazu geführt haben, dass die Pegida-Demonstrationen für verunsicherte Menschen als einziges Sprachrohr für ihre Sorgen empfunden wurde—auch wenn der Ausrichtung gegen die „Islamisierung des Abendlandes” von Anfang an verriet, wie stumpf und populistisch die Pegida-Organisatoren dachten.

Pegida-Schild vom Januar. Foto vom Autor

Aber spätestens seit dem Sommer „ignoriert” niemand mehr die Herausforderung, die bis zu eine Million Neuankömmlinge in einem Jahr an das Land stellen. Die „Sorgen” der besorgten Dresdner—Wird man die Flüchtlinge integrieren können? Was für Auswirkungen werden sie auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat haben? Was bedeutet das für „unsere Werte”?—werden mittlerweile in allen Medien hoch- und runtergespielt, so gut wie jede Stimme kommt zu Wort. Die Debatte ist dabei wirklich nicht nur von blinder Empathie geprägt—der deutsche Innenminister hat sich mit Sprüchen zu Wort gemeldet (ungefähr: „Früher waren die Flüchtlinge noch dankbar, heute fahren sie einfach Taxi”), die man so auch auf einer Pegida-Demo hätte hören können. Die „legitimen” Anliegen der Pegida-Anhänger sind längst auch Teil des Mainstream.

Was die Dresdner „Bewegung” jetzt also noch auszeichnet, ist alles, was eben nicht Mainstream ist—und es auch niemals werden darf: Menschenverachtung, Fremdenhass, ungezügelte Ressentiments, Verschwörungstheorien und Demokratiefeindlichkeit.

Ganz ehrlich: Wir fanden Pegida schon damals unangenehm. Aber wir sind trotzdem mehr als einmal hingegangen und haben mit den Leuten geredet—wenn sie überhaupt mit uns geredet haben. Mittlerweile kommt einem das völlig sinnlos vor. Die Menschen, die jetzt noch zu einer Demo gehen, auf der zur Blockade von Flüchtlingsheimen aufgerufen wird, während täglich—täglich—Flüchtlingsunterkünfte angezündet werden, haben uns nichts mehr zu sagen. Jeder kann sich auf der Pegida-Facebook-Seite ein Bild davon machen, was für tiefbraune, hasserfüllte Menschen die lautesten Anhänger dieser Bewegung sind.

Laut dem Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer (das ist der normale, nicht Werner Patzelt, der seit ihren Anfängen systematisch daran arbeitet, Pegida zu verharmlosen) waren es im Sommer vor allem Rechtsradikale, die zur Montagsdemo gegangen sind. Jetzt seien aber wieder mehr Mitglieder der „bürgerlichen Mitte” dort anzutreffen. Auf dem Papier mag das stimmen. Aber eine bürgerliche Mitte, die es in Ordnung findet, sich unter einem Galgen für demokratisch gewählte Politiker zu versammeln und „Lügenpresse” zu skandieren, kann so mittig dann doch nicht sein—es sei denn, zwischen den Menschen in Sachsen und dem Rest der demokratischen Gesellschaft herrscht schon länger ein ziemlich ernstes Missverständnis.

Aber natürlich wird es die Pegida-Teilnehmer nicht interessieren, was die „Systempresse” oder der Großteil humanistisch geprägter Menschen von ihnen hält. „Jetzt erst recht”, und so weiter, und so fort, bis in alle Ewigkeit. Oder bis sie es geschafft haben, dass wirklich niemand mehr zu ihnen kommen will.