Dieser Artikel ist ursprünglich auf VICE UK erschienen.
Es gab nie sehr viele Eigenschaften von Arnold Schwarzenegger, mit denen man sich richtig identifizieren konnte. Auch wenn er nicht wie ein riesiger mit Schinken laminierter Haufen Farbkanister aussehen würde, war er doch bereits mit 30 ein Immobilienmillionär, der sich alles selbst erarbeitet hat, fährt gerne mit Panzern und hatte einen Vater bei der NSDAP.
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In Arnolds Blütezeit hätte er einen normalen, sterblichen Mann durchaus in der Mitte durchreißen können—und seine Blütezeit dauerte eine lange Zeit an: angeführt von den mehreren aufeinanderfolgenden Rekord-Auszeichnungen als Mr. Olympia, und dann als Hollywood’s beliebtester Muskelroboter, der die A-List-Schauspieler der Zeit mit einer gewaltigen, eisernen Faust regierte.
Arnolds Fans konnten also nie wirklich viele Gemeinsamkeiten mit ihm finden—er war schließlich nie wirklich„menschlich”. Er stellte schon immer mehr eine fleischgewordene, zigarrenkauende und wunschlose Machtfantasie dar, die ein Motorrad in Richtung Sonnenuntergang beschleunigt.
Arnie hatte aber auch immer Kritiker. Clive James hat ihn einmal als ein „mit Walnüssen gefülltes Kondom” beschrieben, aber er war letztlich ein Gott für Millionen von Menschen. Sogar in Rollen, die mehr als Normalo oder Jedermann angelegt waren, blieb er—ganz klar—Arnold Schwarzenegger. Arnold Schwarzenegger ist niemals NICHT Arnold Schwarzenegger. Es wurde probiert, ihn in ein Karohemd und in ein Vorstadthaus-Setting zu stecken, um glaubhaft irgendeinen alltäglichen Dude zu spielen. Nur sah er dabei aus, naja, wie verdammt nochmal Arnold Schwarzenegger.
Das Karohemd war gigantisch, extra bestellt aus speziellen Katalogen, weil es so riesige Kleidung natürlich nicht in normalen Geschäften zu kaufen gibt. Es ist auch mit Verkleidungen buchstäblich nicht zu verbergen, dass Arnold Schwarzenegger Arnold Schwarzenegger ist. Er bellt Dinge wie: „LINDA, MY LOVELY WIFE. I LOVE OUR QUAINT AND QUIET SUBURBAN LIFE.” Aber das war nicht Arnie, der Typ, der damals jeden Tag 1.000 Eier gegessen hat.
Arnie ist nicht nur gebaut wie ein scheiß Kleiderschrank—er schien sich damals auch von einer strengen Diät bestehend aus anderen scheiß Kleiderschränken zu ernähren. Wenn ein Film mit ihm jemals Lob für Realismus bekommen würde, müsste jeder zweite Charakter, der oder die auf ihn trifft, in etwa so reagieren: „Leck mich am Arsch, du siehst aus wie ein menschgewordener Baum.”
Arnie hat einen Barbaren, einen Roboter, Herkules—also Fantasy-Figuren mit überstilisiertem Körperbau, die aus einem Comic stammen könnten—und andere Rollen gespielt, bei denen hölzerne Gestik und ein fetter Akzent nicht wirklich ins Gewicht fielen.
In den Terminator-Filmen wurde dieses Fehlen an schauspielerischer Bandbreite sehr effektiv eingesetzt, als Habitus einer erschreckenden Killermaschine im ersten Teil. Und im zweiten verdrücken sogar erwachsene Männer ein Tränchen, wenn er uns stoisch die Thumbs-Up gibt. Der erste Film zählt weniger als 100 Wörter an Dialog für Arnie, und da ist seine Catchphrase „I’ll be back” schon mitgezählt, die ihn durch seine gesamte Karriere begleitet hat.
Das Problem ist, irgendwann kommt er nicht zurück. Er ist auch nur ein Mensch. Eines Tages wird Arnold Schwarzenegger sterben. Diese unvermeidliche Tatsache wird auch immer deutlicher, gerade in diesem angegrauten, zerknautschten Abschnitt seiner Karriere. Nichts verkümmert so augenscheinlich wie Perfektion, und das wurde ihm schon des öfteren vorgeworfen—dem vierfachen Mr. Universe und siebenfachen Mr. Olympia. So wurde er als die eheste Inkarnation von Perfektion gehandelt, die wir jemals hatten.
Mittlerweile sieht er aber irgendwie scheiße aus. Seine Augen sind Schlitze. Seine Haut hängt runter. Die Dekade, die er in der Politik verbracht hat, hat ihm auch nicht besonders gut getan—auch Kalifornien hat es nicht unbedingt gut getan—und dann die Kette an idiotischen Aktionen, politisch wie im Privatbereich, haben echt an Arnie gezehrt.
Die Aufdeckungen seiner Untreue (darunter eine zeitintensive Affäre mit der ehemaligen Haushälterin, die ihm einen unehelichen Sohn namens Joseph Baena geboren hat und der nur noch mehr wie Schwarzenegger aussehen könnte, wenn er dessen Gesicht als Maske tragen würde) haben zu einer prominenten und teuren Scheidung geführt. Das schräge Novum des Filmstars in der Politik mit dem lustigen Spitznamen „The Governator” war bald verebbt—genau wie das Gerede, dass die USA vielleicht die Klausel des „gebürtigen Staatsbürgers” in der amerikanischen Verfassung widerrufen wolle, um Arnold eine Kandidatur zum US-Präsidenten zu ermöglichen.
Das Leben hat getan, was unzählige Bösewichte und Filmschurken nie geschafft haben: Es hat Arnold zu Fall gebracht. Ein älterer, müder Mann ist nach der Politkarriere zum Film zurückgekehrt. Er sieht zwar immer noch aus als ob er ein Rhinozeros durch die Wände eines Tresorraums boxen könnte, aber nicht mehr ganz so weit wie früher. Das Vieh bräuchte dann doch noch einen zweiten Schlag um wirklich hin zu sein.
Auf diesem Foto seiner Wikipedia-Page hat er blutunterlaufene Augen. Er sieht aus, als habe er ein Frühstück mit drei Bieren und ein Schläfchen, aus dem ihn jemand unsanft geweckt hat, hinter sich. Aber das ist doch eigentlich besser! Der Arnie der 2010er Jahre ist viel interessanter und auch schauspielerisch talentierter als zuvor—er ist endlich zum Menschen geworden.
Die Steirische Eiche könnte sich nun in eine Art Clint Eastwood verwandeln, der ja auch erst mit 62 Unforgiven gemacht hat und mit 74 Million Dollar Baby. Schwarzenegger ist da alterstechnisch genau in der Mitte. Er wird nächsten Monat 68—und betritt die vielleicht interessanteste Phase seines Lebens.
Egal wie idiotisch kostspielig Arnolds Lebenswandel sein mag—wie erwähnt: der Mann, der eigentlich selbst schon ein Panzer ist, besitzt auch einen Panzer—, er müsste nie wieder einen Film machen. Er war mal 800,000,000 Dollar schwer, was ihn auch nach schlechten Investitionen und der hässlichen Scheidung sicher nicht am Hungertuch nagend zurückgelassen hat.
Wenn man eine Ikone ist, ist es nicht schwer Geld zu verdienen. Arnie kann in einen Werbespot spazieren, dabei aufs Gesicht fallen, sich selbst für acht Sekunden überspielt verarschen und bekommt dann pervers viel Geld dafür. Man darf also davon ausgehen, dass er sich so ziemlich jedes Filmprojekt frei nach Lust und Laune aussuchen kann.
Mit dieser Meerkat-Werbung wollte wirklich niemand große Kunst schaffen. Es sind auch keine großen Performances—weder von Schwarzenegger noch den CGI-Erdmännchen. Vielleicht ist das ein nötiges Übel. Durch solche Auftritte hat Schwarzenegger den Luxus, sich Filme auszusuchen, die tatsächlich interessant sind. Auch wenn die Resultate seiner späteren Filmografie sehr verschiedenartig waren, ist er letztlich nach allen Projekten gut ausgestiegen.
Seine erste Hauptrolle dieser Dekade war 2013 in The Last Stand, der den südkoreanischen Regisseur Kim Jee-woon nach Hollywood brachte und Arnie Wrestling-Künste verlieh. Die Kampfszenen waren echt packend, da sie gut zeigen wie ein 60-jähriger Bodybuilder beim Raufen aussehen würde. Schwere und plumpe Schläge, die Torsos durch Fenster wuchten. Das ist kein Conan, kein Terminator, sondern ein alter Sack, der geladen ist und will, dass alle mal die Schnauze halten.
David Ayers Sabotage ist ein unangenehmer und sehr hässlicher Film, der das auch ganz genau von sich selber weiß. Alle Charaktere sind abscheulich und die übertriebenen, semi-abstrakten Tode der Action-Filmzeiten sind von ernsthaft grässlichen Morden ersetzt worden. Und Schwarzenegger sieht darin echt beschissen aus. Er ist grau an den Schläfen, die Haare ausgedünnt, was gar nicht kaschiert wird, und die Augen sind klein und düster. Wenn er jetzt Zigarre raucht, sieht er nicht mehr cool aus, wie in den 90ern bei den Interviews im Hawaii-Hemd und dem fetten Grinsen im Gesicht. Bei diesem Film will man ihm eher sagen, dass er aufhören sollte zu rauchen.
In dieser Rolle kommt er wirklich wie ein Character-Actor rüber, nicht wie ein eingegangener Muskelmann. Wenn das der erste Film wäre, den du von Arnie gesehen hättest, wärst du wahrscheinlich echt beeindruckt. Der riesige Kerl mit dem etwas eigenartigen Akzent kommt echt ansprechend rüber.
Im Zuge von Maggie wurde noch ein richtiger, ordentlicher Schauspieler aus Arnold. Er spielt den faltigen, bärtigen Vater eines Mädchens, das kurz davor ist, sich in einen Zombie zu verwandeln. Das ist beinahe eine Drama-Rolle! Er hat schon immer Lob für sein Charisma bekommen—und seine enorme Präsenz—, aber bei der Schauspielerei war Arnie doch immer nur ein Schulterzucken bei den Kritikern. So ein Gefühl von „Ach bitte, bei Arnold Schwarzenegger weiß jeder, was er bekommt.”
In Maggie bekommt Arnie aber echte Blumen. Die Leute reagieren sehr positiv auf seine Performance ohne das alte „Für Arnold Schwarzenegger ist das gar nicht mal so scheiße.” Er weint sogar in einer Szene, was wirklich nie jemand für möglich gehalten hätte, ohne einem billigen, aufgelegten „Was ist diese Flüssigkeit in meinen Augen?”-Kommentar mit einer Roboterstimme.
2015 hat Schwarzenegger mit der Arbeit an The Legend Of Conan begonnen, ein Sequel, das dem echten Kanon des fiktiven Universums entspricht. Der Drehbuchautor beschreibt das Ganze als „Unforgiven mit einem Schwerter schwingenden Barbaren.” Der wird vielleicht keine Regale voller Preise abräumen, so wie Eastwoods Film, aber wer weiß, es sind schon eigenartigere Dinge passiert—solange sie von einem Red Sonja-Vibe fern bleiben und Arnie eine coole Rolle geben, und ihn nicht die peinliche Altenheimaxt wedeln lassen. Das könnte wirklich Arnies Renaissance fortsetzen.
Aber zuvor kam noch Terminator: Genisys, der nur als Tyrmynytyr: Gynysys einen schlimmeren Titel haben könnte. Der alternde Badass aus 2015 ringt mit dem jungen, prallen Arnie aus 1984, der mit Body-Doubles, CGI, and alten Aufnahmen rekreiert wurde. Das passiert zwar hauptsächlich aufgrund der Wir-scheißen-auf-alles Einstellung der Franchise in Bezug auf Zeitreisen, Kontinuität und der Erwartung der Fans, aber stellt eine ziemlich solide Metapher für Schwarzeneggers ganze Karriere dar.
Auf der einen Seite steht der jugendliche, grunzende und beinahe unzerstörbare Mr. Olympia. Auf der anderen sehen wir eine gealterte, abgenützte Version: fehlerbehaftet, angreifbar, emotional, interessant—aber natürlich auch mit geilen Sonnenbrillen und einer fetten Waffe in der Hand. Ich meine, ganz ehrlich—er ist immer noch Arnold fucking Schwarzenegger.
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