Menschen zünden schon seit Jahrzehnten die Wälder im brasilianischen Amazonasbecken an. Sie wollen damit freie Flächen für Landwirtschaft und Viehzucht schaffen. Aber dieses Jahr war der Aufschrei besonders groß, wegen des schieren Ausmaßes der Zerstörung. Und es scheint sich nicht zu verbessern: Zwischen Januar und August diesen Jahres gab es 159.907 Brände im Land, so das brasilianische Institut für Weltraumforschung. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von 46 Prozent.
Umweltschützende machen die aktuelle Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro für diesen Anstieg verantwortlich. Bolsonaro soll Landwirte und Holzfäller bewusst dazu aufgefordert haben, Wald zu roden. Außerdem wird Bolsonaro von großen Landwirtschaftsunternehmen unterstützt, weil er selbst auf geschütztem Land großflächige Landwirtschaft und den Goldabbau erlauben will.
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Die Brände im Amazonasbecken beschädigen aber nicht nur langfristig die “Lunge der Welt”. Sie bedrohen auch kleine Landwirte und indigene Völker, die im Regenwald leben. In den nordwestlichen brasilianischen Bundesstaaten Amazonas und Acre haben wir uns mit den dort ansässigen Communitys über die Brände und deren schlimmen Folgen unterhalten.
Chief Mapu, Anführer der Huni Kuin-Volksgruppe
Die Huni Kuin leben in Brasilien und Peru, im brasilianischen Bundesstaat Acru sind sie sogar die größte indigene Volksgruppe. Trotzdem werden Teile ihres Gebiets nicht offiziell vom Staat geschützt. Viele Huni Kuin wurden bereits aus dem Grenzgebiet zwischen Brasilien und Bolivien vertrieben, weil sich dort Großkonzerne breit gemacht haben.
Chief Mapu reist um die Welt, um die traditionelle Pflanzenheilkunde seiner Volksgruppe zu lehren und um mithilfe verschiedener Kampagnen Geld zu sammeln. Damit will er das Land seiner Leute zurückkaufen. Die Huni Kuin brauchen den Regenwald als Lebensgrundlage. “Der Wald ist für uns indigene Menschen die Quelle für medizinische Pflanzen”, sagt Chief Mapu. “Für die Holzarbeiter ist er hingegen nur eine Quelle für wertvolles Holz und Geld. Wir wissen dank unserer Vorfahren, wie wir die Pflanzen medizinisch nutzen können. Wenn der Wald verschwindet, verschwindet auch dieses Wissen.”
Chief Mapu hat nach dem Ausbruch der Feuer bei den örtlichen Behörden offiziell Beschwerde eingelegt. Seine Community ist fest entschlossen, das zerstörte Gebiet wieder aufzuforsten.
Kaxuqui-Francisco, Anführer einer Gruppe des Apurinã-Volksstamms in der Gemeinde Boca do Acre
Kaxuqui-Francisco ist der Anführer eines Ablegers des Apurinã-Volksstamms, der entlang des Flusses Rio Purus im Westen Brasiliens lebt. Am Ende des 18. Jahrhunderts siedelten sich Gummiplantagen-Besitzer am Rio Purus an. Sie versklavten, folterten und töteten viele Apurinã. Heute bewohnen die verschiedenen Gruppen des indigenen Volksstamms 27 Gebiete, aber nur 20 davon sind vollständig abgegrenzt und anerkannt.
Kaxuqui-Francisco und seine Frau haben uns herzlich bei sich zu Hause im Herzen des Regenwalds empfangen. Am nächsten Morgen wanderten wir vier Stunden durch den Dschungel, um eines der Gebiete zu sehen, in denen die Brände immer noch wüten. Das Land, auf dem Kaxuqui-Franciscos Leute leben, ist geschützt. Er behauptet aber, dass sein Stamm im Laufe mehrerer Jahre trotzdem insgesamt 600 Hektar Wald verloren hat – sowohl durch Brände als auch durch die illegale Abholzung der wertvollen Paranussbäume.
Die bis zu 50 Meter hohen Bäume sind in den Wäldern Brasiliens, Perus und Boliviens beheimatet und können bis zu 1.000 Jahre alt werden. Sie erhalten nicht nur das empfindliche Ökosystem, sondern stellen für viele Familien im Amazonasbecken auch die wichtigste Einkommensquelle dar. Zu diesen Familien zählt auch die von Kaxuqui-Francisco: Sie ernten und verkaufen die Nüsse der Bäume. Wegen der Feuer hat Kaxuqui-Francisco jetzt viel weniger verdient. Aber weil ihn seine Kinder, die in der Stadt arbeiten, unterstützen, kann er sein Leben wie gewohnt fortführen.
Dona Jô, Biobäuerin in der Gemeinde Bujari im Bundesstaat Acre
Die alleinerziehende Mutter und Biobäuerin Dona Jô hat durch die Brände fast alles verloren. Sie will ihr verbranntes Land aber unbedingt wieder mit Gemüse, Bäumen und anderen Pflanzen neu bepflanzen. Weil in Brasilien immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, hat Dona Jô einen Vorrat an unbehandeltem Saatmaterial angelegt: In ihrer Küche reihen sich Kunststoffflaschen mit verschiedenen Bohnen, Kichererbsen und Gemüsesamen aneinander.
Außerdem setzt sich Dona Jô für die örtliche Bio-Bewegung ein: Sie hilft bei der Organisation des lokalen Biomarkts und will andere Farmer davon überzeugen, ebenfalls auf eine nachhaltigere Produktion zu setzen.