Ich war auf dem internationalen Mopstreffen und habe einiges über das Leben gelernt

Ich erinnere mich noch lebhaft an die Verabschiedung meines Chefs in meinem alten Job. Während meine Kollegen mit Sekt anstießen und Anekdoten austauschten, saß ich vor meinem Bildschirm und sah mir Videos von Welpen an. Es flossen Tränen. Bei mir und bei meinen Kollegen. Jedoch aus verschiedenen Gründen.

Ich bin zwar keiner dieser soziophoben Internetmenschen, die panische Angst vor zwischenmenschlichen Interaktionen haben, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ich jegliche Gesetze der Höflichkeit und Zurückhaltung fahren lasse, sobald ich einem Hund begegne. In meinem neuen Job ist meine Liebe für Hunde (im Besonderen kleine, doggenartige Hunde, so die offizielle Kategorisierung von Mops, Bulldogge und Co.) allseits bekannt und akzeptiert—was ein Grund dafür ist, dass mir sämtlicher Hundecontent umgehend im Arbeits-Chat zugeschickt wird. So auch die Einladung zum 7. internationalen Mopstreffen in Berlin-Lichtenrade, aka dem Tag, an dem ich zu der Erkenntnis gelangte, dass ich niemals heiraten können werde. Warum? Diese und einige weitere Erkenntnisse über das Leben werdet ihr verstehen, wenn ich über meinen Tag bei den Möpsen erzähle.

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Ich bin nie der Typ Perfekt-organisierte-Hefteinträge-mit-verschiedenen-Stabilos-und-Unterstreichungen-mit-Lineal gewesen. Ich war keine, die nie Elternbriefe verschusselt hat, wusste, wo das Prüfungsbüro ist, und bin auch jetzt niemand, der Rechnungen pünktlich bezahlt und einen Steuerberater hat. Aber diesmal bin ich perfekt vorbereitet: Im Edeka des S-Bahnshofs Friedrichstraße (wegen besagter Unorganisiertheit hat die Fahrgemeinschaft mit Auto nicht hingehauen) habe ich zur Feier des Tages den guten Sekt und Hundeleckerlies gekauft, um mich einerseits in der S-Bahn angemessen auf das Kommende einzustimmen und mich andererseits später bei den vierbeinigen Freunden einschleimen zu können.

Voller Enttäuschung stelle ich in der S-Bahn fest, dass der gute Sekt einen Korkenverschluss hat und nicht manuell zu öffnen ist. Mich überkommt fast ein Anflug von schlechter Laune, aber da entdecke ich die unverkennbare geschneckte Kehrseite, die nur einem Mops gehören kann. Oh Gott, es geht los. Ich glaube, das ist das Gefühl, von dem Eltern immer sprechen, wenn sie mit einem zuckenden Augenlid vom alles entschuldenden Lächeln ihres Säuglings sprechen. Als Mensch mit einem Hang zu Melodramatik freue ich mich sehr, als ich meiner Begleitung bei unserer Ankunft am Zielbahnhof Lichtenrade auf die Frage, wo wir denn überhaupt hin müssen, zuraunen kann: Folge den Möpsen!

Angekommen auf dem Hundeplatz, der anders als einige Gegenden in Berlin “alle Rassen willkommen heißt”, übertrifft alles an dieser Veranstaltung unsere Erwartungen. Nachdem wir 2 Euro Eintritt bezahlt haben (der Erlös geht übrigens an den Verein mit dem klingenden Namen “Plattnasenhilfe e. V.” mit dem noch viel klingenderen Motto “Wir helfen, wo andere wegschauen”), antworte ich ein bisschen zu laut mit “JAAA” auf die Frage, ob ich einem Mopsstempel beim Eintritt haben möchte. Apropos Motto: Auch das Mopstreffen hat in diesem Jahr ein eigenes Motto, das treffender nicht sein könnte: “Wir haben Spaß”. Hier gehör ich hin. Hier ist noch alles gut.

Wir betreten das Gelände und ich muss ein bisschen weinen. Einerseits, weil ich auf einer Sommerwiese stehe, auf der Hunderte—ich übertreibe nicht—Möpse rumtollen, grunzen und planschen (es gibt kleine Mops-Planschbecken). Andererseits, weil mich ein sehr schlechtes Gewissen plagt. Aufgrund meines organisatorischen Defizits bei der Auto-Akquise verpasst mein guter Freund Georg, der wegen eines doppelten Bänderrisses leider schwer zu Fuß ist, nun meinetwegen dieses magische Event.

Georg ist logischerweise angepisst, als ich ihm das erste Video eines wild spielenden Mopsrudels schicke, und bittet darum, nicht weiter mit Impressionen des Tages belästigt zu werden. Wenige Minuten später schreibt er mir, “dass er jetzt auf alles scheißen würde” und mit einem Taxi nach Lichtenrade fährt. Selten war eine sündhaft teure Taxifahrt mit Gipsbein bei 30 Grad Außentemperatur sinnvoller. Die Mikrofondurchsage erinnert mich erneut daran, “dass wir Spaß haben”, und ich sichere mir einen Platz neben dem ersten Mopswelpen, den ich entdecken kann: Maya. Ich weine ein zweites Mal. Diesmal ausschließlich vor Glück. Als Georg eintrifft, macht er mich darauf aufmerksam, dass ich Wimperntusche an der Nasenspitze habe. Die Antwort auf seine Frage, ob ich geweint habe, überrascht ihn nicht.

Unter den rund 300 Möpsen plus Herrchen herrscht eine Atmosphäre zwischen Burschenfest, Kindergeburtstag und Niederkunft des Messias. Ich lerne einen weißen Mops kennen—komplett weiß! Hab ich noch nie gesehen, der Besitzer platzt vor Stolz. Man möchte nicht glauben, wie lang man ein angeregtes Gespräch über Mopsfellfarben führen kann, aber meine Ausdauer ergattert mir die erste Handynummer des Tages und eine Einladung zum nächsten Mopsevent: dem Oktober-Mopstreffen inklusive Mops-Halloweenparty, bei der Hund und Halter angeblich in passenden Kostümen auftauchen sollen. Ich glaube, ich habe mir soeben ein bisschen in die Jeans-Leggings gemacht. Egal—ich glaube, die Möpse stehen drauf.

Das angekündigte Highlight des Tages beginnt: das Mopsrennen. Wetten geht leider nicht, aber wir sind hier ja schließlich auch, “um Spaß zu haben” und nicht um uns zu bereichern. Dennoch frage ich mich, wie das funktionieren soll—einen Mops dazu zu motivieren, eine 50 Meter lange Strecke entlang zu laufen—und das auch noch schnell. Mit einem Fetzen Plüsch wie bei den klassischen Windhunderennen bestimmt nicht. Lösung des Rätsels: Jeder Mops rennt einzeln. In der Gruppe würde das vermutlich in einer Massenkarambolage und mehreren Herzinfarkten meinerseits enden. In der Mitte der Strecke wartet das Herrchen oder Frauchen und feuert seinen Mops an—was mal mehr und mal weniger gut klappt.

Das ist aber auch egal, weil jeder Mops—sowohl die disziplinierten Sprinter als auch jene, die es sich auf halber Strecke anders überlegen und lieber die Zuschauer am Rande begrüßen—tosenden Applaus und entzückte “Awwwws” erntet. Eine erste wunderbare Lektion über das Leben, die uns die Möpse lehren: Es geht nicht darum zu gewinnen. Es geht darum, dir selbst treu zu bleiben und glücklich zu sein.

Da nun mal jeder Mops einzeln rennen muss, dauert das Rennen insgesamt etwa drei Stunden. Bei der Hälfte ist das Bier alle—so viel Andrang hat es in den vorherigen Jahren noch nie gegeben. Etwas über 100 Möpse nehmen am Rennen teil. Ich treffe eine Dame, die ohne Scheiß aus Tennessee angereist ist. Auch spanische und einige sexy französische Möpse sind am Start. Multi-Kulti kann eben sehr gut funktionieren. Lernt von den Möpsen! Selbst der Mangel an Bier kann die Stimmung nicht trüben. Disneyland kann nach Hause gehen (es sein denn, die führen endlich ein 101 Dalmatiner -Zimmer ein, wo man mit 101 Dalmatiner-Welpen schmusen kann—dann lass ich nochmal mit mir reden). Aber was sind eigentlich schon 101 Dalmatiner gegen 300 grunzende, hechelnde und auf Spielzeugen rumquietschende Möpse? Die Soundkulisse erweckt in mir das Gefühl, als sei ich in einem Altenheim und Kindergarten gleichzeitig. Aber dann passiert ein Eklat!

Ein Rennmops wird disqualifiziert! Grund: Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass er kein reinrassiger Mops ist. Aufschrei! Empört rufen Georg und ich dem Schiedsrichter Rassismus-Vorwürfe entgegen, worauf der antwortet, dies sei immer noch ein Mopsrennen und kein Hunderennen. Genau. Wir sind hier immer noch in Deutschland! Ein Herr mit La-Martina-Polo-Shirt und hohem Bluthochdruck (erkennbar an seiner Gesichtsfarbe) dreht sich feixend zu uns und tuschelt “Höhö, ein Mops mit Migrationshintergrund”. Georg und ich schauen uns betreten an und kehren an unseren Platz mit dem Babymops Maya zurück. Gibt es hier Stift und Transparente? Ich möchte ein “All Pugs Matter” Schild basteln.

Die Gemüter beruhigen sich langsam (es gibt Weinschorle) und der Siegermops wird gekürt: Emma empfängt stolz ihren Pokal (eine vergoldete Mopsstatue), während zwei weitere Möpse die Zeremonie mit Paarungsversuchen auflockern. Emma lief in Bestzeit (die ich leider vergessen habe) und das, obwohl sie läufig ist! Eine Dame mit Periode hat also gewonnen. “Gut gemacht, Mopsschwester”, denke ich mir und recke mental eine Pfote in die Luft.

Leider neigt sich mit der Siegerehrung auch das Mopstreffen dem Ende zu und ich werde langsam etwas traurig. Ich habe wohl sämtliche Endorphine der nächsten Tage auf einmal aufgebraucht. Wie soll ich mein Leben ohne Hunderte Möpse um mich herum weiterleben? Wie soll ich jemals heiraten, wo es gilt, diesen Tag als glücklichsten Tag meines Lebens zu überbieten? Werde ich jemals wieder so glücklich sein können? Ich finde keine Antwort darauf, aber entdecke in meiner Tasche plötzlich die zusammengefaltete Einladung zur Mops-Halloweenparty und schöpfe Hoffnung. To be continued.