Popkultur

Islamabad Fashion Week

Pakistans erste Fashion Week war ein Desaster. Sie sollte letztes Jahr in Karatschi stattfinden, musste aber zweimal verschoben und schließlich verkleinert werden, weil es ständig Stromausfälle gab und islamische Fundamentalisten drohten, die ganze Veranstaltung in die Luft zu jagen. Dieses Jahr wurde das Event im Serena, einem Fünfsternehotel in Islamabad abgehalten. Angesichts der Tatsache, dass das einzige andere Fünfsternehotel der Hauptstadt, das Marriott, 2008 einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen war, bei dem 54 Menschen getötet wurden und der einen immer noch sichtbaren riesigen Krater im Hotelgelände hinterließ, war die Auswahl an Veranstaltungsorten ziemlich überschaubar.

Rund um das 14 Hektar große Hotelgelände herum war ein über einen Kilometer breiter Streifen Niemandsland geschaffen worden, dessen äußere Umrandung aus Bombenschutzwänden und Stacheldraht bestand. Um zum Eingang zu kommen, mussten Besucher im Slalom verschiedene Checkpoints umfahren, die von Dutzenden mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten bemannt wurden. Das Hotel an sich war nicht sonderlich spektakulär und verfügte über die Art importierten, homogenisierten Luxus, den man heute überall erwartet. Das einzige, was es von einem Fünfsternehotel in London unterschied, war, dass der Versorgungstrakt des Gebäudes gleichzeitig als Schutzkeller vor Bombenangriffen funktionierte.

 

Zum Sterben schöne Outfits—und zwar im wörtlichen Sinne, wenn man einer der zahlreichen Mullahs ist, die der Veranstaltung mit Selbstmordattentaten gedroht haben.
Wir sahen vier Tage lang zu, wie Models in dümmlichen Klamotten den Laufsteg hoch- und runterstie­felten, während andere Leute zusahen und nach jeder Runde in Applaus ausbrachen, als hätten die Models, allein weil sie dabei nicht ums Leben gekommen waren, etwas ganz Außergewöhnliches geleistet. Die Atmosphäre hinter den Kulissen ähnelte der westlicher Modeveranstaltungen. Es roch beißend nach Haarspray und Tabakrauch und die Creme de la Creme der pakistanischen Modelauslese lehnte matt an irgendwelchen Möbeln, klebte an ihren Blackberrys und wedelte sich mit Fächern Luft ins Gesicht. Extravagant gestylte Männer, die sich als die Choreografen, Stylisten oder Designer der Show herausstellten, hasteten herum, warfen die Arme in die Luft und riefen begeisterte Superlative wie: „Zum Sterben schön!“

Die weiblichen Topmodels waren wirklich unglaublich und die Männer auch, Letztere allerdings weniger im Sinne von „unglaublich schön“, sondern eher von „unglaublich freakig“. Und „überhaupt nicht schwul“. Die meisten von ihnen kamen aus Karatschi oder Lahore, waren eher stämmig und hatten stoppelige Brüste und Schmollmünder, die sich automatisch spitzten, sobald man die Kamera auf sie hielt. Für die meisten von ihnen war das der erste Modeljob ihres Lebens und ich war nervös und aufgeregt für sie. Trotz ihrer Unbeholfenheit stürmten diese Jungs bei Ammar Belals Debütshow beherzt zu einem Soundtrack aus Rock ’n’ Roll der 50er und 60er auf den Laufsteg. Am Ende war ich mindestens in einen von ihnen verknallt und hatte meine Sorgen, dass das Hotel in die Luft gesprengt werden könnte, komplett vergessen.

Die meisten Aftershowpartys wurden von einer Mischung aus Alkohol, Gras und (überraschenderweise) Kokain angeheizt. Trotz dieser chemischen Unterstützung konnten nur wenige Egos im Raum mit dem des Zirkusdirektors der Show, Tariq Amin, mithalten, der von sich behauptet, „die Vorstellung von Stil nach Pakistan geholt zu haben“.


Die weniger traditionelle Mode, die hier dieses Jahr zu sehen ist, scheint lose auf einem Chippendale-meets-Mekka-Motto zu basieren.
Außer, dass er also Pakistans selbsternannter Modeguru ist, moderiert Amin noch eine eigene Reality-TV-Sendung, hat ein Plattenlabel und ist ein preisgekrönter Friseur, Make-up-Künstler und Schauspieler. Er ist ein stämmiger, bärtiger Mann mit einer unglaublichen Präsenz, dessen wilde und regelmäßige Ausraster wegen kleinerer Modenotfälle alle in einen permanenten Zustand der Nervosität versetzten, dessen dröhnender, väterlicher Tenor es aber auch immer schaffte, wieder Ruhe in den Raum zu bringen.

Ein Typ, den wir bei der Afterparty trafen, rauchte mit Opium versetztes Hasch. Mit hervorquellenden Augen bot er mir sowohl Kokain an als auch die Möglichkeit, bei der Show am nächsten Tag einen Starauftritt zu haben, für den Tariq mir die Haare und das Make-up machen sollte. Ich nahm letzteres Angebot an.

Die Shows am nächsten Tag wurden von ständigen Stromausfällen geplagt und auch einige der Designer erschienen nicht. Die indischen Designer, die eingeladen worden waren, waren an der Grenze zurückgewiesen worden. Tariq drehte irgendwann durch und schob sogar genervt unsere Kamera zur Seite. Ich hatte das Gefühl, dass sie uns langsam satt hatten und ihnen die Energie ausging, um die ganze Zeit extra für die Presse ein freundliches Gesicht aufzusetzen.


Tariq Amin mit der Autorin
Wie befürchtet, war Tariq auch strikt gegen meine Teilnahme an der Show und erklärte, dass meine blonden Haare es „logistisch unmöglich“ machten. Als die Mädchen aus der Maske kamen, verstand ich auch warum. Sie hatten alle hüftlange, geflochtene, schwarze Extensions im Stammesstil, die, wie Tariq sagte, von einer „Fusion aus Rasta und nordpakistanischen Stammeskleidern inspiriert waren. Ich stimmte ihm zu, dass ich diesen Look wahrscheinlich nicht so überzeugend rübergebracht hätte.

Später in der Woche trafen wir uns mit ein paar Studenten und ich begann irgendwann ihre Entwürfe anzuprobieren, darunter auch einige knallbunte PVC-Kostüme, die es an Inspiration und handwerklicher Perfektion durchaus mit Central-Saint-Martins-Kreationen aufnehmen konnten. Sie wollten nicht, dass ich mich auszog, um sie anzuprobieren, also quetschte ich mich in meinen ganzen Klamotten in sie rein.

Als ich sie fragte, was sie inspiriere, ergossen sie sich ausführlich über den Frieden, die Liebe, Spiritualität und Lady Gaga, wobei sie Phrasen wie „ein Blut“, „Ich bin kein Terrorist“, und „Rihanna ist die Größte“ verwendeten.

Das beste Zitat war aber: „Die Mode wird Pakistan retten—nicht die Drohnen.“

Eine volle Reportage über unsere Zeit in Islamabad erscheint bald auf VICE.com