Ist Badminton die korrupteste Sportart der Welt?

Anfang November kam heraus, dass Lee Chong Wei, der beste Badminton-Spieler der Welt, bei einer Dopingkontrolle positiv getestet wurde. Zwar ist Badminton in Europa eher eine Nischensportart, trotzdem ist sie schon seit 1992 olympisch und erfreut sich vor allem in Asien großer Beliebtheit. Lee ist der Novak Djokovic seiner Gilde, ein Spieler also, der die letzten Jahre den Badminton-Zirkus mit dominierte. Er ist der beste Spieler, den Malaysia—eines der badmintonverrücktesten Länder überhaupt—jemals hervorgebracht hat. Als zweimaliger Silbermedaillengewinner bei olympischen Spielen ist Lee—bzw. war Lee—einer der Topfavoriten für die Spiele in Rio de Janeiro. Ihm droht eine zweijährige Strafe, weswegen er auch die nächsten Olympischen Spiele verpassen könnte.

Aber Lees positiver Dopingtest ist nicht nur deswegen schockierend, weil er eine echte Größe in seinem Sport ist. Er ist vor allem auch darum so schockierend, weil die Causa Lee einer von vielen Skandalen war, die den Badminton-Sport in den letzten Monaten erschüttert haben. Darum könnte man durchaus behaupten, dass Badminton aktuell die korrupteste aller Sportarten ist.

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Bei den Japan Open im vergangenen Juni wurden zwei dänischen Spielern mehr als 2.500 Euro dafür geboten, Spiele zu verschieben. Der mutmaßliche Täter kam aus Malaysia. Die beiden Spieler, Kim Astrup Sørensen und Hans-Kristian Vittinghus, haben den Vorfall umgehend dem Weltverband gemeldet. 2.500 Euro hören sich vielleicht nicht nach besonders viel Geld an, aber die Schlussfolgerungen, die man daraus ziehen kann, sind gravierend. Vittinghus gehört zur absoluten Weltspitze. Wenn sich Kriminelle also schon trauen, Spieler wie ihn anzusprechen, was passiert dann erst weiter unten in der Weltrangliste?

Im letzten Juni hat das französische Nachrichtenmagazin Le Express zu diesem Thema einen Enthüllungsbericht rausgebracht, in dem deutlich wurde, dass Spielmanipulationen vor allem im semi-professionellen sowie im College-Bereich ein großes Problem darstellen. Auf dieser Leistungsebene kann man zwar auch ein paar Hundert Euro gewinnen, wenn man recht weit im Turnier kommt, dafür winken aber mehrere Tausend Euro, wenn man mit Absicht schon früh aus dem Turnier ausscheidet. Da die meisten Wetten nämlich im Internet gesetzt werden, ist es gleichwohl schwieriger, sie zu überwachen. Seit 2010 hat ARJEL—eine französische Watchdog-Organisation, die sich um Online-Wetten kümmert—65 Glücksspielseiten in Frankreich verboten. Gleichzeitig ist es aber auch ein Business, bei dem die Buchmacher insgesamt ein recht geringes Risiko eingehen. Wenn man sein Handwerk ordentlich versteht, ist es ein Kinderspiel, die eigene Website auf eine andere Domain zu ziehen.

All diese Vorfälle und Erkenntnisse bringen den Badminton-Weltverband (BWF), der in Kuala Lumpur sitzt, natürlich ordentlich in Verlegenheit. Man kann also davon ausgehen, dass auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) ab jetzt genauer hinschaut.

„„Die Glaubwürdigkeit der Spiele ist eine der wichtigsten Sachen überhaupt”, sagte IOC-Sprecher Mark Adams während der Spiele in Sochi. „„Das Wettgeschäft gehört zu den Dingen, die den Sport in mancherlei Hinsicht noch mehr bedrohen als Doping.”

Wenn man all dem auch etwas Positives abgewinnen möchte, dann wohl die Tatsache, dass es gut ist, dass diese Vorfälle schon 2014 und nicht etwa erst kurz vor den Spielen in Rio aufgedeckt wurden. Das Mittel, auf das Lee positiv getestet wurde, war Dexamethason, ein entzündungshemmendes Medikament. Sollte er nicht die Höchstsperre erhalten (Lee beteuert in jedem Fall seine Unschuld), könnte er noch vor den nächsten Olympischen Spielen wieder in den Weltcup zurückkehren. Was Spielmanipulationen betrifft, ist noch so viel Zeit bis Rio, dass man echte und tiefgreifende Reformen im Badminton-Bereich durch- und umsetzen könnte.

In der Tat sind die Bestechungsversuche rund um Sørensen und Vittinghus auch ein Beweis dafür, dass erste kleinere Reformen durchaus Früchte tragen. Beide Spieler konnten die Vorfälle nämlich anonym in einem eigens bereitgestellten Whistleblower-System für Spielmanipulationen melden, das letztes Jahr vom BWF ins Leben gerufen wurde. (Die Namen wurden am Ende von dänischen Medien—und nicht vom BWF—veröffentlicht.)

Das IOC ist im Allgemeinen zwar keine Organisation, das man besonders für ihr ethisches Verhalten rühmen könnte, doch in den Monaten seit Adams Aussagen in Sochi hat sie zumindest die Bekämpfung von Spielmanipulationen zur einer Priorität gemacht. Im Oktober letzten Jahres hat man zusammen mit Interpol eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um eine bessere Handhabe gegen Spielmanipulationen zu haben. Ein erster wichtiger Schritt, schließlich ist Interpol—im direkten Vergleich mit ARJEL—definitiv besser dafür gewappnet, in der undurchschaubaren Welt der Online-Wetten für Ordnung zu sorgen.

Auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingen könnte, wären weitere Enthüllungen vor dem Starschuss in Rio durchaus auch etwas Positives für die Zukunft der Olympischen Spiele. Denn sobald es keinerlei Berichte mehr über Spielmanipulationen und positive Dopingtests gibt, haben wir wirklich großen Grund zur Sorge. Denn mit Skandalen verhält es sich wie mit den Kanarienvögeln, die Grubenarbeiter früher in ihre Minen mitgenommen haben sollen. Solange es sie gibt, wissen wir, dass das Ganze—hier: die Reformen und Kontrollen—mehr oder weniger ordentlich funktioniert.