Da will man es sich abends vor dem Fernseher nach einem langen Arbeitstag gemütlich machen und einfach ein bisschen den Kopf abschalten. Was würde dafür besser in Frage kommen als gutes, altes Trash-TV? Im Januar sind wir geradezu verwöhnt. Der Bachelor verteilt mal wieder Rosen, sonntags zieht sich die C-Prominenz in Dancing on Ice regelmäßig Bänderrisse zu und wer täglichen Bedarf hat, der guckt das Dschungelcamp. Aus Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! hat sich in den letzten Tagen eine nahezu übermenschliche Trash-Ikone herausgebildet, die alles auf sich vereint, was man an Fremdschäm-Formaten liebt: Evelyn Burdecki.
Die ehemalige Bachelor-Kandidatin sagt, was ihr gerade in den Sinn kommt und nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf intellektuelle Verluste. “Ich weiß nicht mal so wirklich, was Steuern sind”, offenbarte sie beispielsweise in einer der letzten Folgen des Dschungelcamps. Anschließend erklärte sie ausführlich, was sie sich unter Steuern vorstellt: “Man kriegt ne Summe und von dieser Summe gehen Steuern weg. Zum Beispiel für Ämter, das Tierheim, für Lehrer, fürs Schwimmbad, für den Zoo. Zum Beispiel bei 10.000 Euro. Dann muss man ja die Mehrwertsteuer abgeben. Das sind mal sechs Prozent, mal zehn Prozent, das geht bis zu 30 Prozent. Und der Rest ist dann für mich!”
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Bei der Zuschauerschaft herrscht Fassungslosigkeit. Hat sie das jetzt wirklich gesagt? Ist es die australische Sonne, die chronische Unterernährung, die hohe Luftfeuchtigkeit oder vielleicht doch ein sehr asozialer Steuerberater, die Evelyn Burdecki zu solchen Aussagen treiben? Und wenn es am Steuerberater liegt, wie lassen sich dann ihre anderen Äußerungen erklären?
Auch Twitter-Deutschland bewegt der IQ von Evelyn. Manche hoffen auf Dschungel-Unterwanderung und mutmaßen: “Was, wenn am Montag die Schlagzeile lautet ‘Dschungelkönigin von langer Hand geplant in Trash-Sendungen eingeschleust – alles Recherche für Doktorarbeit in Medienwissenschaften!’”
In anderen erweckt sie Mitgefühl: “Wenn Evelyn anfängt zu reden, denke ich mir immer nur, ‘Oh, honey’.” Wieder andere glauben an den Untergang des deutschen Bildungssystems. Kann man wirklich so dumm sein, fragen sich viele, oder spielt Evelyn Burdecki ganz bewusst das naive Blondchen, das so gar nicht versteht, wie die Welt um sie herum funktioniert? Und wenn Ja: Wie lange kann so was funktionieren?
Micaela Schäfer und Trash-Promi-Manager Ramon Wagner sind sich gegenüber VICE einig: “Die übertreibt”.
Wagner hatte nach Evelyns Ausscheiden beim Bachelor Vertragsgespräche mit ihr geführt, sagt er. Dabei sei sie ihm nicht so blöd vorgekommen: “Klar, Evelyn ist nicht die hellste Kerze auf der Torte und durchaus witzig und ein bisschen tollpatschig, aber so dumm, wie sie sich im Dschungel präsentiert, ist sie nicht.” Das würde man laut dem PR-Experten schon daran erkennen, dass sie nach ihren eigenen Sprüchen selbst immer lachen müsse.
Sie habe nach Promi Big Brother verstanden, dass ihre naive “Dummchen-Art” à la Verona Pooth gut ankomme, deswegen würde sie das nun eben weiter durchziehen, sagt Wagner. Micaela Schäfer geht noch einen Schritt weiter und nennt sie “abgebrüht”. Die Erotikdarstellerin war 2012 selbst bei Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! dabei und weiß, wie man sich im Dschungel präsentierten muss, um Aufmerksamkeit zu generieren. Evelyn Burdecki habe in der diesjährigen Staffel außerdem kaum nennenswerte Konkurrenz und es dadurch leicht, die Rolle der Sympathieträgerin zu übernehmen.
Dass diese Strategie nichts Neues ist, dürfte bekannt sein. Verona Pooth, Joey Heindle, Daniela Katzenberger – sie alle wurden durch ihre unbedarfte, leicht dümmliche Art bekannt, und genau dafür geliebt. Daniela Katzenberger war von diesem Prinzip so überzeugt, dass sie ihm gleich ein ganzes Buch gewidmet hat: Sei schlau, stell dich dumm.
Wir wollen uns so unbedingt besser, klüger und erfahrener fühlen als die vermeintlichen Promis, die sich im Fernsehen für uns zum Affen machen, dass wir aus unserer “erhabenen” Position heraus kein Problem damit haben, die kleine, liebe Evelyn Burdecki in unser Herz zu schließen. Vielleicht verdient sie bei einem zweiwöchigen Aufenthalt im Dschungelcamp mehr Geld als wir in einem Jahr, dafür wissen wir, aus was sich unsere Steuerzahlungen zusammensetzen.
Cristián Galvéz ist Persönlichkeitstrainer (geiler Beruf) und erklärt uns, warum das Dummchen-Konzept gerade bei der Dschungel-Blondine so gut funktioniert: Evelyn Burdecki habe eine hohe Stirn, runde Augen, große Lippen, ein kleines kurzes Kinn. Menschen würden positiv auf dieses Kindchen-Schema reagieren, sagt er. Das sei auch der Grund, warum wir im Netz Likes für Katzenvideos abgeben. Außerdem besitze sie eine hohe emotionale Intelligenz, die sie ihre eigenen Gefühle und die anderer gut wahrnehmen lässt. Das zeige sich daran, dass sie den anderen Kandidaten oft den Vortritt lässt und kein Problem damit hat, ihre Schwächen offen zuzugeben. Wie beispielsweise die Tatsache, dass sie in Erdkunde nur Dank ihres Lehrers noch eine 3+ bekommen hat.
Das macht sie zwischen den ganzen Profilneurotikern und Selbstdarstellerinnen, aus denen sich das Dschungelcamp ansonsten zusammensetzt, sympathisch.
Evelyn Burdecki weiß das – und kokettiert mit ihrer vermeintlichen Dummheit, die sie für viele so nahbar macht. Selbst ihr Anwalt ließ öffentlich verlauten, dass er Zweifel an der Intelligenz seiner Mandantin habe. Vor Gericht erklärte er, als Argument dafür, dass die IBES-Teilnehmerin ihren Führerschein behalten solle: “Sie ist zwar sehr hübsch, aber nicht die Hellste.” Kaum vorstellbar, dass ein Anwalt so etwas äußern würde, ohne es vorher mit seiner Mandantin abzusprechen.
Ist Evelyn Burdecki also gar nicht das Dummchen, für das sie sich ausgibt? Mit der öffentlichen Verwirrung um ihren Intellekt kokettiert sie immer wieder – und gießt weiter Öl ins Verschwörungstheorie-Feuer. Mehrfach betont sie, dass sie Fachabitur habe: “So dumm kann ich also gar nicht sein.” In Physik schaffte es die 30-Jährige auf ganze 12 Punkte. Wie lässt sich das mit ihrer scheinbaren Unfähigkeit vereinbaren, einfachste logische Zusammenhänge nicht zu verstehen? Evelyn selbst gibt an, sie hätte einfach “liebe Lehrer” gehabt, die ihr die ein oder andere Sache hätten durchgehen lassen. Ob auch hier das “Kindchenschema” gegriffen hat?
“Eine bessere Note aus Kulanz habe ich wohl noch nie gegeben, aber wohl aus pädagogischen Erwägungen heraus. Um einen etwas schlechteren Schüler zu motivieren”, sagt Michael Hering. Er ist Lehrer am OSZ Handel 1 in Berlin-Kreuzberg und lässt sich von weitaufgerissenen Augen und naiven Nachfragen nicht blenden. Und auch wenn er nicht für alle Schulen sprechen kann, sagt Hering: “Natürlich versuchen wir, die Mühe, die sich jemand gibt, auch in eine Note zu gießen. Aber um eine wirklich gute Bewertung zu bekommen, ist es bei mir wohl so wie bei meinen Kolleginnen und Kollegen: Bemühen allein reicht nicht.”
Was für die Schulzeit gilt, lässt sich auch auf den harten Alltag des Z-Promi-Daseins übertragen. Selbst wenn es sich bei dieser Dummchen-Nummer von Evelyn also um einen PR-Trick handeln sollte – irgendwann muss sich die ehemalige Bachelor-Kandidatin etwas Neues überlegen.
Denn vielleicht wird man mit sympathischer Blödheit Dschungelkönigin, wenn man Glück hat, darf man danach nochmal zu Promi Shopping Queen, das wars dann aber auch schon mit der großen Trash-Karriere. Weil die Flut an ehemaligen Datingshow-Kandidatinnen nicht abreißt und die eben auch wissen, wie weit sie die Augen aufreißen müssen, damit die Kamera auf ihnen bleibt.
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