Antisemitismus

Deutschland 2019: Rabbiner traut sich nicht mehr, Bus und Bahn zu fahren

Der Kölner Rabbiner wurde so oft beleidigt, dass er wieder das Auto nimmt.
Ein Rabbiner schaut aus dem Fenster eines Buses
Symbolfoto: imago | Uwe Steinert

Es ist gar nicht lange her, da freute Yechiel Brukner sich noch über seinen neuen Arbeitsplatz. "Meine Familie und ich sind hier mit offenen Türen und Herzen empfangen worden", sagte der Schweizer, der im September die seit drei Jahren leerstehende Stelle des Rabbiners in der Kölner Synagogen‐Gemeinde übernommen hatte, der Jüdischen Allgemeinen. "Die Kölner sind einfach so – mit viel Wärme, Lächeln und Aufrichtigkeit."

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Mittlerweile hat der Rabbiner allerdings auch andere Kölner kennengelernt. Menschen, die ihm nicht mit Wärme, sondern mit Hass begegnet sind. Nur weil er ein jüdischer Rabbiner ist.

Die Nachricht ist einfach, aber bedeutsam: Nachdem er ursprünglich auf einen Dienstwagen für seinen neuen Posten verzichtet hatte, weil er "nah an den Menschen der Stadt sein wollte", hat sich Brukner nun entschlossen, doch mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Und zwar, weil er in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu oft "massiv antisemitisch beschimpft" worden sei, wie der Geschäftsführer der Synagogengemeinde, David Klapheck, der Kölnischen Rundschau erklärte.

Körperliche Angriffe habe es noch nicht gegeben. "Es ging aber so weit, dass ihm vorgehalten wurde, die Juden seien doch selbst schuld an dem Leid, dass sie erfahren haben", sagte Klapheck.

Schon in seinem Gespräch mit der JA im Januar hatte Brukner davon gesprochen, bereits zweimal "antisemitisch angegangen" worden zu sein – damals offenbar nur von Menschen mit Migrationshintergrund, denn er beklagte da vor allem den "eingewanderten Antisemitismus".

Mittlerweile hat sich das Feld der Angreifer offenbar ausgeweitet: Die verbalen Angriffe seien "aus allen Teilen der Gesellschaft" gekommen, sagt Klapheck. "Nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche aus allen Altersgruppen hätten sich dem Träger der Kippa gegenüber feindlich geäußert", schreibt die Rundschau.

Brukner wird deshalb in Zukunft auf die Nähe zu den Kölnern verzichten müssen. Er wird nun doch den Dienstwagen zu seinem Arbeitsplatz nehmen.

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