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Women-Take-Over

Hört endlich auf, uns Girlband zu nennen!

Velvet Two Stripes finden, dass die Unterscheidung zwischen weiblichen und männlichen Bands sie degradiert.
Foto: Markus Diggelmann

Heute ist Weltfrauentag. Noisey überlässt aus diesem Anlass Frauen aus der Musik- und Nightlife-Szene das Wort. Sophie Diggelmann ist Sängerin der St. Galler Rockband Velvet Two Stripes.

Girlband, Frauenband, "all-female Rockband" – wenn du selbst in einer Band spielst, die mehrheitlich aus Frauen besteht, stolperst du vermutlich oft über diese Betitelung. Es ist ein Thema, das nicht nur mich, sondern viele Musikerinnen beschäftigt und irritiert.

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Die Diskussion über Gleichberechtigung und Frauen im Musikgeschäft hat zu meiner Freude viele zum Nach- und Umdenken gebracht. Wir leben in einer Zeit, in der wir mit dem Flugzeug in einer Stunde von Zürich nach Berlin fliegen können, Tinder uns den peinlichen Smalltalk erspart, bevor es zur Sache geht, und allfällige Geschlechtskrankheiten per App getestet werden können. Da sollte es doch langsam auch möglich sein, nicht mehr zwischen Bands und Frauenbands zu unterscheiden.

Eine Gruppe von Musikerinnen als Frauenband zu bezeichnen, als wäre es ein Musikgenre, ist schlichtweg faul, reduzierend und hat überhaupt nichts mit ihrer Musik zu tun. Natürlich ist die Bezeichnung "Boyband" genauso abwertend wie "Girlband", doch besteht ein Unterschied zwischen den beiden Titeln. Spricht man von Boybands, hat jeder klar ein Genre vor Augen: einstudierte Choreografien, kommerzielle Melodien, abgestimmte Kleider, blonde Strähnchen im Haar und kreischende Frauen. Aber wann wurden die Rolling Stones oder Franz Ferdinand zuletzt Boyband genannt? "Girlband" dagegen wird für jegliche weibliche Musikformation benutzt. Seien es die Spice Girls, Destiny's Child oder Bikini Kill, The Runaways oder Dixie Chicks. Alles Musikerinnen, aber der Musikstil könnte nicht unterschiedlicher sein. Versucht mal, eine weibliche Musikgruppe zu finden, die nicht zu 90 Prozent in Interviews als Girlband bezeichnet wird.

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Die Existenz weiblicher Musikgruppen dermassen hervorzuheben ist merkwürdig und stellt uns als Spätzünder der Musikgeschichte dar. Was einfach nicht stimmt. Sister Rosetta Tharpe zum Beispiel haben wir den Rock'n'Roll zu verdanken. Sie zog 1938 nach New York, um nachhaltig die Musik auf den Kopf zu stellen. Tharpe kreuzte Swing mit Gospel und erschuf damit einen Vorläufer für das, was wir heute Rock nennen. "Strange Things Happening Every Day" gilt als der erste Rock'n'Roll-Song. Es war auch Sister Rosetta Tharpe, die Little Richard 1947 auf die Bühne holte. Er war damals 14 und sang zum ersten Mal ausserhalb der Kirche.

Fast Forward zur Punk-Szene der 1970er. Neben Acts wie The Clash oder Iggy Pop war sie geprägt von talentierten Künstlerinnen wie Debbie Harry, Chrissie Hynde, Patti Smith und unzähligen anderen Frauen. Wie ihre männlichen Pendants haben sie noch heute Ikonenstatus und eine grosse Vorbildfunktion. Heldinnen der Musik gibt es in jeder Ära und in jedem Genre. Es ist nur die Frage, wie häufig sie erwähnt werden – und in welcher Form.

Ich frage mich, ob sie sich auch schon über den kleinen aber sehr feinen Unterschied, der zwischen Frauenbands und Bands gemacht wird, geärgert haben. Die Unterscheidung zwischen Musik und Frauenmusik stellt uns weiterhin als etwas Exotisches dar. Wir werden dadurch zu Musikern zweiter Klasse. Ist es denn wirklich notwendig, den Unterschied zwischen Mann und Frau hervorzuheben, obwohl künstlerisch überhaupt kein Unterschied vorliegt?

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Deshalb: Bitte löscht "Frauenband" und "Girlband" aus eurem Vokabular. Wir Musikerinnen danken es euch.



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