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Vorwurf: AfDler sollen versucht haben, eine Vergewaltigung zu vertuschen

Laut einem Pressebericht soll eine Tonbandaufnahme gleich zwei Funktionäre aus Sachsen-Anhalt belasten.
Matthias Büttner | Foto: imago | Christian Schroedter 

Die Geschichte, die die Volksstimme aus Sachsen-Anhalt erzählt, ist gruselig: Am 27. Januar geht bei der Magdeburger Rettungsleitstelle ein Notruf ein. Ein Mann erklärt, dass sich "eine Bekannte womöglich was antun möchte". Und fragt direkt nach: "Was kann man da jetzt machen?"

Der Mitarbeiter des Notrufs erklärt, dass in diesem Fall ein Rettungswagen losgeschickt werde. Wenn die Frau die Tür nicht öffne, erklärt er, breche die Feuerwehr sie auf. Ein Notarzt würde dann entscheiden, ob die Frau in die Psychiatrie eingewiesen werden müsse. "Super, super", antwortet der Anrufer. "Ich will mich absichern, dass Sie da wirklich was machen." Warum er glaubt, dass seine Bekannte sich etwas antun könnte, sagt er nicht.

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Bei dem Anrufer soll es sich um ein Vorstandsmitglied der Jungen Alternative in Sachsen-Anhalt handeln. Das berichtet die Volksstimme, eine Magdeburger Lokalzeitung. Ihr liege eine Aufnahme des Gesprächs vor. Die Zeitung vermutet, dass der Anrufer die Rettung nicht aus Fürsorge alarmiert hat – sondern, um eine Frau zum Schweigen zu bringen, die einen Parteikollegen der Vergewaltigung beschuldigt hat.


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Es geht um Matthias Büttner, Abgeordneter der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt. Eine ehemalige Mitarbeiterin der AfD-Fraktion hatte Büttner im Dezember 2016 vorgeworfen, sie einen Monat zuvor während einer Tagung in Erfurt vergewaltigt zu haben. Kurz nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, wurde die Referentin entlassen – die AfD-Fraktion begründete das mit "erheblichen fachlichen Beanstandungen" ihrer Arbeit. Die Referentin klagte gegen die Entlassung, verlor aber schließlich im Juni 2017 vor Gericht – weil sie ein Zeugnis gefälscht hatte, um den Job zu bekommen.

Auf einer Pressekonferenz am 30. Januar bestritt Matthias Büttner den Vergewaltigungsvorwurf. "Ich bin unschuldig", beteuerte er – viel mehr wollte er nicht sagen. Er kenne die Anschuldigung nur vom Hörensagen, und die Staatsanwaltschaft habe ihm noch keine Einsicht in die Akten gewährt.

Mehr zu sagen hatte er über die Anklägerin. Nach Büttners Schilderung war er nicht Täter, sondern Opfer: Die Frau habe ihn gestalkt, ihm Hunderte Nachrichten geschickt und mehrmals weinend und betrunken auf die Mailbox gesprochen. Warum er keinen Kontakt mehr zu ihr wolle, soll sie gefragt haben. Die Vergewaltigung sei erfunden, die Vorwürfe nichts weiter als eine Verleumdungskampagne, Teil eines "zielgerichteten Schauspiels". Büttner erklärte, er habe mittlerweile selbst Strafanzeige gegen die Frau gestellt – wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Verleumdung und Stalking.

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Falls die Aufnahme der Volksstimme echt ist, dürfte sie allerdings erhebliche Zweifel an Büttners Version wecken. Der Nachwuchspolitiker, der den Notruf gewählt haben soll, ist laut dem Bericht ein enger Vertrauter Büttners. Sollte er wirklich drei Tage vor Büttners Pressekonferenz versucht haben, die Ex-Referentin als suizidgefährdet darzustellen, würde das zumindest Fragen aufwerfen. Etwa, ob ihre Glaubwürdigkeit untergraben werden sollte.

Die ehemalige Referentin selbst zumindest scheint nicht der Meinung gewesen zu sein, einen Notarzt zu brauchen. Als der nämlich tatsächlich Minuten nach dem Notruf bei ihr eintraf, wehrte sie sich "mit anwaltlicher Hilfe gegen ärztliche Behandlung", heißt es in dem Zeitungsbericht. Kurz darauf zeigte sie Schmidt wegen Notrufmissbrauch an, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft, bestätigte diese gegenüber VICE. Schmidt selbst will zu dem Anruf nichts sagen. "Das ist schon sehr lange her, ich kann mich gar nicht mehr richtig erinnern", sagte er laut der Volksstimme. Außerdem hätten sich damals "viele in der Partei" Sorgen um die Referentin gemacht.

Dass jemand den Notruf missbraucht, um einen anderen ungerechtfertigterweise einweisen zu lassen, geschieht wohl nicht oft. "Dass sowas in böser Absicht gemacht wird, kommt wirklich sehr selten vor", erklärt Helge Langenhan, der Leiter des Magdeburger Amtes für Brand- und Katastrophenschutz. Die Rettungsdienste würden zwar tatsächlich Türen aufbrechen, wenn eine "akute gegenwärtige Gefährdung" bestehe. Die Einweisung eines Patienten gegen dessen Willen könne der Notarzt jedoch nur verfügen, wenn ein ebenfalls anwesender Beamter der Feuerwehr die Entscheidung mittrage. Und auch dann dürfe die Person maximal 24 Stunden in der geschlossenen Abteilung festgehalten werden, erklärt Langenhan.

Matthias Büttner hat bis jetzt nicht auf eine Anfrage von VICE reagiert.

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