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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Robert Geiss vs. kinderhassender Prügelrentner

Der "Geissens"-Patriarch rantet nach dem WM-Aus über Mesut Özil, und ein 78-Jähriger greift vier jugendliche Fahrradfahrer an.
Foto links: imago | Future Image || Foto rechts: Atlantios | Pixabay | CC0

Es ist mal wieder an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Robert Geiss

Der Vorfall: Die deutsche Fußballnationalmannschaft fliegt zum ersten Mal in ihrer Geschichte schon in der Vorrunde aus der WM.

Die angemessene Reaktion: Den Schmerz mit sehr viel Alkohol oder pathetischen Facebook-Einträgen über das Ende des deutschen Fußballs kompensieren. Oder durchatmen und ganz normal weitermachen.

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Die tatsächliche Reaktion: Die Spieler verantwortlich machen, die einem nicht deutsch genug sind.

In Anbetracht der Tatsache, wie häufig politische Entscheidungen mittlerweile von Stimmungslagen in Facebook-Kommentarspalten beeinflusst werden, haben wir es vielleicht auch gar nicht anders verdient, aber: Wann genau haben die Geissens den Eindruck gewonnen, dass sie die Ulrich Wickerts der Trash-TV-Ära sind und ihre Positionen zu gesellschaftspolitischen Ereignissen essentiell für den öffentlichen Diskurs sind?

Schon zur Echo-Kontroverse um Kollegah und Farid Bang ging es ihnen weniger um Antisemitismus im Rap als um einen Vorwand, ihr rassistisches Weltbild bestätigt zu sehen. Da kam das vorzeitige WM-Aus der deutschen Fußballnationalmannschaft wohl gerade recht, um einmal mehr deutlich zu machen, woran Menschen mit Migrationshintergrund eigentlich sonst noch so schuld sind.

Mutmaßlich angetrunken, in jedem Fall aber wacklig (und mit mehreren Flaschen Alkohol im Bild), filmt Robert Geiss einen Fernsehbildschirm ab, auf dem das fußballerische Drama gegen Südkorea zu sehen ist. Aus dem Off wettert er gegen die "deutsche Nationalmannschaft, die ja gar nicht mehr deutsch ist, die nichts auf die Reihe bekommt". Verantwortlich für die Misere macht er neben Bundestrainer Jogi Löw einen Spieler: Mesut Özil. Auch wenn es sich beim Fußball nachgewiesenermaßen um eine Teamsportart handelt und eine einzige Person gar nicht dazu in der Lage sein kann, ein vorzeitiges Turnier-Aus zu provozieren.

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Auch seine Frau Carmen scheint Böses zu ahnen und brüllt mehrfach panisch "Rrrooooberrrrt!!!" im Hintergrund. Offensichtlich fühlt sie sich in der Rolle der fremdenfeindlichen Neureichen nicht mehr ganz so wohl. Doch Rrrooooberrrrt ist noch lange nicht fertig. "Ich verstehe auch nicht, warum man Özil nicht langsam mal ausgetauscht hat", sagt er. "Bei Erdoğan könnte der in der ersten Reihe spielen!" Es geht also, wie bei so vielen Kritiken nach dem Spiel, nicht um fußballerische Mängel und eigentlich geht es auch gar nicht um Fußball. Es geht darum, dem Nationalspieler mit türkischen Wurzeln noch mal so richtig reindrücken zu können, dass man angeblich noch lange nicht deutsch ist, nur weil man in Deutschland geboren wurde.

Deswegen sind wir inhaltlich – abgesehen von der Beleidigung – bei einem der Instagram-Kommentatoren, der irritiert feststellt: "Du Hund, die haben alle deutsche Staatsbürgerschaft. Was laberst du für eine Scheiße?"

Heulsuse #2: Ein sehr wütender, alter Mann

Der Vorfall: Vier Jungs spielen im Wald in Hessen und parken dafür ihre Fahrräder und Rucksäcke am Wegesrand, wo sie ein Rentner findet.

Die angemessene Reaktion: An den Fahrrädern und Rucksäcken vorbeigehen und weiter tun, was man als alter Mensch mit sehr viel Zeit eben so tut.

Die tatsächliche Reaktion: Komplett ausrasten und die Kinder angreifen.

Wenn alte Menschen eine Superkraft haben, dann ist es ihr explosives Wutbürgertum. Schließlich hatten sie sehr viel Zeit, um sehr viel Hass auf ihre Mitmenschen aufzubauen. Und die muss natürlich irgendwo abgeladen werden – idealerweise bei denen, die sich nicht wehren können. Exakt das hat ein Rentner aus dem hessischen Oberursel getan, als er am Mittwoch im nahegelegenen Wald spazieren ging.

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Als der 78-Jährige Fahrräder und Rucksäcke am Wegrand liegen sah, die dort von spielenden Kindern geparkt wurden, knallten ihm die Sicherungen durch. Laut der Frankfurter Rundschau trat er nach den Habseligkeiten der vier Jungs und wurde ihnen gegenüber nicht nur verbal ausfällig. Der Mann griff die 12- bis 14-Jährigen sogar körperlich an, wobei eine Kamera und ein Smartphone zu Bruch gingen.

Den Kindern selbst passierte glücklicherweise nichts. Sie riefen die Polizei, die den Rentner festnahm und nun wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung ermittelt. Was lernen wir daraus? Weniger Angst vor Wolfsrudeln, die mittlerweile wieder in deutschen Wäldern heimisch werden. Mehr Angst vor alten Menschen.

Und jetzt dürft ihr abstimmen: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*

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