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Das hier ist die älteste Blockchain der Welt

Vor fast zehn Jahren erschien die Bitcoin und veränderte das Netz – doch die Blockchain, die Technologie hinter Kryptowährungen, ist wesentlich älter. Seit über 20 Jahren versteckt sie sich in einer der meistgelesenen Zeitungen der Welt.
Zeitung

Kein Buzzwort hört man in den letzten Jahren in der Tech-Welt häufiger als Blockchain. Die dezentralen, unveränderlichen Datenspeicher bilden nicht nur die Grundlage für viele Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, sie sollen auch andere Probleme auf der Welt lösen, beispielsweise den Handel mit Blutdiamanten verhindern oder Schweinefleisch in China tracken.

Dabei ist die Technologie hinter diesen Blockchains viel älter, als die meisten Leute vermuten dürften. Seit 1995 ist die älteste Blockchain der Welt theoretisch für jeden sichtbar, denn sie wird einmal pro Woche im Anzeigenteil einer der meistgelesenen Zeitungen der Welt abgedruckt: der New York Times.

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Im Grunde ist eine Blockchain eine Datenbank, die durch kryptografische Rechenoperationen abgesichert wird. Neue Informationen werden dieser Datenbank in Form von "Blöcken" hinzugefügt. In regelmäßigen Abständen wird ein neuer Block erstellt und an die Kette von Blöcken gehängt, die zuvor erstellt wurden. Jeder Block hat eine einzigartige Identifikationsnummer, die als Hash bezeichnet wird. Dieser Hash wird generiert, indem die ID des vorherigen Blocks und die Daten im neuen Block durch einen Algorithmus gejagt und verschlüsselt werden. So wird die Integrität von allen auf der Blockchain gespeicherten Daten sichergestellt, denn wenn die Informationen in einem Block geändert werden würden, würde auch ein anderer Hash entstehen.

Inzwischen wird "Blockchain" als Synonym für die Technologie verwendet, die hinter populären Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum steckt. Obwohl Blockchains sich sehr gut eignen, um über finanzielle Transaktionen Buch zu führen, ist das bei Weitem nicht ihr einziges Anwendungsgebiet. Eigentlich kann jede Art von Information auf der Blockchain gespeichert werden. So wurden in der Vergangenheit schon Marihuana-Sorten, virtuelle Kätzchen und wertvolle Kunstwerke auf der Blockchain gespeichert.

Zwei Kryptografen wollen Dokumente fälschungssicher machen – und erfinden die Blockchain

Die Blockchain, wie wir sie heute kennen, wurde 1991 von den Kryptografen Stuart Haber und Scott Stornetta erfunden. Sie entwickelten die Technologie, weil sie nach einem Weg suchten, um digitale Dokumente mit einem Zeitstempel zu versehen und ihre Echtheit zu verifizieren. In einem Paper, das in The Journal of Cryptology veröffentlicht wurde, beschreiben sie, wie wichtig es ist, mit Sicherheit sagen zu können, wann ein Dokument erstellt oder geändert wurde, um Fragen rund um das Urheberrecht klären zu können.

Das stellte Haber und Stornetta vor zwei Probleme: Zum einen müssen die Daten im Dokument selbst mit einem Zeitstempel versehen werden, damit Informationen nicht im Nachhinein abgeändert werden können. Außerdem muss es unmöglich sein, den Zeitstempel selbst zu manipulieren.

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Ihre Lösung: Sie ließen die Dokumente durch einen kryptographischen Hashing-Algorithmus laufen, der eine einzigartige Identifikationsnummer für jedes Dokument erstellt. Falls nun eine Information im Dokument abgeändert wird und das Dokument wieder durch den Algorithmus gejagt würde, würde eine andere ID entstehen. Der Nutzer kann nun die verschlüsselte ID seines Dokuments an einen Zeitstempel-Service schicken, der durch eine digitale Signatur bestätigt, dass die ID zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegen genommen wurde.

Hashwerte von Surety, die in der New York Times abgedruckt wurden.

So landete die erste Blockchain in der New York Times

Ihre Idee entwickelten Haber und Stornetta zu einem Geschäftsmodell weiter: 1994 gründeten sie ihren eigenen Zeitstempel-Service namens Surety, der kryptographisch abgesicherte Siegel für digitale Dokumente anbietet. Mit der firmeneigenen Software erstellen Kundinnen und Kunden einen Hashwert für ihr Dokument. Dieser Hashwert wird an den Server übermittelt und dort mit einem Zeitstempel versehen. Aus der Kombination von Hashwert und Zeitstempel entsteht ein digitales Siegel – eine verschlüsselte Identifikationsnummer, die an das Software-Programm der Kundin zurückgesandt und dort gespeichert wird.

Außerdem werden Kopien aller Siegel an die zentrale Datenbank von Surety geschickt, wo alle Siegel aneinandergereiht werden. In dieser Siegel-Kette werden alle Siegel chronologisch festgehalten, die Surety jemals produziert hat.

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Damit jeder öffentlich nachvollziehen kann, dass die Siegel nicht verändert wurden, generiert Surety jede Woche einen einzigartigen Hashwert für alle neuen Siegel und druckt diesen Wert in der New York Times ab. Der Wert findet sich in einer kleinen Annonce im Anzeigenteil der Zeitung – dort erscheint er seit 1995 jede Woche. Nach demselben Prinzip können heute die Hashwerte einer Kryptowährung von jedem Nutzer in der jeweiligen Blockchain im Internet eingesehen werden.


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Surety zufolge ist es somit unmöglich, dass die Zeitstempel rückdatiert werden oder etwas an den digital versiegelten Dokumenten verändert wird. Oder zumindest so gut wie unmöglich. Der Mitbegründer der Kryptowährung Ethereum, Vitalik Buterin, scherzte kürzlich auf Twitter, dass man die Blockchain von Surety durchaus manipulieren könnte. Man müsste dafür lediglich "eine gefälschte Zeitung mit einer anderen Abfolge von Hashes drucken und sie weiter verbreiten als die echte New York Times". Bedenkt man, dass die New York Times eine Auflage von ungefähr 570.000 Exemplaren pro Tag hat, dürfte das jedoch selbst für das Krypto-Wunderkind Buterin ganz schön schwierig werden.

Sowohl Haber als auch Stornetta verließen Surety vor über zehn Jahren, um sich wieder auf die Forschung zu konzentrieren. Heute arbeiten beide als Kryptografen an anderen Blockchain-Projekten. Ihre Idee, die sie 1991 erstmals in ihrem Paper beschrieben, ist der Prototyp der Blockchains, die heute hinter den meisten Kryptowährungen stecken. Als Satoshi Nakamoto 2008 zum ersten Mal Bitcoin in einem Whitepaper vorstellte, stammten drei der insgesamt acht Paper, auf die er sich bezog, von Haber und Stornetta. Gegenüber dem Wall Street Journal sagte Stornetta dazu, dass es sich "ziemlich cool" anfühle, den Bitcoin-Erfinder inspiriert zu haben.

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