Politik

Neonazis und "Patrioten" drehen durch, weil Egotronic tun, was sie schon immer tun

Die Elektropunkband weiß halt, wie man rechte Kartoffeln zum Kochen bringt – mit ihrem neuen Musikvideo "Kantholz".
Screenshot aus dem Video, ein Fadenkreuz vor zwei Menschen
Screenshot aus YouTube-Video "Egotronic - Kantholz (Official Video)" von Audiolith

Wer Egotronic kennt, weiß, was Egotronic machen. Seit über 18 Jahren macht sich die Band um Frontmann Torsun einen Spaß daraus, Menschen aufzuregen, die es verdient haben, Kartoffeln genannt zu werden. Denn jede Beschimpfung muss man sich schließlich hart erarbeiten. Manchmal tun Egotronic das mit witzigem Nonsens, manchmal aber auch mit ernsthafter Kritik an Verhältnissen, Staat und Deutschtümelei.

Anzeige

Spätestens seit ihrem 2006 erschienenen Dancefloor-Kracher "10 German Bombers" weiß eigentlich jeder, wofür die Band steht. Zu Beginn schreit Torsun in bester H.P.-Baxxter-Manier "I am the kraut killer" ins Mikrofon. Und da am 13. September das neue Album "Ihr seid doch auch nicht besser" veröffentlicht wird, haben Egotronic mal wieder das getan, was sie am besten können: Deutschland beschimpfen und selbsternannten "Patrioten" den Schaum vor den Mund treiben. Business as usual.

Die einzigen, die das nicht begreifen und sich regelmäßig darüber aufregen, sind jene, die sich aufregen sollen. Wobei, sind wir ehrlich, kein politisches Lager hat die Empörungsindustrie exklusiv für sich gepachtet. Auch Linke oder Mitte-Fetischisten springen gerne über die Stöckchen, die man ihnen hinhält. Der Unterschied ist nur: Während sich die Gemäßigten täglich in den sozialen Netzwerken über ernstzunehmende Bedrohungen oder Skandale echauffieren (zu schweigen, ist schließlich keine Alternative), auf Probleme hinweisen oder etwa fordern, Hardcore-Neonazis von Podiumsdiskussionen auszuschließen, geilen sich die Rechten lieber an Vergasungsfantasien auf oder verlieren sich in absurden Schwurbeleien wie "Linke waren eben schon immer Nazis".

Was uns wieder zu Egotronic und dem Video zu ihrem neuen Song "Kantholz" bringt. Der Titel ist offensichtlich eine Anspielung auf den vermeintlichen Mordanschlag auf den AfD-Politiker Frank Magnitz, der sich dann aber wohl doch nur als Sturz herausstellte.

Anzeige

In dem Video stellen jedenfalls einige Darsteller die berühmt-berüchtigte Geburtstagsparty von Matthias Matussek nach. Für alle Fortnite-Kids: Matussek war mal ein ernstzunehmender Journalist, wurde dann bereits vor Jahren von Kurt Krömer in dessen Show komplett vorgeführt und ist mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem er auf Facebook seine Geburtstagsgeschenke präsentiert. Vor einigen Monaten feierte er seinen Jahrestag mit einer bunt gemischten Gästeliste. Darunter: der rechtsradikale Identitäre Mario Müller (ein Name wie aus dem Kartoffel-Lehrbuch), der später peinlich berührte TV-Moderator Reinhold Beckmann, die Flüchtlinge hassende, ehemalige Vorsitzende des Zentrums gegen Vertreibungen, Erika Steinbach (wow!), sowie der inzwischen zur journalistischen Urne namens Focus gewechselte, damalige Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer.

Diese Party spielen Egotronic also nach und texten dazu "Kein Rechtsruck nirgends, was wollt ihr mir erzählen? / Demokratie muss sowas aushalten können / Man muss auch mal das Pro und Kontra zu Seenotrettung diskutieren / Um wirklich jeden in den Diskurs zu integrieren". In dem Video sehen wir dann eine junge Frau im Latex-Outfit, die sich auf einem gegenüberliegenden Dachboden postiert, ein Präzisionsgewehr auspackt und dann auf die Party zielt.

Die selbsternannten "Patrioten" entlarven sich selbst

Matussek sieht darin, in einem seiner Mitleid erregenden Videos aus seinem Wohnzimmer, einen "Mordaufruf". Außerdem stellt er fest, das Ganze sei "gut gemacht. Professionell. Mit einigem Aufwand". Das klingt im Unterton fast so, als könnten auch Geldgeber wie die CDU oder Illuminaten dahinter stecken.

Und was machen nun die Leute, die vorgeben, so ein Video sei ein Aufruf zur Gewalt? Die behaupten, hier habe man eine Grenze überschritten? Die sagen, dass Egotronic hier eindeutig gegen die Würde des Menschen verstößt?

Anzeige

Richtig, sie schreiben auf YouTube oder auch in anderen sozialen Medien Kommentare wie "Wir liegen immer noch mit 6 Millionen in Führung", "Heil Deutschland" oder "Das ist öffentliche Hetze". Die meisten der Kommentare hat das Label bereits gelöscht, die Screenshots liegen VICE jedoch vor. Wie gewohnt können sich die selbsternannten "Patrioten" in ihren Schimpftiraden nicht entscheiden, ob Linke, beziehungsweise die Antifa, ein Haufen ISIS-gleicher Terroristen-Monster sind oder eine Horde verweichlichter Babys, die bei Mutti wohnen. Beide Behauptungen halten sich prozentual die Waage.


Auch bei VICE: Der Neonazi-Jäger:


Den lautstarken "Das geht aber nicht"-Schreiern scheint dabei gar nicht aufzufallen, dass sie oder ihre Brüder im Geiste im selben Atemzug zu Mord und Totschlag aufrufen, den Holocaust verharmlosen und – vor allem – bei tatsächlichen Anschlägen und Schießereien aus dem rechten Lager schweigen. Ein Musikvideo, in dem offensichtlich eine Geburtstagsparty verarscht wird – das sind für sie die wahren Probleme unserer Zeit.

Eine Sache übersehen sie dabei jedoch komplett: Entgegen der Behauptung von Matussek oder rechten Online-Postillen wie Compact oder Journalistenwatch wird in dem Video überhaupt niemand erschossen. Nichts, nada! Es wird nicht abgedrückt, keine Körper werden getroffen, niemand stirbt. Und auch der Titel ist keine Anspielung auf einen Mordversuch, wie viele behaupten. Denn es gab erwiesenermaßen weder ein Kantholz noch einen Mordversuch.

Im Ergebnis hat der Shitstorm also drei Dinge zu Tage gefördert: Egotronic bringen ein neues Album raus. Jene, die dagegen wettern, zeigen mit ihren Äußerungen, was für ein Gedankengut in ihren Reihen schlummert. Und die "Mordversuche", von denen in der rechten Szene gerne mal geschwafelt wird, stellen sich einmal mehr als aufgebauschte Lügengebilde heraus. So entlarvt sich eine Szene mal wieder selbst. Business as usual.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.