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Mehrere Frauen wurden heimlich in einer deutschen Sauna gefilmt

Trotzdem nahm xHamster einige der Sauna-Videos wochenlang nicht offline.
Ein Handy, das eine Frau in der Sauna filmt
Fotos: imago images | Panthermedia || imago images | Westend61 || bearbeitet

Als Hanna und ihre Schwester nackt durch ein Göttinger Spa liefen, wussten sie noch nicht, dass sie dabei gefilmt wurden – bis ein Freund sie am 29. Oktober diesen Jahres auf der Pornoplattform xHamster entdeckte. Es gibt neben diesem Video noch mindestens sieben weitere Clips, die an diesem Ort entstanden sind und mindestens vier weitere Frauen zeigen.

Auf einem Video sind zwei junge Frauen zu sehen, bekleidet mit einem Bademantel und einem Handtuch. Sie kichern und zögern kurz, bevor sie sich ausziehen. Auf einem anderen Video steht eine Frau nackt unter der Dusche. Kurz darauf ist dieselbe Frau zu sehen, während sie aus einem Schwimmbecken steigt. Mehrere Aushänge weisen darauf hin, dass das Filmen im Spa-Bereich verboten ist. Die Frauen schauen nicht in die Kamera, sie verhalten sich wie normale Saunagäste. Es ist also davon auszugehen, dass keine von ihnen weiß, dass sie in diesem Moment gefilmt wird.

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Der Fall von Hanna ist ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, sich gegen voyeuristische Aufnahmen auf Pornoseiten zu wehren – und er zeigt, wie schnell man selbst zum Opfer werden kann.

Einen Tag, nachdem Hanna von dem Nacktvideo erfuhr, forderte sie die Pornoplattform auf, das Video zu löschen. Außerdem leitete die 28-jährige am selben Tag sieben Links zu anderen Videos an das Unternehmen weiter – Videos, die in derselben Sauna und teilweise aus derselben Perspektive aufgenommen worden waren. Anschließend informierte Hanna die Polizei. Die wies xHamster ebenfalls an, Hannas Video zu löschen, wie eine Pressesprecherin der Göttinger Polizei gegenüber VICE bestätigte.

Innerhalb von 24 Stunden wurde Hannas Video entfernt – die anderen Videos hingegen waren zwei Wochen später immer noch online. Per E-Mail teilte ein Mitarbeiter der Plattform Hanna mit, dass sich die dargestellten Personen persönlich melden müssten. Das scheint bei xHamster so üblich zu sein, wie eine vergangene Recherche von VICE beweist. "Aber die Frauen wissen ja vermutlich nicht einmal, dass sie gefilmt wurden!", erklärt Hanna im Gespräch mit VICE. Das Video von ihr und ihrer Schwester sei im Oktober 2017 entstanden. "Es hatte 160.000 Klicks. Das ist ganz Erfurt."

Hanna forderte die Plattform per Mail erneut auf, die Videos der anderen Frauen ebenfalls zu löschen. Eine Kopie dieser Mail vom 10. November liegt VICE vor. Außerdem drohte sie damit, andernfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Als Antwort verweist eine Mitarbeiterin von xHamster auf die Nutzungsbedingungen der Plattform. Dort steht, dass Uploader bestätigen und gewährleisten müssen, dass sie über die nötigen Lizenzen und Rechte sowie über das Einverständnis der abgebildeten Person verfügen. Jeder Teenager, der zum Pornogucken sein Alter verifizieren musste, weiß, wie leicht ein Häkchen gesetzt ist.

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In vergangenen Fällen rechtfertigte xHamster den Upload mutmaßlich voyeuristischer Videos mit "sexueller Redefreiheit". Man könne sich nicht sicher sein, ob die Videos wirklich ohne Einverständnis entstanden oder Teil einer Inszenierung seien. Im vorliegenden Fall ist die Lage jedoch ziemlich klar: Eine betroffene Person hat sich persönlich gemeldet und klar identifiziert, dass die Clips, die weitere Frauen zeigen, ebenfalls in dieser Sauna aufgenommen wurden. Das Filmen dort ist strengstens untersagt. Eine Mitarbeiterin des Hotels teilte VICE mit, dass mehrere Aushänge darauf aufmerksam machen. Trotzdem reagierte die Plattform nicht, als Hanna die Videos meldete.


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Im Laufe dieser Recherche stellt sich heraus: Hanna ist die nicht die einzige Frau, die in diesem Fall Anzeige erstattet hat. Bereits 2017 erstattete eine Frau bei der Göttinger Polizei Anzeige gegen Unbekannt, weil sie ein Video von sich – aufgenommen im besagten Spa – entdeckt hatte. Als VICE das Hotel mit den Vorwürfen konfrontiert, gibt die Assistenz der Geschäftsleitung vorerst an, nichts von den Videos zu wissen. In einem späteren Gespräch erzählt sie, bereits im Jahr 2017 Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben, nachdem sie auf die Videos aufmerksam gemacht worden war. Die Plattform habe sie jedoch nicht kontaktiert. "Den Rest habe ich der Polizei überlassen", sagt sie. Auch im Sommer 2019 habe sie Anzeige erstattet, als weitere Videos aufgetaucht seien.

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Wenn Hanna darüber spricht, wie viele Videos ohne das nötige Einverständnis der abgebildeten Personen online zu sein scheinen, wird sie wütend: "Ich bin nicht sonderlich links-feministisch, aber da schlug mir das Patriarchat mit so einer Wucht entgegen, dass ich es nicht mehr ignorieren konnte", sagt sie. Für Hanna bedeutet das, jetzt erst recht in die Sauna zu gehen. Trotzdem verstehe sie jede Frau, die nach einer solchen Erfahrung verunsichert ist: "Ich bin durch die Straßen gelaufen und habe mich gefragt, wieso der Typ mich so angrinst. Findet der mich jetzt nur sympathisch oder hat er das Video gesehen?"

Als Hanna Anzeige erstattete, soll der zuständige Polizeibeamte bestätigt haben, dass es sich bei den sieben Clips, die Hanna auf xHamster fand, ebenfalls um den Saunabereich des Göttinger Hotels handelte. Man sicherte ihr zu, die Plattform zu kontaktieren. Trotzdem waren die Videos bis zum 12. November weiter online. Eine Pressesprecherin der Polizei sagt zu VICE: "Xhamster.com wurde von den Ermittlern unverzüglich mit der Bitte um Löschung des tatrelevanten Videos kontaktiert." Daraufhin sei das Bildmaterial umgehend gelöscht worden. Sie räumt jedoch auch ein, dass es "trotz der polizeilich initiierten Maßnahmen […] praktisch kaum möglich sein, sämtliche Videos dauerhaft zu entfernen." Vorerst sei es nur um Hannas Video gegangen.

Am 12. November war plötzlich keines der Videos mehr aufrufbar. Auf Nachfrage bestätigt die Polizei, an diesem Tag noch einmal "nachgesteuert" zu haben. Das bedeutet: xHamster hat die Videos erst gelöscht, nachdem die Plattform von der Polizei dazu aufgefordert worden war. Wir haben xHamster gefragt, wieso sie nicht sofort auf Hannas Hinweise reagiert haben. Das Antwortschreiben ist ausweichend. Man wolle laufende polizeiliche Ermittlungen nicht behindern. Warum die Plattform Hannas Beschwerde nicht ernst nahm, bleibt offen.

Hast du mal bei Pornhub, xHamster oder einer anderen großen Pornoplattform gearbeitet – oder arbeitest dort noch immer? Wir würden uns freuen von dir zu hören. Du kannst die Autorin per E-Mail oder verschlüsselt via Signal ( +49 152 1012 4551) kontaktieren – am besten mit einem Gerät, das nicht deinem Arbeitgeber gehört.

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