Letzte Woche zog ein Shitstorm aus dem islamfeindlichen Eck durchs Netz, der die Handelskette Spar dazu veranlasst hat, ihre erst kürzlich in 25 Filialen eingeführten Halal-Produkte wieder aus dem Sortiment zu nehmen. Neben einigen seriösen Kommentaren von Tierschützern, die in der Debatte eine Chance sahen, auf grausame Verfahren in der industriellen Schlachtung hinzuweisen, gab es vor allem viele rassistische Kommentare.
Spar musste sich in Folge aber auch Kritik gefallen lassen, vor dem rechten Mob kapituliert zu haben. Der österreichische Regisseur und Schriftsteller David Schalko erinnerte in einem Kommentar gar an den Boykott jüdischer Geschäfte in den 1930ern und schrieb: „Wehret den Anfängen”.
Sympathiebekundungen und Gratulationen gibt es für Spar dafür jetzt von jenen, die letzte Woche noch zum Boykott riefen. In Kommentaren auf der Facebook-Seite von Spar heißt es etwa „In Zukunft nur mehr Spar” und „Spar weiß, was wir Österreicher wollen”.
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Gleichzeitig wird zu einer neuen Ächtung gerufen. Schließlich verkauft die REWE-Gruppe schon seit Jahren Halal-Fleisch—das hat zwar bisher keinen interessiert, aber wenn man jetzt schon mal in Fahrt ist, kann es wohl nicht schaden, auch deren Facebook-Seite mit wutbürgerlichen Kommentaren niederzuspammen.
Seit dem Wochenende häufen sich die Boykottaufrufe vor allem gegen Merkur. Von einem Shitstorm wie ihn Spar erlebt hat, kann aber kaum die Rede sein. Vielmehr wirkt es wie die Aktion einiger weniger Hardliner, die versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen und noch nicht ganz verstanden haben, dass nicht jeder auf ihre Forderungen gleich eingeht. Merkur scheint nämlich—anders als Spar—das Ganze eher locker zu nehmen und weist die Kritiker freundlich darauf hin, dass man um Vielfalt und Sachlichkeit bemüht sei.
Hinzu kommt, dass inzwischen die meisten—wenn auch lange noch nicht alle— begriffen haben dürften, dass das Tierschutz-Argument in der Diskussion einfach nicht ganz stimmig ist. Zumindest nicht im Vergleich zur „österreichischen Schlachtung”. Denn wie im Zuge der Diskussion dutzendfach dargelegt wurde, handelt es sich bei der Halal-Schlachtung aus der Spar, Merkur und Co. ihre Produkte bezogen haben oder immer noch beziehen, um Fleisch aus ganz normalen, industriellen Schlachtungen—mit dem einzigen Unterschied, dass während der Schlachtung ein Gebet gesprochen wird.
Die Faktenlage ist aber in der Diskussion, die von Anfang an durch Unwissenheit und Falschinformation geprägt war, für viele ohnehin nicht so wichtig. Selbst, wenn in Österreich die Halal-Schlachtung doch nicht grausamer als andere Schlachtungen ist, gibt es immer noch Videos von blutigen Kamelschlachtungen, die die Skrupellosigkeit „muslimischer” Schlachtungen zeigen sollen. Und wenn alles nichts mehr hilft, kann man immer noch laut „Lügenpresse” rufen—das hat einem noch immer die Zustimmung der Gleichgesinnten beschert.
Wir können jedenfalls froh sein, dass es momentan nicht so aussieht, als würde es zu einem erneuten Shitstorm unter dem Halal-Vorwand kommen. Dank der unaufgeregten Reaktion von Merkur und vielen vernünftigen, auf Fakten beruhenden Kommentaren anderer User bleibt uns eine Flut an hetzerischen Kommentaren diesmal zum Glück erspart.
Allen Kulturpessimisten dürfte der vorliegende Fall zumindest zeigen, dass sich sogar im sozialen Netz manchmal die Dinge von selbst regulieren. Vielleicht legt Merkur damit auch die Vorgangsweise für andere Unternehmen vor, um medialen Aufmerksamkeitskampagnen von Rechten in Zukunft gar nicht soviel Raum auf ihren Seiten zu bieten.
Paul auf Twitter: @gewitterland