Zwei Bilder. Links: Ein Mann mittleren Alters mit Glatze sitzt mit Zigarre vor Geldbündeln. Rechts: Eine blonde Frau mit Sonnenbrille lächelnd am Strand. Ehemalige Pornodarsteller erzählen von ihrem Leben nach den Pornos.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von den Interviewten
Sex

"Ich vermisse die Qualität des Sex": Pornostars über ihr Leben nach den Pornos

"Immer wieder gibt es Kunden, die nach besonderem 'Zimmerservice' fragen." – Cristina Ricci
Niccolò Carradori
Florence, IT

Die meisten Menschen, die in Pornos mitspielen, hören auch relativ früh wieder damit auf. Einige sind desillusioniert von der Industrie, andere haben erreicht, was sie erreichen wollten. Wie andere ehemalige Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind sie in ihrem Leben danach häufig Stigmatisierung und Vorurteilen ausgesetzt.

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VICE hat vier Darsteller und Darstellerinnen aus Italien gefragt, wie ihr Leben nach den Pornos aussieht.

Franco Trentalance

Ein Mann mit Glatze sitzt mit einer Zigarre in der Hand hinter mehreren Dollarbündeln aus Stein, hinter ihm im Raum sind mehrere Kunstwerke

Franco Trentalance mit einer Arbeit des italienischen Künstlers Narenzo Biondo

VICE: Du hast vor vier Jahren mit den Pornos aufgehört, warum?
Franco Trentalance:
Ich war auf dem Höhepunkt meiner Karriere und wollte, dass mich das Publikum gut in Erinnerung behält. Ich war müde und der Job hat meine Nerven strapaziert. Du musst da mit einer Erektion rumstehen, während ein Regisseur dir sagt, dass du Sex auf einer Wendeltreppe haben sollst, auf kaltem Marmor, auf Felsen, in der prallen Sonne. Lauter, zärtlicher, was auch immer gerade verlangt wird. Ich war es einfach ein bisschen leid.

Was machst du heute?
Ich habe Zeit, anderen Hobbys nachzugehen. Ich schreibe, ich koche und mache meinen eigenen Wein. Ich bin viel beschäftigt. 

Gibt es etwas, das du an den Pornos vermisst?
Ich vermisse die Qualität des Sex, den ich mit einigen Darstellerinnen hatte.

Wie ist dein Verhältnis zu Pornos heute?
Ich gucke sie weiterhin, aber ich bin ein bisschen wie diese Omis, die mit den Soaps im Fernsehen reden. Ich gebe den Darstellern Ratschläge: "Geh doch ein Stück da rüber! Warum stellst du dich in diese Position?" Diese Angewohnheit werde ich nur schwer wieder los. 

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Was ist deine Meinung zum Stigma, das der Beruf mit sich bringen kann?
Wenn du dich für eine solche Karriere entscheidest, musst du akzeptieren, dass damit ein Stigma und Vorurteile einhergehen können. Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, überwiegen allerdings ganz klar die Vorteile.

Cristina Ricci aka Michelle Ferrari

Eine lächelnde Frau mit blonden Haaren, einem violetten Top und einer Sonnenbrille posiert am Strand

Cristina Ricci

VICE: Du hast dich in der Vergangenheit mehrmals vom Pornogeschäft zurückgezogen und bist dann doch wieder zurückgekommen. Ist es diesmal endgültig vorbei?
Cristina Ricci:
Ja. Davor waren meine Beweggründe andere. Damals habe ich damit aufgehört, weil meine Partner eifersüchtig waren. Jetzt meine ich, dass es Zeit ist, das Kapitel endgültig zu schließen. Die Drehs interessieren mich nicht mehr, es ist alles mechanisch geworden. 

Wie verbringst du heute deine Zeit?
Ich lebe im Jetzt. Ich habe eine Tochter und tue alles für sie. Natürlich habe ich auch eigene Interessen, ich begeistere mich zum Beispiel für Naturheilkunde. Außerdem nehme ich an Triathlons teil. 

Stört es dich manchmal, wenn Leute sich an dich als Ex-Pornodarstellerin erinnern?
Ein bisschen, ja, weil die Marke immer bei dir bleibt. Ich helfe meiner Familie beim Betrieb einer Ferienanlage auf dem Land. Immer wieder gibt es Kunden, die nach einem besonderen "Zimmerservice" fragen, wie sie es nennen.

Hattest du jemals das Gefühl, dich in deinen privaten Beziehungen wie ein Pornostar verhalten zu müssen?
Nein, so ziemlich das Gegenteil. Pornos habe ich gemacht, weil ich das wollte. Dieses Verruchte und diese Freiheit habe ich in meinem Privatleben sogar manchmal vermisst. Meine Partner wollten mich vor den Pornos retten, aber ich musste vor nichts gerettet werden.

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Ruggero Freddi aka Carlo Masi

Ein muskulöser Mann mit Bart und kurzen grauen Haaren steht oberkörperfrei an einem Strand mit türkisblauem Wasser im Hintergrund

Ruggero Freddi

VICE: Erinnerst du dich gerne an deine Zeit im Pornogeschäft zurück?
Ruggero Freddi:
Es war eine sehr glückliche Zeit in meinem Leben. Ich bin stolz, Carlo Masi gewesen zu sein. Dabei ist wichtig, dass ich im Pornogeschäft zu einer Elitegruppe gehörte. Ich war privilegiert. Die, die nicht so erfolgreich waren wie ich, haben mehr Stigmata und negative Konsequenzen erlebt. 

Warum hast du dich entschieden aufzuhören?
Ich habe aus meiner Karriere das meiste rausgeholt. Ich war reich, berühmt und habe heute einen Haufen toller Erinnerungen. Aber irgendwann wiederholte sich alles. Also entschied ich mich auszusteigen, bevor es zu spät war, mich beruflich neu zu erfinden. 

Vermisst du es manchmal?
Ich vermisse nicht die Drehs selbst, nein, aber ich vermisse den Lifestyle. Reisen, Preisverleihungen, Ruhm. Pornografie ist Showbusiness. Es macht Spaß, Teil dieser Welt zu sein.

Mein verstorbener Ex-Mann Giovanni Fieschi Ravaschieri del Drago war sehr wohlhabend, was mich in einer komfortablen Situation zurückließ. Deswegen konnte ich meiner echten Leidenschaft nachgehen und Mathematik an der Uni lehren.

Jetzt bin ich mit einem anderen ehemaligen Darsteller verheiratet, Gustavo A. Leguizamon, ihr kennt ihn vielleicht als Adam Champ. Unser Sexleben ist ganz normal. Was du vor der Kamera machst, ist Show. 

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Hast du dich jemals wegen deines früheren Jobs diskriminiert oder stigmatisiert gefühlt?
Niemand hat sich jemals getraut, direkt etwas zu mir zu sagen. Beruflich hat es mich allerdings schon beeinträchtigt. Ich hatte lange von einer akademischen Karriere geträumt, aber sobald sich meine Vergangenheit rumgesprochen hatte, wurde das schwierig.

Einige Professoren, die mich eingestellt hatten, sagten mir später, dass ihnen davon abgeraten worden sei. Leider zeigt das, was für Menschen in den oberen Rängen der Universitäten sitzen – und dass du nicht um sie herumkommst. Am Ende habe ich aufgegeben. Heute bin ich Lehrer in einem Gymnasium.

Gianfranco Coizza aka Denis Marti

Ein Mann mit Bart in graublauem T-Shirt hält lachend ein Holzbrett mit einem Braten hoch

Gianfranco Coizza

VICE: Warum hast du mit den Pornos aufgehört?
Gianfranco Coizza:
Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Ich war ein gefragter Darsteller, Regisseur und Produzent. Es gab nichts mehr, was das Pornogeschäft mir geben konnte. 

Jetzt bist du in der Gastronomie tätig, oder?
Ich habe bereits in den letzten Jahren meiner Pornokarriere angefangen, mich im Gastronomiesektor zu betätigen. Ich hatte in ein Restaurant in Budapest investiert und besaß ein Apartment-Restaurant in L.A. – es war also nichts komplett Neues.

Hat der Ausstieg aus dem Pornogeschäft dir finanziell geschadet?
Anfangs ein bisschen, ja. Aber andererseits hockst du als Pornodarsteller ständig rum und wartest darauf, von Produzenten angerufen zu werden – und du weißt, dass jeder Anruf immer der letzte sein kann. Es war nie dieses Paradies, in dem du schnell reich wirst, das Leute erwarten – nicht mal, als noch richtig Geld im Spiel war.

Ich habe mir immer zu viele Gedanken darüber gemacht, was andere von mir denken. Ich hatte immer Angst, dass mich meine Kollegen als "der Typ, der mal Pornos gedreht hat", sehen. Und das ist auch einige Male passiert. Ich habe deswegen ein paar wichtige Kooperationsmöglichkeiten verpasst. 

Vermisst du die Pornos manchmal?
Nein. Es war ein Beruf, kein Lifestyle. 

Würdest du es wieder tun?
Um ehrlich zu sein, eher nicht. Das Stigma gegenüber Pornodarstellern ist immer noch sehr stark und überschattet einen großen Teil deiner Persönlichkeit.

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