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Homeoffice-Verbot: Diese Menschen werden gezwungen, ins Büro zu gehen

"Solche Mitarbeiter, die Homeoffice wollen, brauchen wir gar nicht."
Ein Mann arbeitet zu Hause am Laptop; Homeoffice-Verbot: Diese Menschen werden gezwungen, ins Büro zu gehen
Symbolfoto: imago images / Cavan Images

Vor ein paar Tagen feierten 30 Menschen einen Kindergeburtstag, bis die Polizei vor der Tür stand. Gemäß Bußgeldkatalog sind das 100 bis 400 Euro pro Person. Denn die jetzigen Corona-Regeln schreiben vor, dass sich ein Haushalt mit nur einer weiteren Person treffen darf. Mit den geltenden Verordnungen wird unser privates Leben eingeschränkt. Doch diese Einschränkungen in den eigenen vier Wänden werden die Zahlen nur bedingt senken können, wenn Leute noch in den Aufenthaltsräumen ihrer Büros während der Mittagspause zu fünft an einem Tisch Nudelsalat aus der mitgebrachten Tupperdose essen können. Vier Leute erzählen uns von ihrem Alltag im Büro während des Lockdowns. Ihre Namen haben wir geändert, damit sie keinen Stress bei der Arbeit bekommen.

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Mia, 24, Fallverantwortliche in einer Behörde

Ich arbeite den ganzen Tag am Computer. Wir brauchen aber teilweise Papierakten. Dafür würde es reichen, wenn eine Person im Büro arbeitet und für die Mitarbeiterinnen zu Hause in den Akten nachschaut. Die Pandemie beschäftigt uns schon seit bald einem Jahr. In dieser Zeit wäre es auch möglich gewesen, diese Akten zu digitalisieren. Aber meine Vorgesetzten haben gar nicht versucht, eine Lösung zu finden, sondern gesagt: "Bei uns ist Homeoffice nicht möglich. Punkt." Ich teilte mir auch lange mit drei weiteren Leuten ein Büro. Ich musste dann für ein Einzelbüro kämpfen. Unser Arbeitgeber will uns auch keine Masken oder Desinfektionsmittel zur Verfügung stellen. Wenn ich jeden Tag im Büro arbeite und die Maske über den Tag regelmäßig wechseln will, geht das auch ins Geld. Sie wollen uns da aber nicht entschädigen. 

Aber auch die anderen Mitarbeiter halten sich nicht an die Regeln. Manche essen noch in Gruppen in einem Konferenzraum ihr Mittagessen. Viele erscheinen auch krank bei der Arbeit oder kommen ohne Maske zu einem Schreibtisch, um etwas nachzufragen. 

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In einem anderen Fachbereich war es möglich, Homeoffice zu machen. Da mussten dann aber trotzdem zwei Mitarbeiterinnen des Sekretariats anwesend sein, obwohl sie ihre Tätigkeit genauso gut von zu Hause aus hätten verrichten können. 

Julian, 39, Werber

Mein Chef war mit seiner Familie in Tirol. Als er an einem Montag zurück war, hat er im Büro rumgehustet. Am nächsten Tag ist er nicht mehr zur Arbeit gekommen. Seine Frau, die auch bei uns arbeitet, hat mir dann mitgeteilt, dass er wegen Fieberschüben und Schüttelfrost zu Hause geblieben sei. Sie ist aber trotzdem zur Arbeit gekommen. Ich wollte dann direkt nach Hause. Sie erklärte mir, dass das Arbeitsverweigerung sei und ich dann mit den Konsequenzen rechnen müsse. Unser Informatiker hat mir dann eine Möglichkeit ausgearbeitet, durch die ich zu Hause arbeiten konnte.

Nach vier Tagen hat mein Chef mich jedoch ins Büro bestellt – unter dem Vorwand, dass wir ein dringendes Projekt besprechen müssten. Im Büro musste ich dann nur das Papier im Drucker wechseln. Danach war Homeoffice nie wieder ein Thema. Unsere Tische stehen jetzt weiter weg voneinander. Wir halten zwar Abstand im Büro, aber wenn mein Chef etwas besprechen will, kommt er trotzdem zu meinem Tisch. Ich arbeite ja eigentlich in einer Branche, in der es easy wäre, von zu Hause aus zu arbeiten. 

Leo, 31, Verwaltungsangestellter

Ich arbeite für eine große öffentliche Verwaltung. Bei uns gab es vereinzelt Homeoffice, aber nur für ältere Mitarbeiter. Ich habe mitgekriegt, dass viele Vorgesetzte kein Homeoffice wollen. Sie haben das Gefühl, dass die Leute zu Hause gar nichts machen. Einer meiner Chefs hat gesagt: "Solche Mitarbeiter, die Homeoffice wollen, brauchen wir gar nicht." Der Landkreis ist jetzt über die 300er-Marke gerutscht. Der öffentliche Druck ist nun so hoch, dass ein Schichtbetrieb eingeführt wird. Eine Hälfte ist im Homeoffice, während die andere im Büro arbeitet. Der Chef hat versehentlich seinen E-Mail-Verlauf rumgeschickt, daraus konnte man klar sehen, dass schon lange beschlossen wurde, ins Homeoffice zu wechseln, und dass sich einige Chefs dagegen gesträubt haben. Es hätte also schon früher etwas geändert werden sollen, es wurde aber nicht weitergegeben.

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Im Büro schaffen wir es auch nicht, die eineinhalb Meter Abstand einzuhalten. Wenn man nicht im Pausenraum essen will, müsste man draußen essen, und gerade ist es kalt. Dann setzt man sich halt doch mit fünf, sechs Mann in den Pausenraum. Es ist natürlich komisch, dass da gar nicht daran gedacht wird. Ich finde es paradox, dass ich mich in meiner Freizeit mit nur einer anderen Person treffen darf, und dann sitze ich am nächsten Tag mit mehreren Leuten in einem 10-Quadratmeter-Pausenraum.

David, 21, Büroangestellter

Ich arbeite in einem Büro mit etwa 30 Leuten. Es ist ein Großraumbüro. Einzelbüros gibt es keine. Wenn ich im Büro bin, trage ich immer eine Maske. Eine Maskenpflicht gilt jedoch nur in den Fluren und Gemeinschaftsräumen. Meine Vorgesetzte kommt manchmal auch an meinen Schreibtisch, ohne eine zu tragen. Oft stehen Leute zu dritt und ohne Maske im Druckerraum. Wir mussten uns dafür einsetzen, dass ältere Mitarbeitende von zu Hause aus arbeiten dürfen. Nach langen Diskussionen wurde das von der Geschäftsleitung genehmigt. Für die Sitzung, die einmal pro Woche stattfindet, müssen sie dann aber trotzdem anwesend sein. Logisch ist das nicht wirklich.

Da wir alle mit Arbeitslaptops arbeiten, wäre es ein Leichtes für uns, ins Homeoffice zu wechseln. Die Geschäftsleitung geht jedoch davon aus, dass dann unsere Leistung abnehmen würde. Ich könnte mich zu Hause wahrscheinlich besser konzentrieren, weil ich mir dann nicht immer Sorgen machen müsste. In meiner Freizeit treffe ich mich jetzt kaum mehr mit Leuten – aus Angst, sie einem Risiko auszusetzen.

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