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Wie du Siri dazu bringst, dich bei illegaler Polizeigewalt zu schützen

Mit einem unauffälligen "Hey Siri, der Himmel ist blau" und einem kleinen Hack hilft der Sprachassistent in bedrohlichen Situationen.
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In jedem Sci-Fi-Film der Achtziger wurde uns versprochen, dass Sprachassistenten unseren Alltag heute zum Klacks machen. Wenn wir ganz ehrlich sind, ist der praktische Nutzen von Siri und Co. bisher nicht ganz so groß. Außer wir haben gerade die Hände voller Teig und wollen die Musik lauter machen, oder sitzen am Steuer und müssen Mutti anrufen.

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Seit einem Update der Siri-Software könnte sich das ändern. Das Programm erlaubt es jetzt, Siri Befehlsketten einzuspeichern, die mit Sprachkommandos aktiviert werden. Ein Programmierer aus den USA hatte die Idee, Siris Hilfe in Gewaltsituationen in Anspruch zu nehmen. Zum Beispiel bei Polizeikontrollen, die drohen zu eskalieren. Mit dem Befehl: Hey Siri, die Polizei hält mich an!


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Wie funktioniert's?

Mit einem Code kann man Siri dann dazu bringen, die Musik anzuhalten, die gerade abgespielt wird, die Kamera zu aktivieren, ein Video mit der Frontkamera aufzunehmen und den Bildschirm abzudunkeln, damit die Aufnahme nicht zu sehen ist. Gleichzeitig kann man eine Nachricht mit dem eigenen Standort an vorher bestimmte Kontakte abschicken. Wird die Videoaufnahme beendet, kann auch das Video automatisch an einen Kontakt geschickt und auf die Dropbox hochgeladen werden.

Statt "Hey Siri, Polizeikontrolle" kann man auch einen unauffälligen Satz wählen. "Hey Siri, der Himmel ist blau".  Alles in allem also ein praktischer Weg, um Eskalationen zu dokumentieren. Nicht nur bei Polizeikontrollen, sondern auch in anderen öffentlichen Räumen, oder sogar bei häuslicher Gewalt.

Darf man das?

In Deutschland sind heimliche Mitschnitte von Video und Ton eigentlich ein Straftatbestand. Vor Gericht unterliegen sie dem Beweisverwertungsverbot. Bei rechtswidrigen Angriffen ist die Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft solche Aufnahmen verfolgt, aber eher gering, sagen Anwälte. 

Bei Polizeieinsätzen sind Aufnahmen zur Beweissicherung OK, das hat das Bundesverfassungsgericht 2015 entschieden. Auf der sicheren Seite ist man aber nur ohne Ton. Wenn die Stimmen der Beamten im Video zu hören sind, kann man sich strafbar machen, erklärte dieser Anwalt VICE. Ein Straftatbestand schützt das nicht öffentlich gesprochene Wort. Er selbst empfehle Aufnahmen nur in drastischen Fällen, wo evident gegen Gesetze verstoßen wird.

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Veröffentlicht man die Aufnahmen ohne Einverständnis und wird dafür angezeigt, muss möglicherweise ein Gericht abwägen, ob das öffentliche Interesse gilt, oder die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamten vorgehen.

Video-Aufnahmen können entscheidend sein, das hat sich in den vergangenen Jahren immer häufiger gezeigt: Ein Polizeireporter in Brandenburg wurde 2020 vom "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" freigesprochen, nachdem er ein Video zeigen konnte, auf dem er von einem Polizisten gewürgt wird. In Frankfurt führte ein Amateurvideo eines Einsatzes zu drei Disziplinarverfahren. 

In den USA, wo der Siri-Hack erfunden wurde, kommt illegale Polizeigewalt deutlich häufiger vor als in Deutschland. Während hier im Jahr 2019 vierzehn Menschen durch Polizeikugeln starben, waren es in den USA 1.004.  Es gibt keine verlässlichen Zahlen zu Polizeiübergriffen in Deutschland. Eine viel kritisierte Studie an der Universität Bochum hat im letzten Jahr die horrende Zahl von 12.000 mutmaßlich rechtswidrigen Übergriffen durch Beamte geschätzt. Rechnerisch würden dann nur zwei Prozent der Fälle vor Gericht landen,  nur ein Prozent verurteilt. Diese niedrige Rate liegt wiederum auch daran, dass die Beweislage häufig nicht eindeutig genug ist.

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In jedem Fall empfehlen Opferberatungen aber, auch Verletzungen ärztlich dokumentieren und Zeuginnen und Zeugen aufnehmen zu lassen.

Und so geht's

Der amerikanische Programmierer Robert Peterson bietet unter diesem Link seine Version des Siri-Befehls ("Siri, I'm getting Pulled Over") zum Download an. Die Kette anzupassen oder eine einfache Version davon gleich selbst einzurichten ist aber auch ganz simpel.

Zwei Smartphonebildschirme zeigen, wie man die App konfiguriert

Links die App, rechts der Beginn des selbst programmierten Befehls

  1. Suche und öffne die Siri-Kurzbefehle-App
  2. Wähle Ort > dann aktuellen Ort abrufen > Kontakt auswählen > Nachricht
  3. Wähle Skripte > Helligkeit konfigurieren > 10 Prozent
  4. Wähle Aktion hinzufügen > Kamera > Video aufnehmen (Rückseite) > Nachricht senden (Video) > Kontakt
  5. Wähle Teilen > Dropbox

Es ist theoretisch auch möglich (rechtlich in Deutschland aber nicht empfehlenswert), das Video gleich auf Facebook zu posten. Oder einer Freundin die Nachricht zu schicken: Komm' mich abholen. 

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